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Noch vor Beginn des Studienjahrs wurde die technische Hochschule durch den Tod des
Professors Dr. v. Viseher schwer und schmerzlich betroffen. Er ist wührend eines Ferienaufenthalts
in Gmunden am 14. Septbr. 1887 einer rasch verlaufenden Krankheit erlegen. Friedrich Theodor
Vischer hat 21 Jahre lang dem Lehrerkollegium unserer Anstalt angehórt: im Oktober 1866 von
Zürich in die Heimat zurückgekehrt, teilte er anfangs seine Thitigkeit zwischen der Universität in
Tübingen und dem Polytechnikum hier; vom Oktober 1869 an aber bekleidete er ausschliesslich an
dem letzteren die Lehrstelle fiir deutsche Litteratur, Àsthetik und Redeübungen. Seine geistvollen
Vorträge aus dem Umfang dieser Fächer (mit Einschluss des Shakespeare), welche die strenge Schärfe
des Forschers und philosophischen Denkers mit einer klaren Darstellung voll Schönheit und
treffender Kraft in freiem Erguss verbanden, waren für eine zahlreiche Zuhörerschaft, auch aus
nichtakademischen Kreisen, fortwährend die Quelle edelsten Genusses und sind für das gesammte
geistige Leben der Stadt von Bedeutung geworden. Wie sehr aber die akademische Jugend selbst
von der heitern Lebendigkeit und dem tiefen Ernst und Wahrheitsstreben des verehrten Lehrers,
der sich bis zum höchsten Alter eine fast jugendliche Wärme der Empfindung und Spannkraft des
Geistes bewahrte, ergriffen wurde, das hat sich, von anderem abgesehen, bei der schönen und unver-
gesslichen Feier seines 80, Geburtstags am 30. Juni 1887 gezeigt. Bei der Beerdigung Vischers
in Gmunden war das Polytechnikum durch eine Abordnung, bestehend aus dem Direktor Bach und
den Professoren Oberbaurat v. Hünel und Oberbaurat Dr. v. Leins vertreten.
Kurze Zeit darauf hatte das Polytechnikum abermals den Verlust eines Lehrers zu beklagen,
der ihm in fast vierzigjähriger Thätigkeit angehört hatte. Professor v. Kurtz, seit 1848 mit dem
Lehramt für Freihandzeichnen betraut, starb am 6. Dezember 1887 nach kurzer Krankheit, Eine
frische Künstlernatur und mit allen seinen Gedanken und Bestrebungen auf das Echte und Tüchtige
in seiner Kunst gerichtet, hat er manches Talent erkannt, geweckt und in die richtigen Bahnen
gewiesen, und durch die gewinnende Art seines Wesens sich die Liebe seiner Schüler, wie die Hoch-
achtung seiner Kollegen und die Anerkennung der weitesten Kreise erworben, wofür seine Beerdigung
ein volles Zeugnis ablegte.
Die dureh Vischers Tod erledigte Professur für deutsche Litteratur, Ästhetik und Redeübungen
ist vermöge Höchster Entschliessung Seiner Königlichen Majestät vom 15. November 1887 dem
Oberstudienrat Dr. Klaiber dahier gnidigst übertragen worden. Derselbe trat sein Amt am
l. Dezember 1887 an und eróffnete seine Vorträge am 6. Dezember mit einer öffentlichen Antritts-
vorlesung über Friedrich Vischer als akademischen Lehrer.
Auf die Professur für Freihandzeichnen und Aquarellieren wurde im Vollmachtsnamen Seiner
Majestät des Königs von Seiner Königlichen Hoheit dem Prinzen Wilhelm am 27. Februar 1888
der Maler Adolf Treidler in München gnädigst ernannt. Derselbe hat sein Lehramt mit Beginn
des Sommersemesters 1888 übernommen, nachdem der Unterricht im Freihandzeichnen während der
Vakatur dieser Professur durch Professor Kolb an der Kunstgewerbeschule erteilt worden war.
Seine Majestät der Deutsche Kaiser haben allergnädigst geruht, mittelst Allerhöchsten
Erlasses vom 29. Juli 1887 den Professor Dr. Dietrich zum Mitglied des Kuratoriums der
physikalisch-technischen Reichsanstalt auf die Dauer von fünf Jahren zu ernennen.
Der für die Studierenden des Maschineningenieurwesens eingeführte besondere Unterricht
in den Schattenkonstruktionen ab Wintersemester 1888/89 wurde dem Professor Teichmann
übertragen.