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Einleitung
wenn er des in der Bürgerschaft immer mehr überhandnehmenden
Luxus gedenkt, wenn er von den Betrügereien der Bäcker und anderer
Gewerbsleute spricht oder von einem wüsten Raufhandel auf der
Herrenstube berichtet, wobei er als echter Zünftler, den er damals
noch hervorkehrte, gleißnerisch hinzufügt: „Got behiet alle Zunft
heuser vor solcher Unzucht!" Er äußert sich mißfällig über den Stolz,
den Hochmut und die Selbstherrlichkeit mehrerer hervorragender
Bürger der Stadt und zeigt in seiner lehrhaften Art auch, wohin dies
geführt hat. Das Regiment des Bürgermeisters Schwarz, das er
an anderer ©teile 1 ausführlich schildert, wird in der Weberchronik
nur kurz erwähnt, aber ebenso entschieden wie dort als für die Stadt
äußerst schädlich verurteilt. Sein Widerwillen gegen die Juden, die
doch schon seit mehr als hundert Jahren (seit 1440) aus der Stadt
ausgewiesen waren, kommt an mehreren sie berührenden Stellen
zum Ausdruck, noch mehr sein von uns schon berührter Haß gegen
die katholische Geistlichkeit, von der er fast nie spricht, ohne sie zu
bespötteln oder zu bemäkeln. So sagt er am Schluß eines den prunk
vollen Einritt des Bischofs Eberhard von Kilchberg (1405)
schildernden Berichtes: Es gab im Anschluß daran ein Festmahl, „und
nach dem Essen hielt man dem andechtigen Bischof ain Tantz ... Da
fieng das hailig Almosen gar hofflich an zu tantzen, und was ain fein
Ding. Also des dritten Tags war die Kirchweih aus, und ritt jeder
mann wider hinweg." Und ganz ähnlich schließt Jäger seine Erzählung
vom Einritt des Bischofs Johann von Werdenberg (1470), den er
einmal als „Seine Einfältigkeit" tituliert. Was er über den Bischof
Anselm von Nenningen und dessen Anhänger beibringt, ist eine
fortlaufende Klage über sein die Stadt so schwer schädigendes Ge
baren, und er bricht unwillig ab mit dem Ausruf: „Ain gantz Buch
soll noch von dem Handel beschriben werden." Am meisten erbost er
sich über Bischof Friedrich von Zollern, gegen den die Augs
burger (1490) in einem freilich nur ein paar Stunden währenden
„Krieg" zu Feld ziehen mußten. Und so wie diese Bischöfe waren,
klagt er, sind sie alle. „Ach Gott, hilf, welcher Bischof ist in 900 Jaren
je ein guter Gönner des Rats und gemainer Etat Augspurg mit Grund
und Wahrhait gewesen?" Fast noch widerwärtiger als die Bischöfe
waren Jäger aber die „Domherren-Junker", von denen er verschiedene
1. In der Vorbereitung des Rates gegen Georg Österreicher (Dirr, El. Jäger,
©•19 ff.).