Architekturen werden durch in sie integrierte Zeichen-
oder Symbolhaftigkeiten besonders attraktiv: sie sam-
meln und strahlen aus und schaffen in und durch sich
Kontakt unter den Menschen und Gemeinsamkeit. Ein
heilsamer Gedanke für eine durch Aufsplitterung in
ihrer Existenz bedrohte Gesellschaft!
Die architektonische Zeichensprache in Form, Farbe,
Material, Raumbildung etc., die heute noch und wieder
Geltung hat, erzählt aus der Universalität und integriert
in das menschliche Schicksal. Sie appeliert letztlich auch
an das lyrische Bewußtsein des Menschen. In diesem
Sinne ist sie wahrhaft kosmologisch und anthropologisch.
Wenn sie dazu den symbolischen Hinweis ins Überna-
türliche miteinschließt. kann sie auch das kontempla-
tive Religionsbedürfnis des Menschen in etwa befrie-
digen.
Es gibt (in der Sprache der Soziologie) gute und
schlechte Architekturen. Der reine Zweckrat i onalis-
mus der westlichen Zivilisation hat es fertiggebracht.
daß das funktionelle Haus und die funktionelle Wohnung
trotz hohem Ausbaustandard und perfekter Nützlich-
keit psychisch unbewohnbar wird, weil in ihr die Seele
des Menschen zugrunde geht. Es fehlt ihr die "Archi-
tektur'"'. So stellt sich heute das antifunktionelle Haus
und die anti-funktionelle Wohnung als reale Alternative
für menschenwürdiges Leben in der Stadt gegen die
Perfektion der industriellen Bauproduktion. Wir brau-
chen das "Architektonische", das in neuartiger Weise
Raum und Atmosphäre kontaktiert, damit sich eine ge-
wisse psychische Befreiung des Menschen aus einer
drückenden Engnis unserer Städte bewerkstelligen
läßt. Die Architektur muß dazu beitragen, daß ver-
schüttete menschliche Daseinsaktivitäten wieder auf-
geweckt werden. Die Urbanstruktur, welche alleine
dem Leitbild einer stategischen Massenplanung ohne
"Architektur" folgt, weiß am Schluß oft nichts besseres.
als die durch Technik und Wissenschaft angestrebte
Wohnzufriedenheit in einem unmenschlichen Miteinan-
der wieder zu zerstören.
Darum wünsche ich mir Architektur als ein Instrument,
welches für Umweltsgestaltung anstelle von Isolation -
Hoffnung, anstelle von Mißtrauen - Vertrauen, anstelle
von Eifersucht - Geselligkeit und anstelle von Lange-
weile - Lebensfreude setzt.
lichkeiten, die sich ergeben. Man kann die Frage nach
den Aufgaben der Forschung für den Städtebau aus der
Enge der Problematik "Stadtbaukunst' oder '"Städtebau-
technik" in würtlicher Auslegung "des Städte-Bauens''
stellen und damit beschränken auf das Erforschen der
Möglichkeiten einer lediglich passiven Anpassungspla-
nung der städtebaulichen Strukturen an die unmittelba-
ren und gegenwärtigen Verhältnisse. Man kann die
gleiche Frage aber auch stellen aus der weiten Sicht
der gesellschaftspolititschen Zusammenhänge einer
allgemeinen aktiven Entwicklungsplanung,. in der der
Städtebau in obigem Sinne nichts anderes ist, als einer
der notwendigen Aspekte der Stadt, Teil eines umfas-
senden Ordnungssystems menschlichen Lebens, der
mit Hilfe der Forschung erkannt werden soll.
Die Entscheidung, welches der beiden Ziele angestrebt
werden soll, ist eine sehr grundsätzliche.
Zunächst ist eines sicher:
Der gegenwärtige Zustand des steten Anpassens an
momentane Forderungen, die, so sie heute erfüllt,
morgen bereits überholt sind, befriedigt nicht und hat
zu einer Beunruhigung geführt.
Sicher ist es auch, daß der Begriff "'Stadterneuerung'
nicht ausreicht, zu ungewiß und zu gegenständlich ist,
daß er zwangsläufig zu einer passiven Anpassungspla-
nung führt.
Sicher ist ferner, daß auch der Begriff "Städtebau",
als Stadtbaukunst verstanden, die allein und von sich
aus weiß, was not tut, nicht weiterhilft.
Notwendig erscheint heute vielmehr und vor allem zur
Lösung der Frage, wie die Menschen in den Städten
leben und weiterleben wollen:
Es muß begriffen werden, daß auch im Bereich '"'Stadt''
eine Naturgesetzlichkeit gilt und analog der physikali-
schen Betrachtungsweise festgestellt werden kann, daß
es keine unabhängigen losgelösten Kräfte gibt, sondern
daß alles zusammenhängt, wechselseitig bezogen und
wirksam ist. Diese Erkenntnis führt zu einem neuen
Begriff der Stadt im Sinne einer umfassenden Gesamt-
schau.
Das Phänomen Stadt wird im Wesen und Sinn erkennbar
Abhängigkeit und Wechselwirkung einzelner Funktionen
und Faktoren fordern dynamische, offene Systeme und
Strukturen, also eine stete Veränderung der Umwelt.
Damit ist gesagt, daß der Städtebau als solcher mit
starren Plänen, auf Gegenwartssituationen bezogen,
keine ''Gesamtschau'' darstellen kann, weil dieser
Planung die 4. Dimension der Zeit und damit die Ent-
wicklungsmöglichkeit fehlt.
Gerhard G. Dittrich
Versuch einer Beantwortung der Fragen im Hinblick
auf den Städtebau.
So vielfältig die verschiedenen Definitionen des Begrif-
fes "Stadt" sind, so differenziert sind auch die Forde-
rungen und Erwartungen, die an die Forschung auf die-
sem Gebiet gestellt werden, die Grenzen und die Mög-
Der Städtebau - und diesem vorweggehend die Stadtpla-
hung - muß in der Gesamtschau "Stadt" - also in die
"Theorie von der Stadt" eingeordnet werden, d.h. ‚ daß
in diesem Denkmodell die Stadtentwicklung zur Lösung
des Problems dienen muß. Entwicklung schließt Len-
kung ein und zwingt zur Antwort auf die gestellte Frage:
Wie wollen die Menschen leben, welche Form soll die
Stadt haben ?
ARCH + 1(1968)H3