Full text: Ein Jahrhundert Württembergischer Verfassung

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Schlußakte nichts wesentlich Neues brachten. Aber sie litten an der 
allen Bundesbeſchlüſsen eigentümlichen Vieldeutigkeit *); ſchrieb doch der 
badische Bundestagsgesandte Blittersdorf : „es gibt eine zweifache 
Auslegung der Bundesgesetze, cine konstitutionell-liberale und eine 
monarchiſche; welche soll ich anwenden ?“ Auch in Württemberg 
waren ſelbſt „die Treuen tief erbittert“, wie Maucler schrieb ; sie ver- 
kannten nicht, daß „bei der unbestintmten Faſſung dieser Beſchlüſſe 
Mißdeutungen nicht ausgeſchloſſen seien, die das konstitutionelle Prinzip 
in seinem Weſen gefährdeten".?) Um so begreiflicher ist die ungeheure 
Aufregung, ja Erbitterung, die diese „Iuniordonnanzen“ in liberalen 
Ureiſen auslssten. Ein anonymer Avfruf wurde in Stuttgart ver- 
breitet, der zum Widerstand aufforderte, und Eingaben voller Beſsorg- 
nisse liefen von Städten und Amtsversammlungen bei der Regierung ein. 
ImGeheimen Rat erklärte Weishaar, von.dieſen Bundesbeſchlüſsen 
habe er bis zu ihrer Versffentlichung nicht die gerinsſte Ahnung gehabt; 
er könne fein Befremden nicht unterdrücken, wie solche Beſchlüſſe vor- 
bereitet, der Bundestagsgesandte dazu instruiert werden konnte unter 
Umgehung des Ministers des Innern; Volk und Stände brauchten 
ſich .um diese Besſchlüſſe rechtlich nicht zu kümmern, da die Verfaſſung 
nicht geändert werden könne ohne Zuiun der Stände, wie die Wiener 
Schlußakte auch ausdrücklich ausspreche; die jetzige Aufregung wäre 
nicht vorhanden, wenn der Bundestag auch für Erfüllung der den 
Völkern von der Bundesakte gegebenen Verheißungen gesorgt hätte, 
aber seit 16 Jahren fei von ihm für die Volker nichts, gegen sie alles 
geſchehen.?) Noch viel ſchärfer ſcheint sich Weishaar in der Sitzung 
des Regenischaftsrates ~ der König war in Civerno ~ ausgeſprochen 
zu haben, was wohl die Ursache ſeines Abſchieds nach der Rückkehr 
des Königs im August wurde.") Zur Beruhigung der entstandenen 
Aufregung erließ der Ministerrat am 28. Juli eine Bekanntmachung, 
worin die Bundesbeſchlüſsſe zwar verkündigt wurden, jedoch. „zur Be- 
seitigung kundgewordener Mißverſtändniſſe" mit dem Zusatz in Voll- 
machtsnamen des Königs, daß durch diese Beſchlüſſe irgend eine Ge- 
fährdung der Landesverfassung nicht beabsichtigt worden ſei und daß 
die Staatsregierung fortfahren werde, die Verfaſſung in allen ihren 
Bestimmungen mit gewissenhafter Treue aufrecht zu erhalten, mögen 
diese die ständische Teilnahme an der Gesetzgebung, das Steuerver- 
willigungsrecht oder sonst ein den württembergiſchen Staatsbürgern 
zugefichertes Recht betreffen. Der König selbst bestätigte von Livorno 
aus diese Zuſage unterm 3. August 1832. Allein der Botſchaft fehlte 
der Glaube, der Glaube schon an den guten Willen der Regierung 
und vollends an die Uraft zur Erfüllung des gegebenen Wortes. Der 
Zweifel war: um so berechtigter, als der Bundestag sofort auch Cottas 
:) Treitſchke 4, 277. 
®) Gmelins Erinnerungen. 
2) Geh. Rats Protokoll vom 27. Juli 1832. 
1) Gmelins Erinnerungen. 
Ad am, Württ. Verfassung. S 
  
 
	        
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