Diese neue Vergesellschaftungsqualität des Kapitals ist
einerseits der schon in der ersten Krise, die das Kapital
geschichtlich ins Leben rief, der in der ursprünglichen
Akkumulation begründete Widerspruch von Vergesell-
schaftung und Privateigentum gesellschaftlicher Arbeit
und Privatarbeit, wie er andererseits den Übergang zur
möglichen freien Assoziation der unmittelbaren Produ-
zenten der sozialistischen Produktionsform als objektiv
möglich aufzeigt oder, wie Engels und im Anschluß an
ihn Horkheimer expliziert haben, den Umschlag in den
autoritären Staat, der faschistischen Verkehrung von
Vergesellschaftung, naturwüchsig möglich macht.
Marx schreibt von Aktiengesellschaften: "Das Kapital,
das an sich auf gesellschaftlicher Produktionsweise be-
ruht und eine gesellschaftliche Konzentration von
Produktionsmitteln und Arbeitskräften voraussetzt, erhält
hier direkt die Form von Gesellschaftskapital (Kapital
direkt assoziierter Individuen) im Gegensatz zum Privat-
kapital, und seine Unternehmungen treten auf als Ge-
sellschaftsunternehmungen im Gegensatz zu Privatunter-
nehmungen. Es ist die Aufhebung des Kapitals als Privat-
eigentum innerhalb der Grenzen der kapitalistischen
Produktionsweise selbst." (Kapital 3, S. 452) . Die schon
aus dem Enteignungsprozeß der ursprünglichen Akkumula-
tion begründete naturgesetzliche Tendenz von Konzentra-
tion und Zentralisation des Kapitals, die dessen ge-
schichtlichen Widerspruch von gesellschaftlicher Arbeit
und privater Aneignung entfaltet, tritt in ein neues
Stadium. Mit dem Monopolkapital kommt der an sich ge-
sellschaftliche Charakter der kapitalistischen Produktions-
weise, der Widerspruch von Vergesellschaftung und Pri-
vateigentum zur offenen Erscheinung.
Diese neue Vergesellschaftungsqualität des Kapitals ver-
ändert den Klassenantagonismus insgesamt. Die aktien-
gesellschaftliche Unternehmungsform schon verwandelt den
"wirklichen fungierenden Kapitalisten in einen bloßen
Dirigenten, Verwalter fremden Kapitals und die Kapital-
eigentümer in bloße Eigentümer, bloße Geldkapitalisten"
(Kapital 3, S. 452). Dieser Prozeß, in dessen Verlauf die
außerökonomische Zwangsgewalt des Staates wieder di-
rekte &konomische Potenz gewinnt und der Staatsinter-
ventionismus zur Dauernotwendigkeit wird, zerstört die
Zirkulationssphäre als legitimationsideologisches Reich
der bürgerlichen Sittlichkeit, als freie Konkurrenz von
einander feindseligen Individuen und als gerechter
Äquivalentstausch von einander gleichgültigen und
gleichgeltenden Warenbesitzern. Das Klassenbewußtsein
der Kapitalisten politisiert die instrumentelle Vernunft
im Hinblick auf ihre autoritär technokratischen Konse-
auenzen, Herrschaft wird legitimationsunfähig.
Die neue Vergesellschaftungsqualität des Kapitals erwei-
tert notwendig den Begriff der produktiven Arbeit und
bringt ihn als die arbeitsteilige Totalität zur Erscheinung,
die er im unentfalteten Prinzip schon immer war: "Wie
im Natursystem Kopf und Handsystem zusammen gehören,
vereint der Arbeitsprozeß Kopfarbeit und Handarbeit.
Später scheiden sie sich bis zum feindlichen Gegensatz.
Das Produkt verwandelt sich überhaupt aus dem unmittel
baren Produkt des individuellen Produzenten in ein ge-
sellschaftliches, in das gemeinsame Produkt eines Ge-
samtarbeiters, d.h. eines kombinierten Arbeitspersonals,
dessen Glieder der Handhabung des Arbeitsgegenstandes
näher oder ferner stehen. Mit dem kooperativen
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Charakter des Arbeitsprozesses selbst erweitert sich daher
notwendig der Begriff der produktiven Arbeit und ihres
Trägers, des produktiven Arbeiters. Um produktiv zu
arbeiten, ist es nun nicht mehr nötig, selbst Hand anzu-
legen. Es genügt, Organ des Gesamtarbeiters zu sein,
irgendeine seiner Unterfunktionen zu vollziehen."
(Kapital 1, S. 537).
Die technologische Umsetzung der Wissenschaft ins
Kapital fixierte Maschinensystem - systematisch seit
Ende des 19. Jahrhunderts betrieben - und die Tendenz
zur Automation haben das verändert, was Marx als die
reelle Subsumtion der Arbeit unter das Kapital bezeich-
net hat. Diese unterscheidet sich von der bloß formellen
dadurch, daß sie auch die technologische Struktur des
unmittelbaren Arbeitsprozesses durch die systematische
Anwendung der gesellschaftlichen Produktivkräfte der
Arbeit, Arbeitsteilung und Wissenschaft qualitativ ver-
ändert. Der Arbeitsprozeß als Stoffwechsel zwischen den
Menschen und der Natur wird gleichsam in sich selbst
vergesellschaftet. Eines der hervorstechendsten Eigen-
schaften der reellen Subsumtion der Arbeit unter das
Kapital ist die bewußte "Anwendung der Wissenschaft,
dieses allgemeinen Produkts der gesellschaftlichen Ent-
wicklung auf den unmittelbaren Produktionsprozeß".
(Marx, Resultate, 50 FFm 1969)
Soziale Kombination totalisiert mit der Verwissen-
schaftlichung der Produktion diese immer mehr zum Ge-
samtarbeiter, indem wie Marx in den Grundrissen aus-
führt, das einzelne Arbeitsvermögen immer mehr momen-
tanisiert wird und der Wertmaßstab der Arbeitszeit in
immer extremeren Widerspruch zur Realität des capital
fixe und des wirklichen Produktionsprozesses tritt. Tech-
nik und Wissenschaft haben ein produktiv umgesetztes
Entfaltungsstadium von systemsprengendem Ausmaß er-
reicht. Die neue Vergesellschaftungsqualität der pro-
duktiven Arbeit durch die technologische Verwissen-
schaftlichung der Produktion vermag ihre zwangsweise
kapitalistische Vergegenständlichung nicht mehr zu
tolerieren. Das Verhältnis von Monopolkapital und
Automation macht die auch klassentheoretisch folgen-
reiche Veränderung der reellen Subsumtion der Arbeit
unter das Kapital aus. "Da mit der Entwicklung der
reellen Subsumtion der Arbeit unter das Kapital oder der
spezifisch kapitalistischen Produktionsweise nichf der
einzelne Arbeiter, sondern mehr und mehr ein sozial-
kombiniertes Arbeitsvermögen der wirkliche Funktionär
des Gesamtarbeitsprozesses wird, und die verschiedenen
Arbeitsvermögen ; die konkurrieren, und die gesamte
produktive Maschine bilden, in sehr verschiedener Weise
an dem unmittelbaren Prozeß der Waren - oder besser
hier Produktbildung teilnehmen, der eine mehr mit der
Hand, der andere mehr mit dem Kopf arbeitet, der eine
als Manager, engineer, Technologe etc., der andere als
overlooker, der dritte als direkter Handarbeiter oder gar
bloß als Handlanger, so werden mehr und mehr Funktio-
nen von Arbeitsvermögen unter dem unmittelbaren Be-
griff der produktiven Arbeit und ihre Träger unter dem
Begriff der produktiven Arbeiter, direkt vom Kapital
'ausgebeuteter und seinem Verwertungs- und Produktions-
prozeß untergeordneter Arbeiter einrangiert wird."
(Marx Resultate, S. 66)
Wenn die Wissenschaften nach Maßgabe ihrer techni-
schen Umsetzbarkeit und ihre Träger, die geistigen Ar-
beiter, in den produktiven Gesamtarbeiter integriert
ARCH+3 (1970) H. 10