2) Appraisoren (to appraise = den Wert bestimmen,
abschätzen), die den bewertenden Gebrauch von
Zeichen betreffen;
3) Präskiptoren (to prescript = vorschreiben, ver-
schreiben, verordnen), die den lenkenden, steuernden,
bestimmte Reaktionen bewirkenden Gebrauch von
Zeichen betreffen;
4) Formatoren, die den systematischen Gebrauch (um
das Verhalten des anderen zu systematisieren oder zu
organisieren) von Zeichen betreffen.
Ohne auf die Übereinstimmung oder die Abweichung von
den Peirceschen Begriffen einzugehen, soll darauf hin-
gewiesen werden, daß diese Klassifikation offensichtlich
weniger von rein semiotischen als vielmehr von behavio-
ristischen oder verhaltenspsychologischen Voraussetzun-
gen ausgeht. So ist es ganz natürlich, daß Morris vor
allem in behavioristischen Untersuchungen diskutiert
wird und nicht ohne Einfluß auf die Bewegung der "Ge-
neral Semantics" geblieben ist, die sich nicht mit Se-
miotik, sondern mit dem menschlichen Verhalten, das
durch Zeichen beeinflußt, geregelt, verändert, auch
geheilt werden kann, beschäftigt. Selbstverständlich
haben solche Untersuchungen, unabhängig von der
Semiotik, ihren Wert, aber wir können hier auf diese
Dinge nicht weiter eingehen.
XII
Syntaktik, Semantik, Pragmatik
Peirce hat vorgeschlagen, das große Gebiet der Semiotik
in drei Zweige zu unterteilen, und zwar in:
1) Reine Grammatik
2)Eigentliche Logik
3) Reine Rhetorik
Die "Reine Grammatik" (nach Duns Scotus auch "Spe-
kulative Grammatik" genannt), in der die al Igemei-
nen formalen Bedingungen der Zeichen festge-
legt werden, soll als Propädeutik der Logik aufgefaßt
werden. Hier sollten auch die Kategorien und die logi-
schen Methoden der Deduktion, Induktion und Abduktion
(Hypothese) erörtert werden.
Die "Logik" (auch "Kritische Logik" oder "Kritik" ge-
nannt) sollte von den formalen Wahrheitsbedin-
gungen der Zeichen handeln. Peirce ist der Meinung,
daß sich Logik, auch in der mathematischen Form, auf
Welt, auf Erfahrung, auf Obiekte beziehen muß.
Die "Rhetorik" (auch "Reine Rhetorik", "Spekulative
Rhetorik" oder "Methodeutik" genannt) sollte von den
formalen Bedingungen der Kraft der Zeichen
handeln. Für Peirce ist dieser Zweig der Semiotik der-
jenige, wo die heuristischen Prinzipien (z.B. in Mathe-
matik, Wissenschaft und Philosophie) erfaßt werden, um
die Entdeckung neuer Wahrheiten, um "eine Methode der
entdeckenden (oder "erfindenden") Methode" zu gewin-
nen. Auch das, was man Algorithmus nennt, gehört
hierher.
Man sieht, daß auch in diesem Aufbau der Semiotik der
Zusammenhang der einzelnen Gebiete dadurch gegeben
ist, daß die Grammatik die Grundlagen schafft, daß die
Logik auf der Grammatik aufbaut und nicht ohne sie ge-
dacht werden kann, sie zur Voraussetzung hat, und daß
die Rhetorik sowohl auf Grammatik als auch Logik auf-
baut, d.h. nicht unabhängig von den beiden vorangehen-
den behandelt werden kann.
Nun gibt es von Charles W. Morris noch eine andere
Einteilung der Semiotik, die sich begrifflich inzwischen
durchgesetzt hat, und die anstelle der Peirceschen Be-
griffe gesetzt werden kann.
Morris hatte von den drei Dimensionen des Zeichens ge-
sprochen, die er die "syntaktische", "semantische" und
"pragmatische" Dimension nannte. Teilen wir nach die-
sen Vorstellungen die Semiotik in drei Bereiche, so
sprechen wir von:
1) Syntaktik
2) Semantik
3) Pragmatik
Die Syntaktik, die die Zeichen nur im Mittelbezug
(ohne Objektbezug und Interpretantenbezug) und ihre
Verknüpfung oder Verkettung betrifft, ist derjenige Be-
reich, der der "Grammatik" bei Peirce entspricht. Syn-
taktische Forschungen sind hauptsächlich von Rudolf
Carnap, der polnischen Logikerschule und Hans Hermes
betrieben worden.
Die Semantik wäre dann derjenige Bereich, der die
Beziehung der Zeichen zu ihren Objekten betrifft, das
heißt, er setzt die Syntaktik voraus und untersucht nun
die Beziehungen der Zeichen zur Welt, zu ihren Objek-
ten, kurz umfaßt das, was nach Bense die "Bezeichnungs-
funktion" des Zeichens ausmacht. Es ist offensichtlich
der bei Peirce mit "Logik" bezeichnete Zweig der Semio-
tik. Hier wäre anzufügen, daß wir bei Carnap und Tarski
eine "logische Semantik" (wo beide Begriffe verbunden
sind) haben, daß es aber auch linguistische und medizi-
nische, physikalische u.a. Semantiken gibt.
Die Pragmatik setzt sowohl Syntaktik als auch Seman-
tik voraus, handelt aber ihrerseits von der Beziehung der
Zeichen zu ihren Interpretanten oder nach Bense von der
"Bedeutungsfunktion" der Zeichen. Wenn auch bei Morris
der Bereich der Pragmatik anders charakterisiert wurde,
nämlich ganz behavioristisch dabei nur auf den Gebrauch
oder die Verwendung, auf den Zweck und Nutzen abge-
stellt wurde und in etwa das umfaßt, was in den vier
Zeichenklassen von Morris behandelt wird, so erscheint
uns die behavioristische Auffassung von Morris trotz allem
und bei gewissen Einschränkungen der Peirceschen
"Rhetorik" zu entsprechen. Daß es neben Syntaktik und
Semantik etwas Drittes geben muß, das über beide hinaus-
reicht und auch bei Carnap mit "Bedeutung" (in seinem
"Meaning and Necessity", 1947) charakterisiert wird,
könnte unsere Auffassung noch stützen.
Fassen wir noch einmal zusammen: Die drei Bereiche der
Semiotik, Syntaktik, Semantik und Pragmatik umfassen
alle Fragen, die innerhalb der Semiotik gestellt und
gelöst werden können. Der Syntaktik entspräche der Mit-
telbezug. Die Semantik umfaßte Mittel- und Objektbe-
zug und handelte vom Objektbezug. Die Pragmatik um-
faßte Mittel-, @bjekt- und Interpretantenbezug und
handelte speziell vom Interpretantenbezug. In der Bense-
schen Terminologie hätten wir in der Syntaktik die
"Mittelfunktion" des Zeichens, in der Semantik die
"Bezeichnungsfunktion" des Zeichens und in der Pragma-
tik die "Bedeutungsfunktion" des Zeichens vor uns.
Diese kurze Charakteristik mag genügen, um Probleme
semiotischer Art in einen dieser Bereiche einzuordnen
ARCH+ 2 (1969) H.8