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Beurteilung der zur engeren Wahl gestellten
Entwurfsskizzen.
Bei den gemeinsamen Besprechungen der Skizzen und den von den Vertretern
der Israelitischen Religionsgesellschaft gegebenen Erläuterungen ergaben sich für die
Beurteilung folgende allgemeine Gesichtspunkte:
Die Form und Lage des Grundstücks lassen eine architektonische Lösung der
Aufgabe sowohl als Zentralbau als auch in der Form eines Saalbaues zu. In jedem
Falle ist auf reichliche Zuführung des Tageslichts Bedacht zu nehmen,
Wenngleich die Vertreter der Synagogengemeinde „Israelitische Religions-
gesellschaft“ ihre Meinung dahin abgaben, dass eine ganz genaue Einhaltung der
West-Ost-Richtung des Hauses nicht durchaus erforderlich sei, so erscheint doch
diejenige Bebauung am glücklichsten, welche: den vorderen Bau parallel der Strassen-
front anordnet und mit dem dahinterliegenden Hauptraum in die Richtung der
Nachbargrenze einschwenkt, weil hierdurch eine Orientierung der Synagoge und
damit die Absicht vollständig erreicht ist, welche die Israelitische Religionsgesell-
schaft bei Ankauf des Grundstückes geleitet hat.
Ausserdem ergibt eine Raumentwickelung lotrecht zur Strassenfront Schief-
heiten in der Flächenausnützung des hinteren Gebäudes, welche besser zu vermeiden
sind, da eine künftige Bebauung der Nachbargrundstücke die gleichmässige Licht-
zuführung beeinträchtigen könnte,
Für die Unterbringung der Sänger, deren Mitwirkung keinen wesentlichen
Bestandteil des Gottesdienstes bildet, ergab sich ein Platz im Rücken der Männer-
versammlung ebenerdig oder erhöht als die zweckmässigste. Bei einer erhöhten Lage
dürfen die Plätze nicht derartig angeordnet sein, dass sie einen Einblick in die
Frauenempore gestatten.
Bezüglich der äusseren Gestaltung war es durch die Aufgabe nicht geboten,
fremdländische Formensprachen zu wählen. Vielmehr haben die meisten Verfasser
mit Recht heimische und historische ‚Stilfassungen bevorzugt, Bei der Wahl eines
zentralen Aufbaues empfiehlt sich grösste Mässigung in der Höhenentwicklung, einer-
seits in Anbetracht der verfügbaren Mittel, andrerseits in Berücksichtigung der
Baustelle, die einen architektonischen Reichtum an zurückliegender Stelle nicht zur
Wirkung gelangen lässt.
Da die Front des Gebäudes zwischen zwei Wohnhäusern üblicher Art liegt,
wird eine gesteigerte Formensprache, die den Kultus - Charakter des Gebäudes zum
Ausdruck bringt, am eindruckvollsten nahe der Strassenfront ihre Stelle finden.
Aber auch dann ist bei der Schmalheit der Strasse Mafs in den Höhensteigerungen
zu empfehlen, Jedenfalls ist zu vermeiden, den Aufbauten Formen zu geben, die
sie als Glockenträger charakterisieren würden, da Glocken bei israelitischen Gottes-
häusern nicht gebräuchlich sind.
Bei der Preisverteilung musste angesichts der verhältnismässig knapp bemessenen
Bausumme Gewicht darauf gelegt werden, dass die Skizzen für den ausgesetzten
Betrag entweder in einfachster Ausführung möglich schienen, oder ohne Schädigung
des Gesamtcharakters leicht vereinfacht werden könnten.
Das Bauprogramm hat zu einer besonders zahlreichen Beteiligung an dem
Wettbewerb mit einer grossen Anzahl ausserordentlich tüchtiger Arbeiten geführt.
Eine Vereinfachung der architektonischen Durchbildung der Baugedanken
würde indessen bei fast sämtlichen Entwürfen nicht nur den Nachweis erleichtert
haben, die Bausumme einhalten zu können, sondern vermutlich auch den künst-
lerischen Wert der Entwürfe gesteigert haben.
No. 27. Kennwort: „Modell 1904“.
Die Gesamtanlage erfüllt mit klarer Uebersichtlichkeit die Forderungen des
Programms. Die Lage der Sängerbühne entspricht den Wünschen der israelitischen
Religionsgesellschaft. Die Garderoben und Klosettanlagen im Erdgeschoss sind
knapp bemessen.
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