geforderten Entwicklung sein werde, legte am 30. November 1919 die
Krone nieder. Herzog Albrecht, der Nächste am Thron, schloß sich
diesem Schritte nicht an; aber die vorläufige Regierung erklärte eine
Thronfolge im Sinn des § 7 der Verfassungsurkunde für ausgeschlossen.
Zugleich dankte sie im Namen des Volkes dem KRönige, daß er in
allen seinen Handlungen von der Liebe zur Heimat und zum Volke
getragen gewesen und daß er durch seinen freiwilligen Verzicht dazu
beigetragen habe, die Bahn für die freiheitliche Entwicklung zu ebnen;
das württembergische Volk vergesse nicht, daß der König mit seiner
Gemahlin in Werken der Nächstenliebe stets edel und hilfreich gehandelt
habe. Die Zuständigkeiten, die nach der Verfassung von 1819 von
dem Usnig und dem Staatsministerium ausgeübt worden, waren nun
auf die vorläufige Regierung übergegangen, aber im übrigen waren
alle Gesetze in Kraft geblieben und von der vorläufigen Regierung am
1 1. November ausdrücklich bestätigt worden.
Der Ständiſche Ausschuß, dem nach § 188 der Verfassungsur-
kunde obliegt, die ihm nach der Verfaſſung zur Erhaltung derselben
zustehenden Mittel anzuwenden, sah sich dazu außer stande und mußte
sich beschränken auf eine Verwahrung gegen die Verhinderung des
Zusammentrittes des Landtags und auf die Erklärung, daß die ſchleu-
nigste Berufung einer verfaſſunggebenden Landesversammlung als der
einzig mögliche Schritt zur Wiederherstellung verfaſſungsmäßiger Zu-
stände erscheine. Aber die vorläufige Regierung war selbſt von Anfang an
bemüht, ihre revolutionäre Gewalt in eine rechtmäßige zu verwandeln.
Sie hatte darum schon in ihrem Aufruf vom 9. November es als
ihre erste Aufgabe erklärt, eine verfaſſunggebende CLandesverſammlung
vorzubereiten. Am 2./11. Dezember erließ sie dazu eine Wahlordnung.
Darnach wurden 150 Abgeordnete durch Verhältniswahlen in einem
einzigen Wahlkreis mit gebundenen CLiſten unmittelbar und geheim
gewählt; wahlberechtigt waren alle im Lande wohnenden 20jährigen
Deutschen (nicht bloß Württemberger) beiderlei Geschlechts, wählbar
alle Wahlberechtigten, die seit mindestens einem Jahr Deutsche sind.
Öffentliche Beamte und Militärpersonen bedurften zur Bewerbung und
zur Abgeordnetentätigkeit keines Urlaubs. Am Sonntag den 12. Ja-
nuar 1919 wurde gewählt. Es fielen auf die Sozialdemokratiſche
Partei 52 Sitze, auf die Deutsche Demokratiſche Partei und die mit
ihr jetzt verſchmolzenen Nationalliberalen 38, auf das - Zentrum 341,
auf Bürgerpartei (Konservative) und Bauernbund [11 und 14, zu-
sammen 25, auf die Unabhängige Sozialdemokratie 4 Sitze. Die Landes-
versammlung trat auf Berufung durch die vorläufige Regierung am
23. Januar 1919 zuſammen. Zu ihrem Präsidenten wählte sie Keil
mit 137 von 144 Stimmen.
Als Aufgabe der Landesverſammlung war in der Wahlordnung
bezeichnet, dem Lande Württemberg eine neue Verfaſſung zu geben;
zugleich war aber der Landesversſammlung vorbehalten worden, weitere
Aufgaben zu übernehmen. Ein von der Landesverſammlung selbst