Beurteilungsverfahren mit einer zweistufigen Merkmals-
hierarchie
Die Verwendung einer mehrstufigen Hierarchie entspringt
dem Versuch, das Ergebnis der Beurteilung unabhängig
zu machen davon, daß die zu beurteilenden Merkmale in
unterschiedlichem Verwandtschaftsverhältnis zueinander
stehen und so bei einfacher Addition der Noten ein "ge-
färbtes" Ergebnis herauskäme, falls diese Noten ohne
Rücksicht auf dieses Verwandtschaftsverhältnis gewichtet
würden. Die Hierarchie müßte also so gebildet werden,
daß Merkmale mit hohem Verwandtschaftsgrad jeweils
eine Gruppe bilden. Der Vorgang der Gewichtung wäre
in stärkerem Maß gegliedert, so daß nicht alle Variab-
len direkt aufeinander bezogen werden müßten. Die
Bildung einer mehrstufigen Hierarchie hätte außerdem
den Vorteil, den Beurteilungsprozeß zu unterteilen, so
daß aufgrund einer Korrektur an einer bestimmten Stelle
nicht der gesamte Prozeß beeinträchtigt würde, und alle
Berechnungen korrigiert werden müßten.
Nun steigt aber mit der Anzahl der Stufen die Komplexi-
tät der Supermerkmale, damit die Schwierigkeit der Be-
schreibung ihrer Varianzen und die Unzuverlässigkeit der
Gewichtung der Noten. Außerdem steigt mit der Anzahl
der Stufen die Anzahl der aufeinanderfolgenden Schritte
der Multiplikation von Noten mit Gewichtung, und da-
mit verstärken sich Irrtümer bei der Benotung und Ge-
wichtung (7)-
Aus diesen Gründen mag es ratsam sein, ein vereinfach-
tes Verfahren mit einer nur zweistufigen Hierarchie zu
verwenden, wobei die erste Stufe eine Menge von einzel-
nen Merkmalsklassen oder - soweit die entsprechenden
Noten innerhalb einer solchen Gruppe von vornherein als
gleichgewichtig angenommen werden können - von Grup-
pen von Merkmalsklassen, die zweite Stufe die Entwürfe
insgesamt beinhaltet. Es muß dann bei der Gewichtung
der Noten der unterschiedliche Verwandtschaftsgrad der
einzelnen Merkmalsklassen bzw. der Gruppen von Merk-
malsklassen zueinander berücksichtigt werden.
Anmerkungen
(1) vgl. "Gebrauchswert", DIN 66 053; dieser Begriff
wurde nicht verwandt, um Verwechslungen mit dem Be-
griff des Gebrauchswertes in der politischen Ökonomie
zu vermeiden.
(2) Gemeint ist der tatsächliche, nicht der potentielle
gesellschaftliche Nutzen; (vgl. "Gebrauchstauglichkeit"
DIN 66 050).
(3) Der Aufwand kann beinhalten: Anschaffungspreis,
Reparatur-, Ersatzteil- und Betriebskosten, Wiederver-
kaufspreis.
(4) Mit diesem Kriterium: nämlich ob ein explizit formu-
lierter Maßstab vorliegt oder nicht, können wir zwischen
Beurteilung und Messung unterscheiden.
(5) Ein besonderer Arbeitsgang der Gewichtung (siehe
unten) könnte in diesem Fall entfallen: wenn nämlich die
Grade der Erfüllung für die verschiedenen Kriterien so
aufeinander abgestimmt wären, daß die Gewichte in
allen Fällen gleich sein müßten.
(6) vgl. die verschiedenen Arten der Messung: registrie-
rende Messung, Rangfolgemessung, Intervallmessung.
(7) siehe W. Alonso, Bestmögliche Voraussagen mit un-
zulänglichen Daten, Bauwelt 12/13, März 1969.
Christoph Feldtkeller, Frangois Kerschkamp
ANMERKUNGEN ZUR ANWENDUNG DES VERFAHRENS
DURCH DAS PREISGERICHT BEIM WETTBEWERB FÜR
DAS LÄNDLICHE BILDUNGSZENTRUM MARKDORF UND
ZUR KRITIK DES PREISGERICHTS AN DEM VERFAHREN
Die Vorprüfung hat mit dem oben besprochenen Verfahren
die Entwürfe beurteilt als Arbeitsgrundlage (zusätzlich
zum Verfahren selbst) für das Preisgericht.
Das Preisgericht hat sich dazu entschlossen, das Verfah-
ren anzuwenden. Es hat die von der Vorprüfung aufge-
stellten Beurteilungskriterien ergänzt.
Bei der Gewichtung hat es, mit Ausnahme der Gewich-
tung der Noten, die aufgrund der neu aufgestellten Be-
urteilungskriterien gegeben wurden, die von der Vor-
prüfung vorgeschlagenen Gewichte mit einer geringfügi-
gen Veränderung übernommen, ohne sich allerdings vor-
her über die beim vorliegenden Wettbewerbsergebnis
auftretenden Varianzen zu informieren. Dabei kam ein
Ergebnis heraus, mit dem sich das Preisgericht in der an-
schließenden Diskussion vor den einzelnen Entwürfen
nicht mehr identifizieren konnte. Es stellte sich dabei
nämlich heraus, daß das Preisgericht den Merkmalen
bestimmter Merkmalsklassen aufgrund ihrer Varianz, z.B.
den Proportionen bzw. Beleuchtungsverhältnissen der
Unterrichtsräume, ein wesentlich größeres Moment für die
Gesamtqualität zumaß als die Vorprüfung es getan hatte.
Ohne den Sachverhalt zu durchschauen, hat das Preisge-
richt diese Panne auf das Verfahren projiziert:
"Es wird festgestellt, daß bis hier (d.h. bis zu dem Zeit-
punkt, da das Preisgericht anfing, Umstufungen vorzu-
nehmen) das Bewertungsverfahren des Institutes für Schul-
bau der Universität Stuttgart sich als wertvolle Arbeitshilfe
erwiesen hat. Trotz der Ergänzung, die das Preisgericht
am Verfahren vorgenommen hat, wird es jedoch nur als
Leitlinie für die endgültige Beurteilung verwendet. Diese
Beschränkung erklärt sich dadurch, daß das Verfahren
ganz besonders gute und schlechte Merkmale der Entwürfe
nicht mit vollem Gewicht in das Gesamturteil eingehen
läßt. Das Preisgericht nimmt deshalb nach eingehender
Diskussion Umstufungen vor" (8).
Der wesentliche Unterschied des vorgeschlagenen Beur-
teilungsverfahrens zu anderen bekannten (1), auch dem
beim Wettbewerb der Multschule Weinheim praktizier-
ten Verfahren besteht darin, daß die Gewichtung nicht
nur aufgrund von Erfahrungen hinsichtlich der zu erwar-
tenden Varianzen innerhalb der Merkmalsklassen vorge-
nommen werden soll, sondern aufgrund der speziellen
Varianzen bei dem Ergebnis dieses Wettbewerbs. Damit
ARCH+ 2 (1969) H.8