Full text: ARCH+ : Studienhefte für architekturbezogene Umweltforschung und -planung (1969, Jg. 2, H. 5-8)

chung der äußeren Welt, in diesem Sinn eine zuneh- 
mende Verinnerlichung, dann wird man jene hypothe 
tisch-deduktive Methode als konsequent sprachlich- 
deduktive Methode vielleicht als wesentlich realhalti 
ger bezeichnen als jede andere. 
LV 
1.) Die Bauhistoriker bemühen sich um eine Aktuali- 
sierung ihrer Disziplin innerhalb. der sog. Architekten- 
ausbildung. Eine allgemeine Skepsis an den Techni- 
schen Hochschulen dem Fach "Baugeschichte" gegen- 
über zwingt dazu. 
Es soll an dem Aufsatz von Jan van der Meulen in 
ARCH +H.5 ("Architektur-Baukunst und Baugeschich- 
te") (27), eine gegenseitige Durchdringung von "Struk- 
turaler Anthropologie" und Baugeschichte angeregt 
werden. 
Der Aufsatz ist von einem Geschichtsbewußtsein the- 
matisiert, das ein Strukturalist als einseitig "diachro- 
nisch" ablehnen müßte: eine konsequent aufgebaute Pro- 
zeß-Utopie. 
Die Dialektik von Kunst und Geschichte wird historisch 
begründet und als offensichtlich "unüberwindliche Ge- 
genbegrifflichkeit von subjektiver Kunst und objektiver 
Wissenschaft" dann axiomatisch zur Konzeptualisie- 
rung der Baugeschichte eingeführt. Das bringt zu Aus- 
sagen, die man schon vergessen glaubte: '"Verschöne- 
rung des technologischen Daseins'' sei die Aufgabe des 
Architekten, (28). Oder: "Wenn die heutigen Universal 
Architekten die Freiheit intuitiver Gestaltung vorgege- 
bener Programme einmal wieder zurückgewonnen ha- 
ben, wird die Erkenntnis, da3 Baugeschichte vorwie - 
gend Formgeschichte ist, nicht mehr so widerwärtig 
sein." Diese Freiheit zu geben, sei wesentlich Auf- 
gabe der Baugeschichtslehre, sie habe Kunst als "Re- 
volutionären Prozeß" zu lehren, das revolutionäre Be- 
wußtsein der Architekten zu bilden, somit jene Dialek- 
tik in Bewegung zu halten, die die Baugeschichte als 
Disziplin begründet: Kunst gegen Geschichte. 
Diese rigide Trennung ist auch Konsequenz einer Be- 
scheidenheit der baugeschichtlichen Wissenschaft: sie 
gedenkt sich nicht einer Verflachung ihrer Disziplin 
auszusetzen, die notwendigerweise mit einem Anspruch 
auf Universalität kommt, wie van der Meulen glaubt; 
was am Berufsbild des Architekten in der Tat zu beob- 
achten ist, aber sicher nicht im Prinzip "Universali- 
tät” liegt, sondern an seiner nicht durchgehaltenen 
Methodisierung. 
Baugeschichte also bloße Formgeschichte. Aber darf 
die Form vom Bewußtsein getrennt werden, und muß 
das Bewußtsein nicht solange näherungsweise auf eine 
unterlegte Logik zurückgeführt werden, bis dieser As- 
pekt "Universalität' exakter formalisiert ist? 
Eine synchronisch aufgefaßte Phänomenologie der 
Stadtsysteme fehlt völlig. Sie wäre die Voraussetzung 
einer struktural-anthropologischen Baugeschichte. Die 
Interpretation dieser "Formen" auf Bewußtseinsstruk- 
turen die zweite. Die damit verbundene Vorstellung 
einer Sozio-Logik der Stadtsysteme ist nie hinreichend 
diskutiert worden. 
2.) Der von L6vy-Strauss beschriebene Zusammen- 
hang zwischen "Phänomenen der räumlichen Vertei- 
lung und unbewußten Vorstellungen, die die Menschen 
sich vom Raum machen", wirft die Frage auf, ob der 
von der Psychoanalyse (Mitscherlich u.a.) und der 
Dialektischen Philosophie (Adorno u.a.) vorgetragene 
Angriff auf technologischen und an der Oberfläche psy 
chologisierenden Funktionalismus nicht viel vehemen- 
ter geführt werden muß. 
"Wenn Städte Selbstdarstellungen von Kollektiven sind, 
dann ist das, was uns hier an Selbstdarstellung begeg- 
net, alarmierend'', (29). 
Sofern diese Kritik bei den Verantwortlichen akzep- 
tiert wird, ist sie zu meditieren. Man kann Autoren 
wie Mitscherlich, Adorno und L6vy-Strauss sicher 
nicht damit beantworten, daß die Problematik ver- 
kürzt wird auf das augenblicklich eindimensionale Ver- 
ständnis vom "Menschlichen Maßstab'' 
Naivitäten, subjektiv-künstlerische, wie die von 
Schwagenscheidt sind in der Regel zutreffend für das 
Bewußtsein der Architekten. 
Die Frage nach dem "Menschlichen Maßstab'' muß im 
Sinne der "Strukturalen Anthropologie'' viel tieferge- 
hend gestellt werden. 
Wie muß die Identifikation des Bürgers mit seiner 
Stadt-Umwelt auf gesamtgesellschaftlicher Basis er- 
möglicht werden, sofern von einer unbewußten ökolo- 
gischen Struktur auszugehen ist? 
Wie kann unter diesem Gesichtspunkt die Selbstdar- 
stellung von Kollektiven geplant werden? 
Die Proletarisierung der Stadtbevölkerung im Sinne 
einer Verdinglichung und Entfremdung den Baubehör- 
den gegenüber ist sicher nur zum geringsten Teil ein 
kommunikationstechnisches Versagen, d.h. mangelnde 
Rückkoppelung innerhalb des Planungsprozesses durch 
das Bewußtsein derer, für die geplant wird. 
3. Die Diskussion, die Alexander um die Prinzipien 
einer holistischen Entwurfsmethodik vertieft hat (30). 
kann durch Aspekte der strukturalistischen Tätigkeit 
erweitert werden über einen rein formal-systemtheo- 
retischen Ansatz hinaus. 
Gleichzeitig bietet die Annäherung von "Strukturaler 
Anthropologie'' und Planungsmethodik ein Modell für 
interdiszıplinäre Zusammenarbeit. 
"Unter sehr allgemeinen Gesichtspunkten lassen sich 
zwei wesentliche Modellbegriffe voneinander unter- 
scheiden. Der eine betrifft Modelle als Mittel der 
menschlichen Erkenntnisgewinnung und der andere als 
Mittel der Verhaltensregulation eines bestimmten Typs 
von dynamischen Systemen" (31). 
Wir betrachten für unseren Fall beide Modellarten als 
isomorph zueinander in dem Sinn, daß die "Struktura- 
le Anthropologie'' aufgrund ihrer Methode und ihres 
Inhaltes ein Modell ökologischer Systeme liefert, das 
Inhalt der Modelle zur Verhaltensregulation (der pla- 
nunzsmethodischen Modelle) ist. 
Die Vermittlung beider Modelltypen soll abschließend 
an zwei Begriffen etwas näher erläutert werden, die 
L6vy-Strauss in einem Aufsatz: "Die Stellung der 
Anthropologie in den Sozialwissenschaften und die da- 
raus resultierenden Unterrichtsprobleme'', (32), be- 
handelt: Objektivität und Totalität. 
ARCH +2 (1969) H. 6
	        
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