Schöneberg aus, um der Bauwirtschaft dort die ihr in
Kreuzberg entgangenen Aufträge und Profite zu sichern.
Zusammen mit der Neuen Heimat (NH) vergab der
Senat einen Gutachterauftrag an 6 Architekten (davon
3 von der NH vorgeschlagen) über das Sanierungsge-
biet P7 in Schöneberg. Herr Schulz, als Gutachter
vom Senat beauftragt, wandte sich wegen eigener
Arbeitsüberlastung an Peter Biek, der die Arbeitsgrup-
pe Sanierung Schöneberg bildete.
Vom Senat und der NH wurden Bebauungspläne zur
Flächensanierung erwartet. Nach den Erfahrungen im
Sanierungsgebiet Kreuzberg stellte sich die Arbeits-
gruppe die Aufgabe, die Altbausubstanz so weit wie
möglich zu erhalten (s. Gutachten). Von der NH
lagen keine differenzierten Angaben vor über den Zu-
stand der Altbauten, geschweige denn über die Sozial-
struktur des Sanierungsgebietes. Eine Studentengruppe
der Architekturabteilung der TU Berlin arbeitet schon
seit mehreren Monaten an einer Blockstatistik des
Bezirks Schöneberg, die diesen deutlich als Arbeiter-
bezirk ausweist,.
2. Zur Jury
Die Jury zur Bewertung des Gutachtens bestand aus
Preisrichtern des westberliner Senats und der NH sowie
aus Neutralen (Professor Sage, Professor Sieverts).
Den 1. Preis erhielt das Projekt der Architekten
Wehrmuth und Heinrich, die versuchten, das histori-
sche Stadtbild in Teilen zu erhalten, aber‘ gleichzei-
tig die Forderung des Senats und der NH nach drastischer
Senkung der GFZ und damit nach Exmittierung vieler
Einwohner erfüllten.
Damit sprach sich die Jury zwar gegen eine "Kahl-
schlagsanierung" aus; das Hauptkriterium für eine Altbau-
sanierung ist jedoch das Erreichen eines den Neubauten
des Sozialen Wohnungsbaus adäquaten Wohnstandards .
Das bedeutet: ausreichende Belichtung und Belüftung
(Bauabstände, niedrige GFZ), Einhaltung der DIN für
Raumhöhen etc. (Zur Einhaltung solcher Standards
müssen dann z.B. die Kellergeschoßdecken einiger
Altbauten angehoben bzw. der Boden gesenkt werden
ein Aufwand, der dazu beiträgt, daß die Gesamtre-
novierungskosten in die Gegend von Neubaukosten
geraten.)
3. Materialien zur Neuen Heimat
Die NH hat ca. 50 % des Sanierungsgebietes aufge-
kauft. Seit 1960 wurde Schöneberg zur Sanierung vor-
bereitet. Eine der größten westberliner Hausverwaltun-
gen - "TROSTE", ein Subunternehmen der NH -
organisiert seit 10 Jahren die Entvölkerung Schöne-
bergs. Die Renovierungsklagen der Mieter werden mit
dem Hinweis auf die baldige Sanierung abgewehrt,
Untervermietungen werden verboten.
Die NH betreibt Bodenspekulation.
1960 kaufte sie in Schöneberg Grundstücke für ca.
30-40 DM, die heute von ihr mit 300-400 DM
"gehandelt" werden; d.h.: diese Summen wirken sich
in den Baukosten für die Sanierungsprogramme direkt
aus.
siert werden. Die neu zu errichtenden Wohnbauten
sollen "qualifizierten" Ansprüchen genügen - d.h.
baldige Abschaffung der Sozialmieten und Reprivati-
sierung der Sozialen Wohnbauten (s. Flugblatt
"Schöneberger raus aus Schöneberg").
4. Zur Ausstellung
Die Arbeitsgruppe "Sanierung Schöneberg" führte im
Mai eine 14-tägige Ausstellung in einem gemieteten
Blumenladen im Sanierungsbezirk durch.
Die Ausstellung hatte zwei Schwerpunkte: Mietpreis-
analysen und Kindergärten bzw. -läden. Eine aufge-
stellte Muster-Sanitärzelle vermittelte den Besuchern
(1000 Schöneberger kamen = 1/4 der Einwohner des
Bezirks) zusammen mit den entsprechenden Mietpreis-
analysen ein Bewußtsein darüber, wie ihre Wohnsitu-
ation kostensparend verbessert werden kann.
Die Mietpreisanalysen trafen auf ein sehr starkes
Interesse der Besucher, ganz im Gegensatz zu dem
Teil der Ausstellung, der sich mit der Unterversorgung
an Kinderläden in Schöneberg befaßte und praktisch
unbeachtet blieb.
Es wurde den Ausstellern damit deutlich, daß das
Kindergartenproblem für die Arbeiterklasse kein Pri-
märinteresse darstellt. Sie hatten vielmehr versucht,
ihre eigenen kleinbürgerlichen Interessen als (auch)
proletarische zu unterstellen, was sich als glatte
Projektion herausstellte: Die Lage der Arbeiter ist
wesentlich unmittelbarer an ihre materielle Grundlage
durch ihre Stellung im Produktionsverhältnis vermittelt
als die des Kleinbüraers, des Planers.
5. Nachtrag zum Bausystem
Das Bausystem wurde von Barna v. Sartory und Georg
Kohlmaier entwickelt und steht unter-Gebrauchsmuster-
schutz. Die differenzierte Kostenermittlung kann auf
Anfrage von den Verfassern zur Verfügung gestellt
werden, St. Brandt
Anm.: Das Gutachten wurde gegenüber dem
Original z.T. umgestellt und im Teil 3 um
einige Passagen gekürzt,
Ra
dd.
Die NH will sich ein Iohnendes Renditeobjekt in
Schöneberg schaffen .
Die Entvölkerung des Arbeitergebietes soll über eine
drastische Senkung der GFZ von 3,0 auf 1,75 reali-
16
ARCH+3 (1970) H. 10