Full text: ARCH+ : Studienhefte für architekturbezogene Umweltforschung und -planung (1969, Jg. 2, H. 5-8)

Christoph Feldtkeller 
ZUR THEORIE DER PRAXIS 
Konzeptionsbildung und Implementbildung 
Ui 
Die Praxis (18, 19, 21) als bewußte zielgerichtete 
gesellschaftliche Tätigkeit (19) ist - im Gegensatz zur 
reflexbedingten Tätigkeit - auf indirekte Weise, näm- 
lich über die Konzeptionsbildung (7, 12, 23, 24, 28) 
und die Implementbildung (1, 2) auf die Realität ge- 
richtet. 
2, 
Die Konzeptionsbildung kann beschrieben werden als 
eine Relation zwischen einem Subjekt und einem Ob- 
jekt. Die Konzeption wird gebildet von einem Subjekt 
über einem Objekt. (Nur in diesem Sinn werden im 
folgenden auch die Begriffe des Subjektiven und des 
Objektiven verwendet.) Das Selbstbewußtsein eines 
Individuums oder einer Gruppe von Individuen als Sub- 
jekt.muß sich der objektiven Realität gegenübergestellt 
empfinden, um eine Konzeption bilden zu können. 
Die Konzeption wird gebildet durch einen Prozeß der 
Abstraktion (15), der zu immer feineren Bestimmungen 
oder Merkmalen führt - alles zu berücksichtigen, eine 
Praxis, die ständig im Konkreten bliebe, ist nicht mög- 
lich - und durch Zusammenfassung dieser Bestimmungen 
oder Merkmale zu immer komplexeren Gedankenganzen 
(23). Dabei kann sich der Prozeß der Abstraktion auf 
die materielle oder ideelle Realität beziehen, d.h. es 
können Konzeptionen über Konzeptionen gebildet wer- 
den. "Die Bevölkerung ist eine Abstraktion, wenn ich 
z.B. die Klassen, aus denen sie besteht, weglasse. 
Diese Klassen sind wieder ein leeres Wort, wenn ichdie 
Elemente nicht kenne, auf denen sie beruhen. Z.B. 
Lohnarbeit, Kapital etc. Diese unterstellen Austausch, 
Teilung der Arbeit, Preise etc. Kapital z.B. ohne Lohn- 
arbeit ist nichts, ohne Wert, Geld, Preis etc. Finge 
ich also mit der Bevölkerung an, so wäre das eine chao- 
tische Vorstellung des Ganzen, und durch nähere Bestim- 
mung würde ich analytisch immer mehr auf einfachere 
Begriffe kommen; von dem vorgestellten Konkreten auf 
immer dünnere Abstrakta, bis ich bei den einfachsten 
Bestimmungen angelangt wäre. Von da an wäre nun die 
Reise wieder rückwärts anzutreten, bis ich endlich 
wieder bei der Bevölkerung anlangte, diesmal aber nicht 
als bei einer chaotischen Vorstellung eines Ganzen, 
sondern als einer reichen Totalität von vielen Bestim- 
mungen und Beziehungen. "(23) 
Dieser Prozeß der Abstraktion und der konzeptionellen 
Zusammenfassung der abstrakten Bestimmungen ermög- 
licht eine Konzeptionsbildung nicht nur über gleich- 
zeitigen, sondern auch über ungleichzeitigen Ereignis- 
sen, über geschichtlichen Ganzheiten. Er ermöglicht 
nicht nur die Wahrnehmung von Erscheinungen, sondern 
auch die konzeptionelle Bildung von Wesenheiten. Er 
ermöglicht die konzeptionelle Veränderung der objek- 
tiven Realität mit dem Ziel der Lösung von Konflikten, 
eine Konzeption der Zukunft, 
Insofern, als die Konzeption selbst zur Realität gehört, 
stellt schon die Konzeptionsbildung eine Veränderung 
der Realität dar. 
Die Konzeption ist nicht, wie nach der Auffassung 
mancher Autoren, eine Abbildung (im mathematischen 
Sinn) der objektiven Realität: Die Realität, von wel- 
cher abstrahiert wird, ist selbst nicht definiert, vielmehr 
unbekannt: also kann auch keine Zuordnung der einzel - 
nen Elemente der beiden Gebilde, der Realität und der 
Konzeption, vorgenommen werden. 
(Dem Begriff der Konzeption entspricht der des ’ internen 
Modells’ bei Steinbuch (31). Ähnlich sind die Begriffe 
des Bilds (aber nicht im Sinne von Abbildung) und der 
Vorstellung; in beiden kommt aber der Prozeß der 
Abstraktion, die relative Selbständigkeit der Konzep- 
tion gegenüber der objektiven Realität weniger zum 
Ausdruck.) 
3. 
Konzeptionen können repräsentiert werden durch 
physische, anschauliche oder begriffliche Modelle. 
Modelle sind injektive Abbildungen von Konzeptionen; 
sie bilden nicht unmittelbar die Realität ab. Ein 
mathematisches Modell z.B. ist nicht einfach eine 
Gleichung, in der eine bestimmte Menge von Variab- 
len, die in der Realität existierten, zu einer anderen 
Menge in Beziehung stehen: vielmehr ist es eine Re- 
präsentation einer Konzeption in algebraischer Form. 
Modelle dienen dazu, Kenntnisse zu akkumulieren, 
zueinander in Beziehung zu setzen oder zu gewinnen. 
Es ist gerade die Verfügbarkeit zur Kommunikation (zur 
Überwindung der Ungleichzeitigkeit des Bewußtwerdens 
von Konzeptionen) und für Experimente, worin sich das 
Modell von der Konzeption im Bewußtsein unterscheidet 
ARCH+ 2 (1969) H. 7
	        
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