1903
greife ich da nur ein Beispiel
heraus: das Blatt, auf dem zwei
Engelchen das Schweisstuch
der heiligen Veronika halten.
Das Gesicht des Engels links
ist unglaublich komisch und
gibt mit viel Humor den Aus-
druck des angestrengten He-
bens wieder, ohne dass die
Grösse der Darstellung irgend-
wie dadurch leidet.
Edler Humor ist die
Sprache eines Menschen von
Herz. Beim Künstler zeigt er
den Meister, dessen Werke
aus dem Herzen herauskom-
men. Mag er sich auch nicht
bei allen Aufgaben in einer
Weise bethätigen lassen, dass
wir ‚sein Wirken an der oder
jener Stelle mit dem Finger
deuten können; immerhin aber
werden wir in jedem einzelnen
Falle sagen können: der Meister baut mit dem Verstand, jener
mit Gemüt! Bei den kleineren Erzeugnissen der Profanarchitektur
macht sich der Unterschied vielleicht am deutlichsten fühlbar:
Protzenarchitektur und gesunde bürgerliche Baukunst. In der
letzteren haben wir für die Gegenwart das eigentliche Feld
der Sorte Humor, der ich das Wort rede, d. h. deren Bestehen,
Gott sei Dank, noch hie und da zu konstatieren ist, wenn
Bauherr und Architekt in ‚dieser Beziehung ein gemeinsames
Ziel vor Augen hatten. Der Reiz, den künstlerischer Humor
über solch ein Heim ausgiesst, kann, meinem Gefühl nach,
manches hie und da im Ausbau Missglückte milder beurteilen
oder gar übersehen lassen; man freut sich eben über das
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ARCHITEKTONISCHE MONATSHEFTE
Walten eines gesunden fröhlichen Geistes.
Architektur und der Kunst überhaupt auch unfreiwilligen
Humor, wie ja überall, Dieser Sorte wollte ich aber nicht
das Wort reden. Sie blüht in Tausenden von Beispielen schon
Es gibt: in: der
schmiegend, von der
einfachsten Anord-
nung einer bescheide-
nen, geschäftsmässig
ruhig. wirkenden Be-
leuchtung der Auslage
durch viele Zwischen-
stufen bis zur künst-
lerisch vollendeten, je
nach der beabsichtig-
ten Wirkung gemessen
oder . prunkvoll aus-
gebildeten raffinierten
Ausgestaltung oder
auch bis zur widerlich
schreiend-aufdring-
lichen Reklamebeleuch-
tung.
Man könnte dem-
nach Zweck-, Kunst-
und Reklamebeleuch-
tung unterscheiden und der ersten das Leucht-
gas für die Lichterzeugung, den anderen die
Elektrizität oder Auerlicht verschiedener Her-
kunft zuerkennen, da nur diese in ihrer proteusartigen An-
passungsfähigkeit an alle erdenklichen Verhältnisse jeglicher
Anforderung zu genügen vermögen, die aus ästhetisch-künst-
lerischen: Absichten oder dem Bedürfnis glänzender, über-
raschender Wirkungen hervorgeht.
Der: reinen Zweckbeleuchtung dient am besten das Auer-
licht, gleichgültig ob der Leuchtkörper durch Gas, Spiritus oder
Erdöl (im vielhundertkerzigen Keros- oder Washingtonlicht)
zum Glühen gebracht wird, denn das Licht ist das billigste
und dabei klar und rein; auf die Kerzenstärke bezogen meist
billiger als das Licht der bewährten und beliebten Petroleum-
lampe unserer Haushaltungen; es verändert die Farben der
Gegenstände nicht und lässt sie erscheinen wie bei Tageslicht.
Dieser billigen Beleuchtung schliesst sich ökonomisch und
mit gleicher Lichtfarbe, aber höherem Glanz, die elektrische
(38) Konsolen über dem Erdgeschoss
vom Hause Rue grande 13 in Le Mans,
(39) Turmspitze, aus
gebrannten, glasierten
Thontöpfen zusammen-
gesetzt, in Le Mans.
genug und auch aus ihr kann man Heiterkeit schöpfen, aber | Bogenlampe an, namentlich in den speziell für die Innenbeleuch-
nur — vorübergehend. S. von Suchodolskit.
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Schaufenster- und Reklamebeleuchtung.
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| on die Mittel- und Kleinstadt ohne wesentlichen Fremden-
verkehr, für den Ort, wo jeder Einwohner jedes Schau-
fenster und seinen Inhalt kennt, bedarf es weder einer be-
sonders hellen, noch einer verfeinerten, raffinierten Beleuchtung,
um Schaulustige anzulocken. Da thut’s die gewöhnliche Lampe,
allenfalls die Gasflamme; etwas mehr Licht, als für die Aus-
lage gerade nötig ist, genügt, damit auch die Strasse etwas mit
abbekommt; also wenn’s hoch kommt eine oder zwei Flammen
im Fenster oder an der Aussenseite und damit ist dann mehr
als genug gethan. Die Schaufensterbeleuchtung in diesen
Verhältnissen ist eine reine Zweckbeleuchtung und kann jeg-
lichen Reklameelementes entbehren.
Anders stellt sich die Sache in der Grossstadt, deren
flutender Menschenstrom teils hastig die Hauptstrassen durch-
eilt, teils langsam an den schimmernden Fronten der langen
Palastreihen entlang gleitet und in genusssuchendem Dahin-
schlendern entweder alles oder gar nichts beachtet. Hier
setzt die Schaufensterbeleuchtung als ein besonderer Zweig
der Beleuchtungstechnik — der Festbeleuchtung, Theater-
beleuchtung, Salonbeleuchtung ebenbürtig und von allen ent-
lehnend — ein. Und wie das Schaufenster der Grossstadt ein
ander Ding ist als das des kleinen Ortes, so muss auch die
Beleuchtung sich anders gestalten und all den wechselnden
Erfordernissen sich anzupassen verstehen, die Lage, Umgebung,
Grösse des Raumes, Eigenart der ausgestellten Ware und was
sonst noch mitsprechen könnte, vorschreiben. So steigert sie
sich, den Forderungen der gegebenen Umstände sich an-
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