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regeln. Die Vorrückung württembergischer Offiziere in höhere Stellen
wurde dadurch verbessert. Doch sahen manche Rreiſe in diesem Befehl
einen Einbruch in die Militärkonvention von 1870, in die darin ge-
währleistete Militärgewalt des Königs und in die Geſchlossenheit des
württembergiſchen Armeekorps. Das Staatsministerium hatte diese
Ansicht einstimmig verworfen; denn ein bindender Vertrag lag nicht
vor. Die 2. Kammer verwies die Untersuchung dieser Frage nach
hochpolitischen Erörterungen i. J. 1894 an eine Kommission und er-
neuerte diesen Auftrag auf den zwei folgenden Landtagen. Auf den
endlich im Oktober 1900 erstatteten eingehenden Bericht trat auch die
2. Kammer der Ansicht des Staatsministeriums bei und rückte damit ab
von den heftigen Reden und Zeitungsartikeln, die sich entrüſtet hatten
über die „unerhörte“ neue Militärkonvention und Württembergs „Ver-
preußung“.
Die Verfassungsreform selbst iſt auf diesem Landtag nicht wieder-
gekehrt. Die Regierung erklärte vielmehr auf Anfrage der Volkspartei
am 16. Juni 1900, daß sie ihre künftige Stellung abhängig mache
von dem Ausfall der nächſten Wahlen.
Vom Recht des Gesetzesvorſchlages machte die 2. Kammer ſ seit
den Wahlen von 1895 ausgiebigeren Gebrauch. Es gingen daraus
auf den Landtagen 1895/99 und 1899/1900 je drei Gesetze hervor.
Sie bezogen sich alle auf die Verbesserung einzelner Punkte bestehender
Gesetze; bei umfassenderen Gesetzen überließ die Kammer verständiger
Weise auch jetzt der Regierung den Vortritt. Andere Geſsetzesvor-
schläge waren teils in der 2. Kammer abgelehnt, teils durch Regie-
rungsvorlagen überholt worden. Dagegen konnte über den Geſetes-
vorschlag der 2. Kammer wegen des Waffengebrauches der Landjäger
auf zwei Landtagen (1899/1904) keine Verständigung mit der 1. Kam-
mer erzielt werden; und als auf dem nächsten Candtag 1904/6 die
Regierung ſelbſt einen Entwurf bei der \1. Kammer einbrachte, ließ
diese ihn unberaten liegen.
Die Neuwahlen im Dezember 1900, vor denen Ministerpräsident
Mittnacht 75 Jahre alt in Ruhestand getreten war, brachten eine große
Zersplitterung der Stimmen. Das Zentrum und die Sozialdemokratie
hatten diesmal der Volkspartei Zählkandidaturen entgegengestellt. Der
Zug ging allerdings nach links, aber über die Volkspartei hinaus
zur Sozialdemokratie. Diese stieg von (zuletzt) 1 auf 5 und mit den
Nachwahlen auf 7 Sitze, die Volkspartei verlor 3, die Nationalliberalen | ;
das Zentrum hatte sich mit 20 Sitzen behauptet.
Die Hauptleiſtung des Landtages 1901/04 bestand in der Ver-
abſchiedung der Gesetze vom 8. August 1903, welche die allgemeine
progressive Einkommensteuer einführten unter gleichzeitiger Umbildung
der übrigen direkten Steuern und unter der längst erstrebten Erwei-
terung der Gemeindesteuerrechte. Schon auf dem vorigen Landtag
war bei der Dringlichkeit der Steuerreform die Stimmung in der
2. Kammer bald umgeschlagen, und am 153. Dezember 1899 hatten sich