das dann das Männerhaus und den Tanzplatz vertritt.
... Schließlich zeigt das Bororo-Dorf noch eine dritte
Form von Dualismus, und zwar implizit... deren Dar-
stellung erfordert, daß wir zunächst einen anderen As-
pekt der sozialen Struktur berücksichtigen. '
Jeder der Clans ist in sich triadisch strukturiert. Je-
weils in eine "obere", "mittlere" und "untere" Gruppe.
Die Adjektive geben die Stellung der Hütten im Ring an.
Die Funktionsweise der Struktur ist endogam: es darf
nur innerhalb der Gruppen geheiratet werden. Die dua-
listische Endogamie ist also teilweise zugunsten einer
triadischen Endogamie aufgehoben.
Faßt man diese Beobachtungen in einer Skizze zusam-
men (Abb. 5) und prüft man anhand der möglichen
Nachbarschaftsbeziehungen der Clans zueinander die
Süd
omu.
Ost ——
omu omu omu omu
Nord
Abb. 5 (nach C. L6vi - Strauss )
3 4
omu omu
—_——— West
zulässigen oder ausgeschlossenen Verbindungen,
stellt man fest, daß die Exogamie-Regel zugunsten von
Clan 1 und 2, 3 und 4 aussetzt. Bei acht Nachbarschafts-
beziehungen ist bei vier die Heirat möglich, bei wei-
teren vier unmöglich: eine dritte Form von Dualismus
Darüber hinaus sind nun zwei Anomalien bemerkens-
wert. Die erste findet sich innerhalb der Reihung der
Hütten im Kreis.
"Die Reihenfolge der o,m, u in einer Hälfte verläuft
umgekehrt zur Reihenfolge in der anderen: anders aus
gedrückt, die Symmetrie der Klassen im Vergleich zu
den Hälften ist spiegelbildlich ... Aus dieser bemer-
kenswerten Anordnung scheint sich zu ergeben, daß
die Eingeborenen trotz seiner Rundform ihr Dorf nicht
als ein einziges Objekt denken, das in zwei Teile zer-
legbar ist, sondern eher als zwei verschiedene und an-
einandergeklebte Obiekte.
Eine andere Anomalie macht L6vy-Strauss mit folgen-
der Schilderung deutlich: "In jeder Hälfte von 1 bis 4
und von 5 bis 8 besitzen zwei Clans eine bevorzugte
Stellung in dem Sinne, daß sie auf der sozialen Ebene
die beiden großen Helden darstellen, die zu den Göt-
tern des Bororo-Pantheons gehören:
Bakororo und Itubor6, die Wächter für West und Ost.
In dem Schema oben personifizieren die Clans 1 und 7
Bakororo, die Clans 4 und 6 Itubor6. Für 1 und 4, die
im Westen beziehungsweise im Osten liegen, gibt es
kein Problem; weshalb aber 7 und nicht 8? und wes-
halb 6 und nicht 5?" Offensichtlich gilt die Bedingung,
daß "die für diese Funktionen ausersehenen Cians
auch an eine der beiden Ost-West und Nord-Süd-Achse
angrenzen müssen: 1 und 4 stoßen an die Ost-West-
Achse, sie liegen an beiden Enden und auf derselben
Seite; wohingegen 6 und 7 an die Nord-Süd-Achse sto-
ßen und am gleichen Ende, aber auf zwei verschiede -
nen Seiten liegen. Da 1 und 7 Westen sind, 4 und 6 Os-
ten (der Definition nach), gibt es keine andere Möglich-
keit, der Bedingung der Angrenzung zu entsprechen.
Man möge uns aber gestatten, festzustellen - mit aller
Vorsicht, die für eine so theoretische Behandlung ei-
nes empirischen Problems geboten ist -, daß eine ein-
zige Hypothese diesen Anomalien Rechnung trägt. ''
Man erinnere sich jener Winnebago-Informanten. Sie
formalisierten offensichtlich eine gleiche Sozialstruk-
tur mit zwei Siedlungstypen: diametral und konzen-
trisch.
An dem Beispiel der Bororo versucht L6vy-Strauss
nun zu demonstrieren, daß mit einer einfachen logi-
schen Operation ein Übergang möglich ist von diame
tral zu konzentrisch und umgekehrt, daß - semiolo-
gisch ausgedrückt -, ein gleichbleibendes Signifikat,
die gesamte Sozialstruktur, doppelt signifiziert wer-
den kann je nach Schwergewicht innerhalb der Hälften:
Teilung, d.i. abhängig von der politischen und kul-
tischen Rolle, die die betreffende Hälfte gerade hat.
Wie sieht diese Operation aus, die das Umdenken er-
möglicht, von einer "idealen Anordnung des Dorfes zu
einer konkreten überzugehen'!'?
1. Schritt: Die Hälfte 5-8 denkt sich zentral, die Hälf-
te 1-4 peripherisch. Die in der Definition geforderten
Bedingungen sind erfüllt:
a) 1 und 7 liegen im Westen
b) 4 und 6 liegen im Osten
c) 6 und 7 liegen auf der Nord-Süd-Achse auf der glei-
chen Seite
d) 1 und 4 liegen an der Ost-West-Achse an beiden En-
den auf derselben Seite
2. Schritt: Öffnung des inneren Kreises nach Süden und
Verlegung nach Norden und Öffnung des äußeren Krei-
ses nach Norden und Verlegung. nach Süden.
3. Schritt: Umkehrung der Himmelsrichtunz
a
West
Sn
Abb. 6: Übergang von einer konzentrischen zu
einer diametralen Struktur (nach
C. L6vi - Strauss )
Diese Manipulationen mögen verwegen sein. Sie ma-
chen allerdings ernst mit der "totalen Sprachlichkeit
der Wirklichkeit", oder anders ausgedrückt, mit der
Hypothese, daß Sprache auch soziale Strukturen einre
gistriere.
Die gezeigten Transformationen sind als Signifikanten
von Bedeutungsvorstellungen gedacht. Die Bedeutungs
vorstellung, die der Umkehrung der Himmelsrichtung
zugrundeliegt, ist vorhanden.
L6vy-Strauss: "Die Hälfte Cera steht augenblicklich
über der Hälfte Tugar6, wohingegen die Mythen eine
umgekehrte Position ausdrücken. '
Man wirft L6vy-Strauss "Willkür den Fakten gegenüber"
vor und hält seinen Strukturalismus ''für eine alte Sa-
che: die in generalisierenden Wissenschaften allge-
mein übliche hypothetisch-deduktive Methode'', (26).
Wenn man allerdings bereit ist zu verstehen, was die
"zunehmende Semiotisierung der äußeren Welt'' impli
ziert: eine zunehmende Unabhängigkeit von "natürli-
chen'' Gegebenheiten, eine zunehmende Versprachli-
ARCH +2 (1969) H. 6