Christoph Feldtkeller, Dietrich Keil, Francois Kerschkamp
Institut für Schulbau Stuttgart
VERFAHREN ZUR BEURTEILUNG VON WETTBEWERBS-
ENTWURFEN
Der Sinn des Verfahrens ist es, zu einem Urteil zu kom-
men über den vermutlichen Nutzeffekt (1) der in den
Entwürfen konzipierten Gebäude bzw. baulichen Anla-
gen. Der Nutzeffekt ist eine Funktion des Nutzens (2)
und des Aufwands (3). Das Verfahren besteht nicht im
Vergleich dessen, was dargestellt ist, im Vergleich ex-
pliziter Größen, im Vergleich von Quantitäten, sondern
im Vergleich von Qualitäten, d.h. von Größen, zu
deren Erfassung kein explizit formulierter Maßstab vor-
liegt. Ein solcher Maßstab kann allenfalls im Verlauf des
Prozesses definiert werden (4). Sollte das Verfahren im
Vergleich von im vorab definierten Quantitäten beste-
hen, so müßte im vorab die Liste der Beurteilungskrite-
rien fixiert und für jedes Kriterium verschiedene Grade
der Erfüllung der entsprechenden Anforderung definiert
werden, so daß die Beurteilung unter den verschiedenen
Kriterien anhand dieser Grade vorgenommen werden
könnte (5). Dann könnten aber Informationen, die in der
Wettbewerbsausschreibung nicht schon enthalten sind,
also originäre Beiträge der Wettbewerbsteilnehmer zur
Lösung von Problemen, nicht mit ausgewertet werden,
und man müßte sich fragen, welchen Sinn dann ein
Wettbewerb noch haben soll.
Wenn es darauf ankommt, aus den Entwürfen den besten
oder mehrere gute für die Weiterbearbeitung auszuwäh-
len, dann werden wir nicht eine absolute Beurtei-
lung der einzelnen Entwürfe vornehmen, sondern eine
relative, d.h. wir werden die qualitativen Differen-
zen zwischen den Entwürfen ermitteln. Zusätzlich zu der
relativen Beurteilung ist allerdings zu entscheiden, ob
die so ausgewählten Entwürfe überhaupt eine befriedi-
gende Ausgangsposition für eine Weiterbearbeitung dar-
stellen. Dafür könnten je nach Situation Kriterien auf-
gestellt werden.
Benotung
Wir kennen verschiedene Arten der Beurteilung: Prüfung
(Ja-Nein-Entscheidung), Rangfolgeaufstellung und Be-
notung (6). Da wir als Gesamturteil nicht nur die Rang-
folge, sondern auch den qualitativen Abstand der Ent-
würfe ermitteln wollen, und da sich das Gesamturteil
zusammensetzt aus Einzelurteilen unterschiedlichen Ge-
wichts für das Gesamturteil (siehe unten), so brauchen
wir sowohl für das Gesamturteil als auch für die Einzel-
urteile eine Beurteilung durch Benotung.
Die Benotung erfolgt durch Zuordnung der Entwürfe zu
Werten auf einer Benotungsskala, und zwar so, daß die
Verhältnisse der Qualitäten der Entwürfe den Verhält-
nissen der Werte untereinander entsprechen. Die Beno-
tungsskala ist eine begrenzte Kardinalskala, z.B. mit
Werten von 1 bis 5 bzw., bei Interpolation, von 0,5 bis
5,5. Da es sich um eine relative Beurteilung handelt,
erfolgt die Zuordnung so, daß die Varianz der Qualitäten
der Entwürfe unter den betreffenden Kriterien die gesamte
Skala abdeckt, d.h. daß jeweils der beste Entwurf dem
höchsten Wert: 5, der schlechteste Entwurf demniedrig-
sten Wert: ] zugeordnet wird.
Werden die Qualitäten aller Entwürfe dem gleichen Wert
zugeordnet, d.h. werden sie als gleich eingeschätzt, so
kann das betreffende Beurteilungskriterium für den ver-
bleibenden Teil des Verfahrens entfallen -
Beurteilung anhand mehrerer Beurteilungskriterien
Um die Chancen der Bewältigung der Komplexität der zu
beurteilenden Objekte zu erhöhen, d.h. um die Wahr-
scheinlichkeit herabzusetzen, daß bei der Beurteilung
wichtige Aspekte übersehen werden, und um die Nach-
vollziehbarkeit der Beurteilung zu erhöhen, sollte das
Beurteilungskriterium des Nutzeffekts in bezug auf die
vorhandenen Bedingungen analysiert, und es sollte eine
Liste von Unterkriterien entwickelt werden.
Dieser Prozeß der Differenzierung der Beurteilungskrite-
rien sollte sich über das ganze Verfahren erstrecken. Eine
solche Differenzierung wird oft dann notwendig, wenn
verschiedene Beurteiler bei der Benotung zu unterschied-
lichen Ergebnissen kommen, aber nun nicht diese unter-
schiedlichen Ergebnisse auf irgendeine Weise zu einem
Ergebnis zusammenfassen, sondern versuchen, durch Dis-
kussion, nämlich indem jeder sein Urteil zu begründen
und die Urteile der anderen zu widerlegen sucht, sich
eine einheitliche Meinung zu bilden. Ob es sich letzt-
lich um ein "überlegtes" oder ein spontanes Urteil handelt,
das hängt gerade davon ab, inwieweit diese Diskussion
geführt wird oder nicht.
ARCH+ 2 (1969) H.&