Full text: ARCH+ : Studienhefte für architekturbezogene Umweltforschung und -planung (1970, Jg. 3, H. 9-11)

Stephan Brandt 
ZUR DEMOKRATISIERUNG DES PLANUNGSPROZESSES 
Auszug aus einer Vertiefungsarbeit an der Architektur- 
abteilung der Universität Stuttgart (Oktober 1969) 
Teil A 
Teil B 
Die Demokratisierung des Planungsprozesses 
Beispiele der "Nutzerbeteiligung" am Pla- 
nungsprozeß 
(Citizen Participation und Advocacy Planning 
in den USA) 
Teil C 
Darstellung und Kritik des Rittelschen Pla- 
nungsmodells und des Rittel/Mussoschen 
Bewertungsverfahrens 
VORBEMERKUNGEN 
Der vorliegende Beitrag stellt einen Auszug aus einer 
Vertiefungsarbeit an der Architekturabteilung der Uni- 
versität Stuttgart dar, entstanden aus einer Entwurfsauf- 
gabe am Lehrstuhl Prof. Gutbrod. 
Meine Wahl des Vertiefungsentwurfes "Staatsgalerie 
Stuttgart" resultierte aus einem an den Berufsbildern des 
freien Architekten orientierten Selbstverständnis, das 
während der Bearbeitung zunehmender Verunsicherung 
und Veränderung unterworfen wurde. 
Zunächst wollte ich als Ansatz zu kommunikationstheo- 
retischer Repertoireforschung den projektierten Vertie- 
fungsentwurf in der an der Hochschule erlernten archi- 
tekturbezogenen "Spezialistensprache" darstellen, um 
die Aussagen dann mit Hilfe eines Films in eine dem 
späteren Nutzer verständliche "Sprache" zu übersetzen, 
mit dem Ziel, der von der Planung betroffenen Bevölke- 
rung in zunehmendem Maße autonome Entscheidungs- und 
Beurteilungskompetenz zu ermöglichen; kurz: die Demo- 
krotisierung des Planungsprozesses auf dem Wege einer 
von Habermas postulierten "Entschränkung der Kommuni- 
kation" auf der Ebene des institutionellen Rahmens der 
Öffentlichkeit. 
Mit zunehmender Vertiefung des Problems der Demokra- 
tisierung anhand von Diskussionen und Literaturstudium 
wurde mir jedoch bewußt, daß die projektierte "Über- 
setzung" einer in Ansätzen schon bearbeiteten Entwurfs- 
idee keinen Ansatz zur Demokratisierung des Planungs- 
prozesses darstellen kann: Die Erforschung des "Nutzer- 
repertoires", also seiner kommunikativen Fähigkeiten, 
mag zwar helfen, allein technische Entwurfsvorstellungen 
zu relativieren; es besteht jedoch die Gefahr, daß Ent- 
scheidungen über die Art der Befriedigung von Nutzer- 
bedürfnissen um so mehr im Bereich technologischer Sach- 
kompetenz monopolisiert werden, je perfekter die 
technischen Möglichkeiten zur Interpretation und Be- 
friedigung dieser Bedürfnisse zu seinscheinen. Das 
heißt: es kann die potentielle Möglichkeit geschaffen 
werden, den Demokratisierungsprozeß als werblichen 
"Persuasionsprozeß" mißzuverstehen. 
Nach dem Versuch, Kriterien für eine Demokratisierung 
des Planungsprozesses ausfindig zu machen (Teil A), war 
ich angesichts dieses Mißverständnisses bemüht, Ansätze 
zur unmittelbaren "Nutzerbeteiligung'" am Entwurfsprozeß 
zu finden , Dazu dient die Darstellung von Problemen 
und Projekten der citizen participation und advocacy 
planning in den USA (Teil B). 
Rittel knüpft mit seinem Planungsmodell, das er in einem 
Kurzseminar im Sommersemester an der Universität Stutt- 
gart vorstellte, an die Forderung nach "Nutzerbeteili- 
gung" am Planungsprozeß und an Vorstellung der advocacy 
planning an (Teil C). Daher schien mir dieses Planungs- 
modell zunächst ein möglicher, auf meinen Vertiefungs- 
entwurf übertragbarer Ansatz zur Demokratisierung des 
Planungsprozesses zu sein. 
Nach der Beschreibung emanzipationsfeindlicher Verselb- 
ständigungstendenzen der "positiven Planung" (Teil A) - 
und das wahrscheinlich sowohl auf der Grundlage einer 
neuen Handlungswissenschaft als auch vor dem Hinter- 
grund eines positivistischen Wissenschaftsbegriffs - wird 
unter Demokratisierung des Planungsprozesses verstanden 
daß für den am Planungsprozeß beteiligten und von der 
Planung betroffenen Bürger die Fähigkeit und die Mög- 
lichkeit der autonomen Verfügung über die den individuel- 
len Habitus bestimmenden Umweltfaktoren zum Prüfstein 
zweckrationalen Handelns gemacht werden. 
Ausgehend von dem kritischen Hinweis auf einen modell - 
immanenten Widerspruch innerhalb des von Rittel und 
Musso entworfenen Planungs- und Bewertungsmodells wird 
das erarbeitete Demokratieverständnis als Beurteilungs- 
kriterium zur Kritik des Rittelschen Planungsmodells 
herangezogen, und zwar ausschließlich hinsichtlich seines 
ARCH+ 3 (1970) H 9
	        
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