Full text: ARCH+ : Studienhefte für architekturbezogene Umweltforschung und -planung (1970, Jg. 3, H. 9-11)

Schöneberg aus, um der Bauwirtschaft dort die ihr in 
Kreuzberg entgangenen Aufträge und Profite zu sichern. 
Zusammen mit der Neuen Heimat (NH) vergab der 
Senat einen Gutachterauftrag an 6 Architekten (davon 
3 von der NH vorgeschlagen) über das Sanierungsge- 
biet P7 in Schöneberg. Herr Schulz, als Gutachter 
vom Senat beauftragt, wandte sich wegen eigener 
Arbeitsüberlastung an Peter Biek, der die Arbeitsgrup- 
pe Sanierung Schöneberg bildete. 
Vom Senat und der NH wurden Bebauungspläne zur 
Flächensanierung erwartet. Nach den Erfahrungen im 
Sanierungsgebiet Kreuzberg stellte sich die Arbeits- 
gruppe die Aufgabe, die Altbausubstanz so weit wie 
möglich zu erhalten (s. Gutachten). Von der NH 
lagen keine differenzierten Angaben vor über den Zu- 
stand der Altbauten, geschweige denn über die Sozial- 
struktur des Sanierungsgebietes. Eine Studentengruppe 
der Architekturabteilung der TU Berlin arbeitet schon 
seit mehreren Monaten an einer Blockstatistik des 
Bezirks Schöneberg, die diesen deutlich als Arbeiter- 
bezirk ausweist,. 
2. Zur Jury 
Die Jury zur Bewertung des Gutachtens bestand aus 
Preisrichtern des westberliner Senats und der NH sowie 
aus Neutralen (Professor Sage, Professor Sieverts). 
Den 1. Preis erhielt das Projekt der Architekten 
Wehrmuth und Heinrich, die versuchten, das histori- 
sche Stadtbild in Teilen zu erhalten, aber‘ gleichzei- 
tig die Forderung des Senats und der NH nach drastischer 
Senkung der GFZ und damit nach Exmittierung vieler 
Einwohner erfüllten. 
Damit sprach sich die Jury zwar gegen eine "Kahl- 
schlagsanierung" aus; das Hauptkriterium für eine Altbau- 
sanierung ist jedoch das Erreichen eines den Neubauten 
des Sozialen Wohnungsbaus adäquaten Wohnstandards . 
Das bedeutet: ausreichende Belichtung und Belüftung 
(Bauabstände, niedrige GFZ), Einhaltung der DIN für 
Raumhöhen etc. (Zur Einhaltung solcher Standards 
müssen dann z.B. die Kellergeschoßdecken einiger 
Altbauten angehoben bzw. der Boden gesenkt werden 
ein Aufwand, der dazu beiträgt, daß die Gesamtre- 
novierungskosten in die Gegend von Neubaukosten 
geraten.) 
3. Materialien zur Neuen Heimat 
Die NH hat ca. 50 % des Sanierungsgebietes aufge- 
kauft. Seit 1960 wurde Schöneberg zur Sanierung vor- 
bereitet. Eine der größten westberliner Hausverwaltun- 
gen - "TROSTE", ein Subunternehmen der NH - 
organisiert seit 10 Jahren die Entvölkerung Schöne- 
bergs. Die Renovierungsklagen der Mieter werden mit 
dem Hinweis auf die baldige Sanierung abgewehrt, 
Untervermietungen werden verboten. 
Die NH betreibt Bodenspekulation. 
1960 kaufte sie in Schöneberg Grundstücke für ca. 
30-40 DM, die heute von ihr mit 300-400 DM 
"gehandelt" werden; d.h.: diese Summen wirken sich 
in den Baukosten für die Sanierungsprogramme direkt 
aus. 
siert werden. Die neu zu errichtenden Wohnbauten 
sollen "qualifizierten" Ansprüchen genügen - d.h. 
baldige Abschaffung der Sozialmieten und Reprivati- 
sierung der Sozialen Wohnbauten (s. Flugblatt 
"Schöneberger raus aus Schöneberg"). 
4. Zur Ausstellung 
Die Arbeitsgruppe "Sanierung Schöneberg" führte im 
Mai eine 14-tägige Ausstellung in einem gemieteten 
Blumenladen im Sanierungsbezirk durch. 
Die Ausstellung hatte zwei Schwerpunkte: Mietpreis- 
analysen und Kindergärten bzw. -läden. Eine aufge- 
stellte Muster-Sanitärzelle vermittelte den Besuchern 
(1000 Schöneberger kamen = 1/4 der Einwohner des 
Bezirks) zusammen mit den entsprechenden Mietpreis- 
analysen ein Bewußtsein darüber, wie ihre Wohnsitu- 
ation kostensparend verbessert werden kann. 
Die Mietpreisanalysen trafen auf ein sehr starkes 
Interesse der Besucher, ganz im Gegensatz zu dem 
Teil der Ausstellung, der sich mit der Unterversorgung 
an Kinderläden in Schöneberg befaßte und praktisch 
unbeachtet blieb. 
Es wurde den Ausstellern damit deutlich, daß das 
Kindergartenproblem für die Arbeiterklasse kein Pri- 
märinteresse darstellt. Sie hatten vielmehr versucht, 
ihre eigenen kleinbürgerlichen Interessen als (auch) 
proletarische zu unterstellen, was sich als glatte 
Projektion herausstellte: Die Lage der Arbeiter ist 
wesentlich unmittelbarer an ihre materielle Grundlage 
durch ihre Stellung im Produktionsverhältnis vermittelt 
als die des Kleinbüraers, des Planers. 
5. Nachtrag zum Bausystem 
Das Bausystem wurde von Barna v. Sartory und Georg 
Kohlmaier entwickelt und steht unter-Gebrauchsmuster- 
schutz. Die differenzierte Kostenermittlung kann auf 
Anfrage von den Verfassern zur Verfügung gestellt 
werden, St. Brandt 
Anm.: Das Gutachten wurde gegenüber dem 
Original z.T. umgestellt und im Teil 3 um 
einige Passagen gekürzt, 
Ra 
dd. 
Die NH will sich ein Iohnendes Renditeobjekt in 
Schöneberg schaffen . 
Die Entvölkerung des Arbeitergebietes soll über eine 
drastische Senkung der GFZ von 3,0 auf 1,75 reali- 
16 
ARCH+3 (1970) H. 10
	        
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