Grundgesetze ihrer Produktion angeht, womit nicht
ausgeschlossen sei, daß die spezifischen Formen ihrer
Produktion und ihres Verkaufs sich von anderen Wa-
ren unterscheiden.
Boden und Grundrente
Als ein Hauptspezifikum der Ware Wohnung springt
ins Auge, daß ihre Produktion an ein Produktionsmit-
tel gebunden ist, das im Gegensatz zu allen anderen
nicht beliebig vermehrbar und reproduzierbar ist: der
Boden. Der Preis dieses Produktionsmittels stellt
sich dar in der Grundrente: '"'Die Grundrente stellt
sich dar in einer bestimmten Geldsumme, die der
Grundeigentümer jährlich aus der Verpachtung eines
Stückes des Erdballs bezieht. Wir haben gesehen, wie
jede bestimmte Geldeinnahme kapitalisiert werden,
d.h. als der Zins eines imaginären Kapitals betrach-
tet werden kann... Es ist die so kapitalisierte Grund-
rente, die den Kaufpreis oder Wert des Bodens bildet,
eine Kategorie, die prima facie, ganz wie der Preis
der Arbeit irrational ist, da die Erde nicht das Pro-
dukt der Arbeit ist, also auch keinen Wert hat. Ande-
rerseits aber verbirgt sich hinter dieser irrationalen
Form ein wirkliches Produktionsverhältnis. Kauft ein
Kapitalist Grund und Boden, der eine jährliche Rente
von 200 Pfd. St. abwirft, für 4.000 Pfd.St., so be-
zieht er den durchschnittlichen jährlichen Zins zu 5 %
von 4.000 Pfd.St., ganz ebenso, wie wenn er dies
Kapital in zinstragenden Papieren angelegt oder es
direkt zu 5 % Zinsen ausgeliehen hätte. Es ist die
Verwertung eines Kapitals von 4.000 Pfd.St. zu
5%." (K. Marx, Kapital II, Berlin 1959, S. 672)
Die Grundrente bestimmt sich also nach dem Ertrag,
der aus einem bestimmten Stück Boden gezogen wer-
den kann. Je höher der Profit ist, der sich aus einer
bestimmten Form der Nutzung des Bodens ergibt,
desto höher ist die Rente. Da eine der intensivsten
Nutzungsformen die Bebauung des Bodens mit Miets-
häusern darstellt, wird die Rente in diesen Fällen
besonders hoch sein. Hinzu kommt, daß dieser Boden
besonders knapp und monopolisierbar ist, so daß mit
dieser Rente hohe Surplusprofite realisiert werden.
"Es zeichnet sich diese Rente aus, erstens durch den
überwiegenden Einfluß, den hier die Lage auf die Dif-
ferentialrente ausübt (sehr bedeutend z.B. beim
Weinbau und bei Bauplätzen in großen Städten); zwei-
tens durch die Handgreiflichkeit der gänzlichen Passi-
vität des Eigentümers, dessen Aktivität bloß darin
besteht... den Fortschritt der gesellschaftlichen Ent-
wicklung auszubeuten, zu dem er nichts beiträgt und
bei dem er nichts riskiert, wie doch der industrielle
Kapitalist tut, und endlich durch das Vorwiegen des
Monopolpreises in vielen Fällen, speziell der scham-
losesten Ausbeutung des Elends (denn das Elend ist
für die Hausrente eine ergiebigere Quelle als die Mi-
nen von Potosi je für Spanien waren) und die ungeheure
Macht, die dies Grundeigentum gibt, wenn es mit dem
industriellen Kapital in derselben Hand vereinigt, die-
ses befähigt, die Arbeiter im Kampf um den Arbeits-
lohn praktisch von der Erde als ihrem Wohnsitz auszu-
schließen. Ein Teil der Gesellschaft verlangt hier von
dem anderen einen Tribut für das Recht, die Erde
bewohnen zu dürfen, wie überhaupt im Grundeigentum
das Recht der Eigentümer eingeschlossen ist, den
Erdkörper, die Eingeweide der Erde, die Luft und
damit die Erhaltung und Entwicklung des Lebens zu
exploitieren.' (K. Marx, Kapital II, a.a.0., S. 823)
Die Grundrente wird so zu einem Bestandteil des Prei-
ses für die Ware Wohnung. Auch wenn, wie in der
Regel, Grundeigentümer und Hauseigentümer in einer
Person vereinigt sind, ist sie zu unterscheiden von
den übrigen Bestandteilen der Miete. ("Eine Verwechs-
lung zwischen der Hausmiete, soweit sie Zins und Amor-
tisation des im Haus angelegten Kapitals, und der
Rente für den bloßen Boden ist hier selbst bei Carey-
schen gutem nicht möglich.'' K. Marx, Kapital II,
a.a.0., S. 823 f.)
Auf die weiteren mit der Grundrente verbundenen
Probleme kann hier nicht im einzelnen eingegangen
werden; wir müssen uns zunächst mit der Feststellung
begnügen, daß die Grundrente in den Städten und den
neuen Industriezentren mit der Entfaltung des Kapi-
talismus ungeheure Ausmaße annahm, Das war zum
einen die Folge der '"'gesellschaftlichen Entwicklung
als Resultat der gesellschaftlichen Gesamtarbeit'' (K.
Marx, Kapital II, a.a.0., S. 687), zum anderen wur-
de dieser Prozeß dadurch beschleunigt bzw. erst in
Gang gesetzt, daß die staatliche Kontrolle und Preis-
begrenzung insbesondere für Bauland innerhalb der
Städte aufgehoben wurde. Damit wurde der Bodenspe-
kulation ein breites Betätigungsfeld eröffnet und ins-
besondere in den großen Metropolen wurde der Anteil
des Bodenpreises an den Gesamtkosten im Zusammen-
hang mit dem Mietskasernenbau immer größer; bereits
1870 betrug er in Berlin in der Regel 25 %. Mit der
Entwicklung der Massenverkehrsmittel konnten die
Städte sich räumlich stark erweitern; dadurch kam
wesentlich mehr Land für die Bebauung mit Mietshäu-
sern in Frage, so daß der Anteil der Grundrente in
den Vororten nicht mehr so hoch war. Heute beträgt
der Anteil der Bodenkosten an den Gesamtkosten z.B.
im sozialen Wohnungsbau in Westberlin ca. 10 %, aller-
dings mit stark steigender Tendenz, Berücksichtigt
muß dabei werden, daß die meisten dieser Wohnungen
weit außerhalb der eigentlichen Stadt auf freiem Feld
errichtet werden.
Der Gesamtumfang der Bodenspekulationsgewinne in
Westdeutschland nach dem zweiten Weltkrieg beträgt
weit über 100 Mrd. DM (vgl. dazu Werner Hofmann,
Bodeneigentum und Gesellschaft, in: Abschied vom
Bürgertum, Frankfurt 1970, S. 104) und entspricht
etwa der Größenordnung der Beträge, die im gleichen
Zeitraum vom Staat für den sozialen Wohnungsbau aus-
gegeben wurden. Die Bodenspekulation, die sich aller
Wahrscheinlichkeit auch weiterhin noch verstärken
wird, führt zu einer immer stärkeren Belastung der
Mieten mit der Grundrente, Dennoch bleibt zu be-
rücksichtigen, daß der Anteil der Grundrente an den
Baukosten im Durchschnitt aller Wohnungen in aller
Regel unter 10 % beträgt, so daß man nicht sagen
kann, die Ware Wohnung erhalte dadurch einen quali-
tativ anderen Charakter.
Der Verkauf "auf Raten'' und die säkulare Inflation
Ein weiteres Spezifikum der Ware Wohnung besteht
darin, daß sie nicht auf einmal konsumiert wird, son-
dern, daß sie, nachdem sie von dem Bauherrn auf dem
Markt gekauft wird, auf Jahrzehnte oder Jahrhunderte
benutzt werden kann. Der Mieter kauft dabei nicht die
Ware Wohnung, sondern ihren Gebrauch. Diese Be-
sonderheit ändert allerdings nichts daran, daß es sich
ARCH+ 3 (1970) H. 11