Christoph Feldtkeller
ZUR THEORIE DER PRAXIS
Konzeptionsbildung und Implementbildung
Ui
Die Praxis (18, 19, 21) als bewußte zielgerichtete
gesellschaftliche Tätigkeit (19) ist - im Gegensatz zur
reflexbedingten Tätigkeit - auf indirekte Weise, näm-
lich über die Konzeptionsbildung (7, 12, 23, 24, 28)
und die Implementbildung (1, 2) auf die Realität ge-
richtet.
2,
Die Konzeptionsbildung kann beschrieben werden als
eine Relation zwischen einem Subjekt und einem Ob-
jekt. Die Konzeption wird gebildet von einem Subjekt
über einem Objekt. (Nur in diesem Sinn werden im
folgenden auch die Begriffe des Subjektiven und des
Objektiven verwendet.) Das Selbstbewußtsein eines
Individuums oder einer Gruppe von Individuen als Sub-
jekt.muß sich der objektiven Realität gegenübergestellt
empfinden, um eine Konzeption bilden zu können.
Die Konzeption wird gebildet durch einen Prozeß der
Abstraktion (15), der zu immer feineren Bestimmungen
oder Merkmalen führt - alles zu berücksichtigen, eine
Praxis, die ständig im Konkreten bliebe, ist nicht mög-
lich - und durch Zusammenfassung dieser Bestimmungen
oder Merkmale zu immer komplexeren Gedankenganzen
(23). Dabei kann sich der Prozeß der Abstraktion auf
die materielle oder ideelle Realität beziehen, d.h. es
können Konzeptionen über Konzeptionen gebildet wer-
den. "Die Bevölkerung ist eine Abstraktion, wenn ich
z.B. die Klassen, aus denen sie besteht, weglasse.
Diese Klassen sind wieder ein leeres Wort, wenn ichdie
Elemente nicht kenne, auf denen sie beruhen. Z.B.
Lohnarbeit, Kapital etc. Diese unterstellen Austausch,
Teilung der Arbeit, Preise etc. Kapital z.B. ohne Lohn-
arbeit ist nichts, ohne Wert, Geld, Preis etc. Finge
ich also mit der Bevölkerung an, so wäre das eine chao-
tische Vorstellung des Ganzen, und durch nähere Bestim-
mung würde ich analytisch immer mehr auf einfachere
Begriffe kommen; von dem vorgestellten Konkreten auf
immer dünnere Abstrakta, bis ich bei den einfachsten
Bestimmungen angelangt wäre. Von da an wäre nun die
Reise wieder rückwärts anzutreten, bis ich endlich
wieder bei der Bevölkerung anlangte, diesmal aber nicht
als bei einer chaotischen Vorstellung eines Ganzen,
sondern als einer reichen Totalität von vielen Bestim-
mungen und Beziehungen. "(23)
Dieser Prozeß der Abstraktion und der konzeptionellen
Zusammenfassung der abstrakten Bestimmungen ermög-
licht eine Konzeptionsbildung nicht nur über gleich-
zeitigen, sondern auch über ungleichzeitigen Ereignis-
sen, über geschichtlichen Ganzheiten. Er ermöglicht
nicht nur die Wahrnehmung von Erscheinungen, sondern
auch die konzeptionelle Bildung von Wesenheiten. Er
ermöglicht die konzeptionelle Veränderung der objek-
tiven Realität mit dem Ziel der Lösung von Konflikten,
eine Konzeption der Zukunft,
Insofern, als die Konzeption selbst zur Realität gehört,
stellt schon die Konzeptionsbildung eine Veränderung
der Realität dar.
Die Konzeption ist nicht, wie nach der Auffassung
mancher Autoren, eine Abbildung (im mathematischen
Sinn) der objektiven Realität: Die Realität, von wel-
cher abstrahiert wird, ist selbst nicht definiert, vielmehr
unbekannt: also kann auch keine Zuordnung der einzel -
nen Elemente der beiden Gebilde, der Realität und der
Konzeption, vorgenommen werden.
(Dem Begriff der Konzeption entspricht der des ’ internen
Modells’ bei Steinbuch (31). Ähnlich sind die Begriffe
des Bilds (aber nicht im Sinne von Abbildung) und der
Vorstellung; in beiden kommt aber der Prozeß der
Abstraktion, die relative Selbständigkeit der Konzep-
tion gegenüber der objektiven Realität weniger zum
Ausdruck.)
3.
Konzeptionen können repräsentiert werden durch
physische, anschauliche oder begriffliche Modelle.
Modelle sind injektive Abbildungen von Konzeptionen;
sie bilden nicht unmittelbar die Realität ab. Ein
mathematisches Modell z.B. ist nicht einfach eine
Gleichung, in der eine bestimmte Menge von Variab-
len, die in der Realität existierten, zu einer anderen
Menge in Beziehung stehen: vielmehr ist es eine Re-
präsentation einer Konzeption in algebraischer Form.
Modelle dienen dazu, Kenntnisse zu akkumulieren,
zueinander in Beziehung zu setzen oder zu gewinnen.
Es ist gerade die Verfügbarkeit zur Kommunikation (zur
Überwindung der Ungleichzeitigkeit des Bewußtwerdens
von Konzeptionen) und für Experimente, worin sich das
Modell von der Konzeption im Bewußtsein unterscheidet
ARCH+ 2 (1969) H. 7