Full text: Ein Jahrhundert Württembergischer Verfassung

  
  
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ſah man, daß er bei der Beeidigung der vielen Ständemitglieder nicht 
bloß deren Hand berührte, sondern mit Herzlichkeit drückte, ja mehre- 
ren halb entgegenkam.?) Präsident Weishaar aber verkündete als 
Wahlſpruch der 2. Kammer: „Furchtlos im Ausſprechen unserer 
Überzeugung und tr eu in der Erfüllung unserer Pflichten“. 
Als erſten Gegenſtand der Beratung hatte die Thronrede die 
Geschäftsordnung bezeichnet. Die 1. Kammer war mit der ihrigen 
schon im Mai 1820 fertig. Sie machte darin von dem ihr in der 
Verfassung eingeräumten Rechte Gebrauch, hinter verſchloſſenen Türen 
zu verhandeln, und brachte sich dadurch selbſt um ein gut Teil des 
Einfluſſes. In der 2. Kammer zog sich die Beratung hin bis in den 
Juni 1820, zumal das Recht ihrer Genehmigung von der Regierung 
beansprucht, von der Kammer erſt nach anfänglichem Widerspruch zuge- 
ſtanden wurde. Doch blieb in der Geſchäftsordnung der 2. Kammer 
unangetastet die im Grundgesetz vorgeſchriebene Öffentlichkeit der Ver- 
handlungen (allerdings noch ohne Zutritt der Frauen als Zuhsrer, 
wogegen auch Alb. Schott gestimmt hatte), unangetaſtet auch die Be- 
kanntmachung der Verhandlungen durch den Druck. Der i. J. 1824 
von Fri,. Varnbüler geſtellte, 1833 von anderen wiederholte Antrag, 
neben den vollständigen Protokollen ein Candtagsblatt herauszugeben, 
das täglich eine Übersicht über die Verhandlungen der 2. Kammer 
bringen und unentgeltlich an alle Pfarrgemeinden verschickt werden 
sollte, drang nicht durch. Strafloſigkeit in Ausübung ihres ſtendiſchen 
Berufes wac den Ständemitgliedern im Grundgesetz nicht zugesichert, 
vielmehr unterwarf die Verfaſſung ausdrücklich die Redner der Be- 
ſirafung irn ordentlichen Rechtsweg und nach den beſtehenden Gesetzen 
wegen Beleidigungen und Verleumdungen der Regierung, der Stände- 
verſammlung oder einzelner. Die Geſchäftsordnung dehnte nun dies 
aus auf Beleidigungen auch ſremder Regierungen und des Deutſchen 
Bundes, nachdem die Regierung dies gefordert hatte unter Hinweis 
auf die Wiener Schlußakte.?) Doch iſt niemals ein Redner auf Grund 
dieſer Beſtimmung zur Verantwortung gezogen worden. 
Zwei weitere Geſetze vom 20. Juni 1821 ergänzten das Grund- 
gesetz durch Feſtiſesung der Taggelder und Gehalte der Stländemit- 
glieder und durch Regelung der Zuständigkeit des Engeren und des 
Vollen Ständiſchen Ausſchuſſes d. h. der Vertreter der Stände, solange 
dieſe nichi verſammelt sind. 
Die dringendste, schwierigste und undankbarſte Aufgabe war, 
den Staatshaushalt in Ordnung zu bringen. Crotz dem Geldmangel, 
1) Regierungsblatt 1819 S. 308. Kudwig Langs „Bürger“ vom 22. März 
1820 § tar! Jul. Weber (Demokritos. Weber) : Vermifchte Schriſten aus dem 
Uodlaß H ha ß gen der II. K. 1821 Abt. 1 S. 7. 
 
	        
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