Nr. 10.
Neubauten und Concurrenzen in Oesterreich und Ungarn.
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werden, solange wird sich an der Wettbewerbsmisére in
Oesterreich nicht vieles ändern lassen und solange werden
sich auch beinahe ausschliesslich nur die jüngsten Kräfte,
welche für ihre Zeit gar keine bessere Verwendung
haben, an diesen undankbaren Aufgaben betheiligen. f
Es entsteht hun die Frage, wie kann der grósste
Bauherr, der Staat, und wie können die Länder veran-
lasst werden, für hervorragendere Bauten regelmässig
Wettbewerbe auszuschreiben? Unserer Ansicht Dach nur
durch die Architekten selbst. Wenn sich die österreichischen
ntekten zusammenschliessen würden, etwa unter
Führung der grössten Vereine, wenn sie sich unter-
schriftlich. vet -pflichten würden, an keinem Wettbewerbe
theilzunehmen, dessen Bedingungen nicht einem gewissen,
von. einem Comité auszuarbeite nden Regulativ entsprechen,
wenn sie die Ministerien, den Reichsrath. die Landtage
durch Petitionen bestürmen würden, in den Vertretungs-
kórpern durch Abgeordnete ihres Faches bei jeder Ge-
legenheit in diesem Sinne reden und interpelliren liessen,
dann müssten sich diese traurigen Verhältnisse bessern
lassen. Dann würden wohl auch die ersten Meister der
Architektur, denen jetzt in Oesterreich so wenig Gelegen-
heit geboten ist, ihre Kunst würdig zu verwerthen, an
den gróssten Wettbewerben theilnehmen, wáhrend die
gewiss wesentlich gestiegene Zahl kleinerer, unter gün-
stigéren Bedingungen als bisher ausgeschriebenen Wett-
bewerbe auch dem jüngsten strebsamen Architekten
Gelegenheit geben würden, sich öffentlich hervorzuthun.
]n der Márz-Nummer dieses Blattes besprachen wir
die Wettbewerbsverhältnisse in England und theilten mit,
dass die kläglichen Zustände, die auf diesem Gebiete
dort herrsc hten, sich von dem Tage an wesentlich ver-
besserten, als vor ungefähr 15 Jahren 335 Mitglieder des
Vereines britischer Architekten und rund 1000 Nichtmit-
glieder desselben sich in einer gemeinsamen Eingabe an den
Präsidenten des genannten Vereines verpflichteten, an
keinem Wettbewerbe theilzunehmen, dessen Bedingungen
nicht den in der Eingabe gestellten. Anforderungen ent-
sprechen würden. Und was in England möglich und
erfolereich war, sollte in Oesterreich unmóglich sein?
Nur selbst werden unsere Architekten sich helfen können,
und die erste. Bedingung dazu ist die Vereinigung. BD.
Ein kleineres
Der »erste österreichische Zieglertag«, welcher
16., 17. und 18. d. M. in Wien seine Sitzungen hielt,
sowohl von.hervorragenden österreichischen, als auch
utschen. Fachleuten und Interessenten zahlreich besucht
'en, hat in Erledigung seines ersten Programmpunktes
eine Resolution beschlossen, dahin gehend, es sei das
deutsche oder besser gesagt preussische Ziegel-Normal-
format von 25—-12——6:5 cz? auch in Oesterreich als
Normalformat einzuführen.
Wenn es dem Zieglertag gelingt,
verwirklichen, so wird er sich um das Bauwesen in
Oesterreich ein grosses Verdienst erwerben. Wir haben
in Oesterreich kein allgemein giltiges Normalformat, es
ist dies in verschiedenen Ländern verschieden, wahrend
in Preussen für Staatsbauten das Format 25 —12—— 6:5 em
vorgeschrieben ist. Das hier übliche (in Wien speciell
vorgeschriebene) von. 29—14— 0:5 cz ist, mit Ausnahme
des bayerischen, das grósste in Europa vorkommende
Format. Selbst das deutsche will uns noch ziemlich gross
erscheinen, und wiirde es sich bei einer allgemeinen Re-
gelung dieser Frage sehr empfehlen, den Umstand ins
Auge zu fassen, dass in den massgebendsten anderen
Culturlindern das Format ein noch kleineres ist. So
haben z. B. als allgemein übiiche Ziegelformate:
diese Absicht zu
Paris... n -92-0—10:7— 45 cm
London. ..... ... 22:0—11:'£—(G4 »
New-York i... =. 21:0—10:5—6:6.»
Schweiz ........... 25:0—12:0— 6:0 >»
Holland (zum Theil) 22:0—10:5—5'0 »
Schweden..... 98 95:0—12:0— 6:5 »
Ziegelformat.
Die Vortheile, welche mit der Einführung eines
kleineren Ziegelform: ites. verbunden sind, sind augen-
fallige. Vor Allem lasst sich der Zie egel leichter gut her-
stellen, sowohl der Form, als auch der Gleichmässigkeit
des Materiales und des Brennens nach. Der Transport
wird erleichtert. Es’ ergeben sich beim Bau wesentliche
Ersparnisse in der Mauerwerkskubatur, da die Mauern
dem Bedürfnisse besser MESS werden kónnen und
die grossen Absätze zwischen den einzelnen Stockwerken
mit der dadurch bedingten stellenweisen Materialver-
schwendung geringer werden. Da die Festigkeit eines
besseren Ziegels von 25 cm Länge gewiss gleich der eines
weniger gut und gleichmässig hergestellten von 29 cm
Länge ist, so liesse sich einfach die Mauerstirke in
diesem Verhältnisse reduciren, wodurch in den Gebäuden
wesentlich an Raum gespart werden würde, ohne die
Soliditit zu vermindern, was ein Vergleich mit den Hoch-
bauten in Berlin, Paris und London auf den ersten Blick
bestätigt.
Auch die Ziegelwerke würden nichts verlieren, da
es ja die. Arbeit und weit weniger das aus der Grube
gewonnene Materiale ist, das ihnen gezahlt wird. Das
Mauern selbst würde auch nicht mehr kosten, da die
Mauern einfach in diesem - Verhältnisse schwächer ge-
halten werden würden, was ohne den geringsten Sch aden
nach irgend einer Richtung hier möglich wäre. Unsere
Bauordnung und Bautradition erschwert das Bauen nach
so vielen Richtungen und macht es so kostspielig, dass
jede Erleichterung in dieser Hinsicht nur mit grösster
Freude begrüsst werden kann.
LITERATUR.
Das vornehme deutsche Haus. Innenräume, Môbel und |
Decorationen, entworfen von Architekt Hermann Werle,
Versuch einer Neugestaltung unserer deutschen Wohn-
räume. Motivenwerk für P itekten, Móbelfabrikanten,
Decorateure, Decorationsmaler. Kunstgew erbetreibende
aller Art und ] kunstsinnige Private. Zusammen 30 Cartons
im Formate 53 x 40 cz in 6 Li eferungen à 7.50 Mark.
Kunstgewerbl. Verlag von Alexander Rack, Darmstadt.
Es bereitet uns immer ein V ergnügen, eine Publication
des kunstgewerblichen Verlages von ^ Alexander Koch in
Darmstadt besprechen zu können, denn was dieser Verlag
bisher geboten, gehórt zu dem Besten. seiner Art, einer
Eigenart, die sonst so wenig in der Literatur vertreten
ist, der Innen- Architektur und Decoration. Auch
in dem vorliegenden Werke bleibt der Verleger seinem
Grundsatze getreu und hat sein einmal gestecktes Ziel
unverwandt im Auge: das Innere unserer Wohnung zu
reformiren, auf eine höhere künstlerische Stufe zu bringen.
der Æoc/W#schen Zeitschrift für Innendecoration
bestbekannten Architekten Hermann Werle in Berlin fiel
diesmal die Aufgabe zu, sámmtliche Innenráume eines
vornehmen deutschen Hauses zur Darstellung zu bringen.
Es ist aber besonders dankenswerth, dass hiebei nicht bloss
die Prunkráume berücksichtigt wurden, sondern auch die
intimeren einfachen Ráume, und selbst die Nutzráume,
wie Küche, Badezimmer, Closet, Keller u. s. w. nicht
vergessen sind. Die Werle’schen Compositionen zeichnen
sich durch einen grossen Zug aus. Sie stellen keine
Sammlung von Einzelnmotiven dar, wie so oft die
Dem aus
Innenarchitekturen, sondern sind aus einem Gusse. Man
merkt ihnen englischen Einfluss an — gewiss nicht. zu
ihrem Nachtheile — aber man tháte unrecht, wenn man
ihnen die Bezeichnung »englisch« gibe. Sie sind ganz eigen-
artig und vor allem ganz dem Wesen des deutschen
Hauses entsprechend, sie sind durchaus modern, im guteh
Sinne dieses viel verrufenen Wortes, d. h. .sie suchen
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