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Reformen nicht gebracht; Verwaltungs-, Verfassungs-, Steuerreform
sind gescheitert. Doch war es falsch, ihn als vergeblichen Landtag
zu bezeichnen; denn er hat 2 Haushaltpläne und daneben noch 25 an-
dere Vorlagen verabſchiedet, unzählige selbständige Anträge und Ein-
gaben erledigt. Freilich, war es meist kleine Münze, die dieser erste
Landtag unter volksparteilicher Führung in seinen Beutel gesammelt,
und nicht das versprochene Gold der großen Reformen; aber wie der
Vergebliche Landtag von 1833 konnte auch er von sich sagen, es sei
ein Same ausgeſtreut worden. Und er ist diesmal bälder aufgegangen,
als der von 1833. Bei der Volkspartei aber, die ihre Erfolge bei
den letzten Wahlen errungen hatte im Zuſammengehen mit dem Zent-
rum gegen die Nationalliberalen, ſproßte nun die Ansicht auf, daß beide
Parteien doch weiter auseinanderſtehen als Volkspartei und National-
liberale, daß das Zentrum an alle Reformen den konfessionellen Maß-
stab anlege und frage: was springt für die ultramontanen Grundsätze
heraus ?, daß daher vor allem bei der Verfasſſungsreform die Zwei-
drittelmehrheit sichergestellt werden müsse gegen das Zentrum. !)
Der kürzere Landtag 1899/1900 hatte vor allem die umfang-
reiche Aufgabe zu lösen, das am |. Januar 1900 in Kraft tretende
Bürgerliche Gesetzbuch des Deutſchen Reiches in den bestehenden Rechts-
zustand einzupaſſen. Es brachte neben dem ſchon an sich unschätzbaren
Gut der deutſchen Rechtseinheit viele Fortschritte auch für Württem-
berg, darunter einen ausgiebigeren Ersatz des Wildſschadens, nachdem
über unzulängliche Entſchädigungspflicht gerade neuerer Zeit bei dem
eindringlicheren Feldbau lebhaft geklagt worden war. Ein anderes
Gesetz bezweckte die Ablösung der Realgemeinderechte, alter und ver-
alteter Rechte, die zum Hemmſchuh wurden für den wirtſchaftlichen
Fortschritt. Ihre Ablssung war seit dem Komplerlastengesſetz von
1865 (S. 125) gewünſcht und vorbereitet, die ungemein schwierige Löſung
aber erst jetzt gefunden worden. Das nächstdem ſchwierigste und be-
deutungsvollste Gesetz war das ſchon i. I. 1866 angekündigte, jetzt nach
33 Jahren verabſchiedete Waſsſerrechtsgesez, das einen verworrenen
Rechtszuſtand durch klare und zweckmäßige Vorſchriften ersetzte. Ein
Gesetz vom 3(. Juli 1899 führte die Volksſschulgesezgebung wieder
einen Schritt weiter; es verbesserte das Einkommen der Lehrer und
die Rechte der Lehrerinnen und trennte den Mesnerdienst vom Schulamt.
Unmittelbar auf das Rechtsverhältnis zum Deutschen Reich und
damit auf die Verfaſſung schien einzuwirken die sog. Bebenhäuſer
Konvention. König Wilhelm II. hatte nach Besprechungen mit dem
Kaiser in Bebenhauſen in einem Befehl vom |. Dezember 1893 an
den Kriegsminister Grundsätze aufgestellt, um die Beförderung der
württembergiſchen und der preußischen Offiziere in Ubereinſtimmung
zu bringen und die Kommandierungen von und nach Preußen zu
1) Beobachter und Heilbronner Neckarzeitung vom Januar 1899 und UK. Hauß-
mann am 16. Juni 1904 Prot. S. 5300/1.