Full text: ARCH+ : Studienhefte für architekturbezogene Umweltforschung und -planung (1968, Jg. 1, H. 1-4)

kurzfristig erreichbare Belastungsspitzen. 
Die Abweichung der tatsächlichen Zugangsverteilung vom 
Modell bestimmt die gelegentliche Überschreitung der 
rechnerischen Warteschlangenlänge, die kurzfristige 
Überbeanspruchung der Ausgabekapazitäten (ca. 50 % 
Reserve) und der Speisesäle (Verringerung der Verweil- 
dauer von ca. 30 auf ca. 16 Minuten). 
Solche Elastizität ist außerdem erforderlich, da gerade 
bei den Einrichtungen mit zufallsabhängiger Nachfrage 
in wachstumsintensiven Betrieben Fehleinschätzungen 
über die zu erwartende Nachfrage üblich sind. Angesichts 
von Ungewißheiten über den tatsächlichen Bedarf muß das 
Maß des möglichen Rechenfehlers kleiner sein als die 
Elastizität der vorgehaltenen Kapazitäten, 
Eigenartigerweise sind fast alle heute im Betrieb befind- 
lichen Mensen, jüngere Neubauten nicht ausgenommen, 
betrieblich überlastet und zu klein dimensioniert. Das 
hat seine Ursache meist darin, daß die Attraktion der neu 
eingerichteten Betriebe am Anfang eine höhere relative 
Nachfrage zeitigt, als diese bei den überfüllten und über- 
alterten bestehenden Einrichtungen empirisch meßbar war 
und daß das Wachstum der allgemeinen Studentenzahlen, 
selbst bei sinkender relativer Nachfrage in der Mensa, zu 
steigenden absoluten Nachfraagezahlen führte. 
V_ Einige Prognoseprobleme bei Wachstum und Veränderung 
des Bedarfs 
Nach diesem Überblick über einige Methoden der Bedarfs- 
bemessung soll abschließend noch kurz auf Prognosen von 
Wachstum und Änderungen der Kapazitäts- Nachfrage ein- 
gegangen werden, 
Die oben dargestellten Methodenansätze zielten stets auf 
eine kausale Beziehung von Nutzungsmengen zu Raum- 
mengen. Prognoseprobleme waren bei den meisten bis- 
herigen Arbeiten in methodischer Hinsicht als Abschätzung 
von möglichen Veränderungen an einzelnen Faktoren, 
deren Einfluß auf den Raumbedarf bekannt ist, unter Ver- 
wendung von Hypothesen oder von konkreten Soll-Defini- 
tionen und als Simulation von möglichen Konsequenzen 
solcher Veränderungen für den Raumbedarf behandelt 
worden. 
Hieraus entstanden Programm-Modelle für ganze Fachbe- 
reiche (18). Es wurden dabei mögliche künftige Bedarfs- 
zustände von Fachbereichen definiert, wobei unterstellt 
wurde, daß sich dabei die Teilreformen wie eine betrieb- 
liche und organisatorische Rationalisierung, eine Be- 
grenzbarkeit der Studentenzahlen, eine Verbesserung 
der Lehr- und Lernbedinaungen usw. verwirklichen lassen. 
Auf der Basis dieser Programm-Modelle und der aus ihnen 
abgeleiteten Bemessungs-Grobrichtwerte (19) wurden die 
mittel- bis langfristigen Bedarfspläne für Expansion und 
Strukturverbesserung bestehender Hochschulen geschaffen. 
Auch die Programme für den Endausbau der Neugründungs- 
Hochschulen wurden an diesen Modellen und Richtwerten 
orientiert. 
Welchen Realitätswert haben diese Programme und die dar- 
auf gestützten langfristigen Entscheidungen, etwa der Bau- 
und Gesamtplanung, des Grunderwerbs, der Verkehrs- 
und Versorgungsplanung? 
EinBlick auf die Nutzungs- und Baugeschichte einer 
Hochschule 1äßt uns zweifzln, ob sich "angemessen er- 
füllter Bedarf" präzise definieren lasse, 
Planungen, die mit dem Ziel der qualitativen Verbesserung 
der räumlichen Nutzungsbedingungen begonnen wurden, 
müssen meist während ihrer Realisierung aus sachlichen 
Zwängen (Wachstum der Studentenzahlen, Schwierigkeiten 
der Mittelbewilligung, strukturelle und personelle Ände- 
rungen) uminterpretiert und in der Zielsetzung verändert 
werden. Schlechte Bauten sind dann die Folge mangeln- 
der Prognosequalität der Bedarfsplanung. Die gebaute 
Substanz entspricht nicht mehr den Anforderungen der 
unter Zwängen gewandelten Nachfrage. Überfüllte 
Mensen, Seminare und Studentenlabors sind in derselben 
Hochschule zu finden, wo in Bibliotheken, Hörsälen und 
Forschungslabors viele Plätze während eines großen Teils 
der Öffnungszeiten nicht benutzt werden. 
Eine Korrektur von solchen Fehlern der Bedarfsplanung 
mit organisatorischen Mitteln ist begrenzt auf die Zeit- 
ausnutzung (Stundenplanung, Veränderung der Öffnungs- 
zeiten, Beschränkung von Anwesenheitsdauern usf.) und 
auf die Elastizität des menschlichen Verhaltens (indivi- 
duelle Veränderung des Nachfrageverhaltens angesichts 
von Überfüllung). Teilkapazitäten sind räumlich jedoch 
nur begrenzt ohne Baumaßnahmen gegeneinander substi- 
tuierbar (Umzug, Versetzen von Möbeln) (20). Neubau- 
ten sind als Mittel für die Beseitigung von kurzfristig auf- 
tretenden kapazitativen bottle necks angesichts der üb- 
lichen Planungs- und Bauzeiten kaum geeignet. 
Umbau, Anmietung von Fremdkapazitäten und kurzlebige 
Bauten sind als Mittel des kurzfristigen Ausgleichs von 
Raumbedarf und Raumangebot zwar von den Bauplanern 
nicht gerne gesehen, aber wirksam und notwendig wegen 
ihrer kurzfristigen Verfügbarkeit, ihres relativ geringen 
Finanzbedarfs.und, vor allem, der geringen ökonomisch 
nötigen Mindest-Lebensdauer. 
Die heute üblichen Mängel in der langfristigen Anpassung 
von Bedarf und Angebot haben ihre Ursache meist darin, 
daß mit "kurzatmiger", zum Teil realitätsfremder Bedarfs- 
prognostik ("wishful thinking") langfristig bindende 
Planungsentscheidungen getroffe n werden. 
Was ist zu tun? Langfristig gültige Aussagen der Bedarfs- 
planung lassen sich nur in den allergröbsten Festlegungen 
definieren. Deshalb muß vor jeder Neubau-Entscheidung 
die gesamte räumliche Situation einer Abteilung an der 
Entwicklung der langfristigen Makro-Ziele überprüft wer- 
den, um eine etwa nötige Korrektur der Bauprogramme zu 
erlauben. Jeder Neubau sollte dann Teil einer langfristigen 
dynamischen Anpassung des Raumangebots an die dynamisch 
sich ändernden Wachstumsziele sein. (Kurzfristi- 
ge dynamische Anpassung sollte besser mit kurzfristigen, 
kurzlebigen Maßnahmen (s.o.) geschaffen werden: Be- 
triebssteuerung, Umzug, Umbau, Miete, kurzlebige Bau- 
ten etc.),. 
Warum aber sind die Makro-Entwicklungsziele der Hoch- 
schulen derart instabil, warum ändern sich die Anforde- 
rungen kurzfristig? Statt einer Antwort abschließend eine 
Beobachtung und ein paar Thesen: 
Die Wachstumsziele haben sich jeweils kurzfristig im Lichte 
never politischer Informationen verändert, Diskontinuitäten 
und Strukturbrüche im Wachstumsverlauf der Hochschulen 
sind demnach durch bildungspolitische Zielkorrekturen, 
durch Finanzkrisen, Regierungswechsel. neue Gesetzge- 
ARCH + 1(1968) H.4
	        
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