t 35 ~
Forsſtpolizeigeſetz und besonders die Ablösung der Leibeigenſchaftsge-
fälle.) Statt nun nach der Iulirevolution diesen Landtag bald zu
berufen und mit der letzttgewählten gefügigen Kammer dieſe fortſchritt-
lichen Gesetze raſch unter Dach zu bringen und damit berechtigte Wünſche
zu befriedigen, ließ der König vielmehr den Plan eines Landtages
ganz fallen. In Wöürttemberg sowenig als anderwärts dachte die
Regierung daran, sich an die Spitze der neuen Bewegung zu stellen,
berechtigte Wünſche zu erfüllen, damit den Gegnern den Wind aus
den Segeln zu nehmen und die Bewegung in ruhige Bahnen zu lenken.
Sie trat aber auch nicht der Bewegung entschieden entgegen, sondern
verfolgte den Plan, sich zurückzuhalten und abzuwarten, bis die Hoch-
flut sich von ſelbſt verlaufen. Sie berief den alten zahmen Landtag
nicht mehr ein; sie löſte ihn noch weniger auf, sondern ließ den Reſt
der Wahlperiode ungenützt ablaufen.
Die Zensur, ſchon bisher in inneren Angelegenheiten milder
gehandhabt, verflüchtigte sich so sehr, daß Gentz empört in die Ulage
ausbrach, in dem Jakobiniſchen Schwabenland seien nicht nur alle
Zensoren Mütz-Cujons, sondern auch alle Richter.??? Es hatte näm-
lich der streng konservative, aber auch streng gesetzliche Staatsrat Ceypold
am 6. April 1831 im Geheimen Rat ausgeführt, daß die geſetz- und
verfaſſungsmäßige Preßfreiheit ſtärker beschränkt worden sei, als die
Bundesbeſschlüſſe dies erfordern, indem die Zensur auch auf die inneren
Verhältnisse des eigenen Landes und auf die des Auslandes ausge-
dehnt worden sei. Auf einmütigen Antrag des Geheimen Rates hatte
darauf der Usnig die neue, in beiden Beziehungen befreiende Zensur-
vorschrift vom [5. Oktober 1854 genehmigt. Auch der bisherige
Grundsatz, trotz Zensur jede Genehmigung einer neuen politischen Zeit- .
schrift zu verweigern, war auf Ceybolds Antrag als nachteilig auf-
gegeben worden, da dadurch die Uritik nur in ausländische, unzensierte
Zeitungen getrieben werde.?) Nun wurde die Preſſe das willkommene
Mittel, Wünſche und Beſchwerden vorzubringen. Eine Reihe Volks-
blätter schoß hervor (Hochwächter, Stadtpoſt, Stuttgarter Allgemeine
Zeitung), die vorzugsweise die heimischen Angelegenheiten erörterten
und dabei in bitterem Ton das Beſtehende und deſſen Vertreter an-
griffen und durchgreifende Änderungen verlangten. Dazu kam das
neue Parteiwesen. „Der auf dem Steckenpferd des Privatrechts reitende
Liberalismus" hatte, wie im alten Herzogtum, Fürst und Volk als
zwei im Prozeß liegende Parteien betrachtet; Opposition innerhalb
der Partei der Volksvertreter wurde darum als Verrat empfunden.
Noch bei der Beratung der Verfassung von 1819 war Schotts An-
trag, daß jeder Abgeordnete sich setzen könne, wohin er wolle, von
Feuerlein beseitigt worden mit dem Bedenken: „Dies könnte Anlaß zu
1) Geheime Rats-Akten.
?) Stern a. a. O. 4, 299.
) Geh. Rats-Protokolle.