Full text: ARCH+ : Studienhefte für architekturbezogene Umweltforschung und -planung (1970, Jg. 3, H. 9-11)

Diese neue Vergesellschaftungsqualität des Kapitals ist 
einerseits der schon in der ersten Krise, die das Kapital 
geschichtlich ins Leben rief, der in der ursprünglichen 
Akkumulation begründete Widerspruch von Vergesell- 
schaftung und Privateigentum gesellschaftlicher Arbeit 
und Privatarbeit, wie er andererseits den Übergang zur 
möglichen freien Assoziation der unmittelbaren Produ- 
zenten der sozialistischen Produktionsform als objektiv 
möglich aufzeigt oder, wie Engels und im Anschluß an 
ihn Horkheimer expliziert haben, den Umschlag in den 
autoritären Staat, der faschistischen Verkehrung von 
Vergesellschaftung, naturwüchsig möglich macht. 
Marx schreibt von Aktiengesellschaften: "Das Kapital, 
das an sich auf gesellschaftlicher Produktionsweise be- 
ruht und eine gesellschaftliche Konzentration von 
Produktionsmitteln und Arbeitskräften voraussetzt, erhält 
hier direkt die Form von Gesellschaftskapital (Kapital 
direkt assoziierter Individuen) im Gegensatz zum Privat- 
kapital, und seine Unternehmungen treten auf als Ge- 
sellschaftsunternehmungen im Gegensatz zu Privatunter- 
nehmungen. Es ist die Aufhebung des Kapitals als Privat- 
eigentum innerhalb der Grenzen der kapitalistischen 
Produktionsweise selbst." (Kapital 3, S. 452) . Die schon 
aus dem Enteignungsprozeß der ursprünglichen Akkumula- 
tion begründete naturgesetzliche Tendenz von Konzentra- 
tion und Zentralisation des Kapitals, die dessen ge- 
schichtlichen Widerspruch von gesellschaftlicher Arbeit 
und privater Aneignung entfaltet, tritt in ein neues 
Stadium. Mit dem Monopolkapital kommt der an sich ge- 
sellschaftliche Charakter der kapitalistischen Produktions- 
weise, der Widerspruch von Vergesellschaftung und Pri- 
vateigentum zur offenen Erscheinung. 
Diese neue Vergesellschaftungsqualität des Kapitals ver- 
ändert den Klassenantagonismus insgesamt. Die aktien- 
gesellschaftliche Unternehmungsform schon verwandelt den 
"wirklichen fungierenden Kapitalisten in einen bloßen 
Dirigenten, Verwalter fremden Kapitals und die Kapital- 
eigentümer in bloße Eigentümer, bloße Geldkapitalisten" 
(Kapital 3, S. 452). Dieser Prozeß, in dessen Verlauf die 
außerökonomische Zwangsgewalt des Staates wieder di- 
rekte &konomische Potenz gewinnt und der Staatsinter- 
ventionismus zur Dauernotwendigkeit wird, zerstört die 
Zirkulationssphäre als legitimationsideologisches Reich 
der bürgerlichen Sittlichkeit, als freie Konkurrenz von 
einander feindseligen Individuen und als gerechter 
Äquivalentstausch von einander gleichgültigen und 
gleichgeltenden Warenbesitzern. Das Klassenbewußtsein 
der Kapitalisten politisiert die instrumentelle Vernunft 
im Hinblick auf ihre autoritär technokratischen Konse- 
auenzen, Herrschaft wird legitimationsunfähig. 
Die neue Vergesellschaftungsqualität des Kapitals erwei- 
tert notwendig den Begriff der produktiven Arbeit und 
bringt ihn als die arbeitsteilige Totalität zur Erscheinung, 
die er im unentfalteten Prinzip schon immer war: "Wie 
im Natursystem Kopf und Handsystem zusammen gehören, 
vereint der Arbeitsprozeß Kopfarbeit und Handarbeit. 
Später scheiden sie sich bis zum feindlichen Gegensatz. 
Das Produkt verwandelt sich überhaupt aus dem unmittel 
baren Produkt des individuellen Produzenten in ein ge- 
sellschaftliches, in das gemeinsame Produkt eines Ge- 
samtarbeiters, d.h. eines kombinierten Arbeitspersonals, 
dessen Glieder der Handhabung des Arbeitsgegenstandes 
näher oder ferner stehen. Mit dem kooperativen 
50 
Charakter des Arbeitsprozesses selbst erweitert sich daher 
notwendig der Begriff der produktiven Arbeit und ihres 
Trägers, des produktiven Arbeiters. Um produktiv zu 
arbeiten, ist es nun nicht mehr nötig, selbst Hand anzu- 
legen. Es genügt, Organ des Gesamtarbeiters zu sein, 
irgendeine seiner Unterfunktionen zu vollziehen." 
(Kapital 1, S. 537). 
Die technologische Umsetzung der Wissenschaft ins 
Kapital fixierte Maschinensystem - systematisch seit 
Ende des 19. Jahrhunderts betrieben - und die Tendenz 
zur Automation haben das verändert, was Marx als die 
reelle Subsumtion der Arbeit unter das Kapital bezeich- 
net hat. Diese unterscheidet sich von der bloß formellen 
dadurch, daß sie auch die technologische Struktur des 
unmittelbaren Arbeitsprozesses durch die systematische 
Anwendung der gesellschaftlichen Produktivkräfte der 
Arbeit, Arbeitsteilung und Wissenschaft qualitativ ver- 
ändert. Der Arbeitsprozeß als Stoffwechsel zwischen den 
Menschen und der Natur wird gleichsam in sich selbst 
vergesellschaftet. Eines der hervorstechendsten Eigen- 
schaften der reellen Subsumtion der Arbeit unter das 
Kapital ist die bewußte "Anwendung der Wissenschaft, 
dieses allgemeinen Produkts der gesellschaftlichen Ent- 
wicklung auf den unmittelbaren Produktionsprozeß". 
(Marx, Resultate, 50 FFm 1969) 
Soziale Kombination totalisiert mit der Verwissen- 
schaftlichung der Produktion diese immer mehr zum Ge- 
samtarbeiter, indem wie Marx in den Grundrissen aus- 
führt, das einzelne Arbeitsvermögen immer mehr momen- 
tanisiert wird und der Wertmaßstab der Arbeitszeit in 
immer extremeren Widerspruch zur Realität des capital 
fixe und des wirklichen Produktionsprozesses tritt. Tech- 
nik und Wissenschaft haben ein produktiv umgesetztes 
Entfaltungsstadium von systemsprengendem Ausmaß er- 
reicht. Die neue Vergesellschaftungsqualität der pro- 
duktiven Arbeit durch die technologische Verwissen- 
schaftlichung der Produktion vermag ihre zwangsweise 
kapitalistische Vergegenständlichung nicht mehr zu 
tolerieren. Das Verhältnis von Monopolkapital und 
Automation macht die auch klassentheoretisch folgen- 
reiche Veränderung der reellen Subsumtion der Arbeit 
unter das Kapital aus. "Da mit der Entwicklung der 
reellen Subsumtion der Arbeit unter das Kapital oder der 
spezifisch kapitalistischen Produktionsweise nichf der 
einzelne Arbeiter, sondern mehr und mehr ein sozial- 
kombiniertes Arbeitsvermögen der wirkliche Funktionär 
des Gesamtarbeitsprozesses wird, und die verschiedenen 
Arbeitsvermögen ; die konkurrieren, und die gesamte 
produktive Maschine bilden, in sehr verschiedener Weise 
an dem unmittelbaren Prozeß der Waren - oder besser 
hier Produktbildung teilnehmen, der eine mehr mit der 
Hand, der andere mehr mit dem Kopf arbeitet, der eine 
als Manager, engineer, Technologe etc., der andere als 
overlooker, der dritte als direkter Handarbeiter oder gar 
bloß als Handlanger, so werden mehr und mehr Funktio- 
nen von Arbeitsvermögen unter dem unmittelbaren Be- 
griff der produktiven Arbeit und ihre Träger unter dem 
Begriff der produktiven Arbeiter, direkt vom Kapital 
'ausgebeuteter und seinem Verwertungs- und Produktions- 
prozeß untergeordneter Arbeiter einrangiert wird." 
(Marx Resultate, S. 66) 
Wenn die Wissenschaften nach Maßgabe ihrer techni- 
schen Umsetzbarkeit und ihre Träger, die geistigen Ar- 
beiter, in den produktiven Gesamtarbeiter integriert 
ARCH+3 (1970) H. 10
	        
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