Full text: ARCH+ : Studienhefte für architekturbezogene Umweltforschung und -planung (1970, Jg. 3, H. 9-11)

demokratischen Gehalts. 
Eine differenzierte Darstellung möglicher Planungsmetho- 
den und -verfahren war nicht das Ziel dieser Arbeit. 
Mit den an dem Rittel/Mussoschen Planungsmodell 
exemplarifizierten Ansätzen zu einer Kritik der positiven 
Planung soll die Diskussion und kritische Analyse neuer 
Handlungswissenschaften in der Planung und Planeraus- 
bildung vorangetrieben werden. 
Es sei an dieser Stelle auf die intensive Zusammenarbeit 
mit G. Melville hingewiesen, dem ich wichtige Anre- 
gungen zu der vorliegenden Arbeit verdanke. 
Die dem Teil A vorangestellte Einführung von Chr. 
Feldtkeller hilft vielleicht, eine der vielen Lücken 
dieser Arbeit aufzufüllen. 
EINFÜHRUNG 
Faßt man den Begriff der Planung unabhängig davon, ob 
der Planträger Privatmann oder ein öffentliches Amt ist, 
nämlich ganz allgemein als konzeptionelles, meistens 
auch in Modellen repräsentiertes Vorwegnehmen von 
Handlungen, so gilt, daß Planung allen Individuen und 
allen Gesellschaftsordnungen eigen ist. Der Unterschied 
zwischen der liberalkapitalistischen und der monopol- 
kapitalistischen Phase der ökonomischen Entwicklung 
läßt sich unter anderem gerade durch die unterschied- 
liche Planträgerschaft charakterisieren. 
In der liberalkapitalistischen Phase sind die Planträger, 
deren Planung gesellschaftliche Auswirkungen hat, die 
Eigner von Kapital: von Finanzen, Produktionsmitteln 
und Grund und Boden; und die Planziele sind dadurch 
beschränkt, daß alle anderen Privatleute von der gesell- 
schaftlich relevanten Planung ausgeschlossen sind sowie 
dadurch, daß jeder Kapitalist einen mindestens ebenso 
hohen Profit machen muß wie seine Konkurrenten. Die 
Aufgabe des Staates bleibt darauf beschränkt, darüber 
zu wachen, daß die errungenen bürgerlichen "Freihei- 
ten" des gesellschaftlichen Verkehrs von jedermann 
respektiert werden. 
Je mehr nun im Übergang zur monopolkapitalistischen 
Phase die einzelnen Kapitalisten sich zu Kapitalgesell- 
schaften zusammenschließen, um gemeinsam der übrigen 
Konkurrenz besser gewachsen zu sein, je höher als Folge 
davon der gesellschaftliche Surplus (1) und je härter 
deshalb die Wirtschaftskrisen zu werden drohen, desto 
mehr müssen Planungsaufgaben vom Staat übernommen 
werden. Handelt es sich zunächst um die Kontrolle der 
"natürlichen" Monopole (2), der Versorgungsbetriebe und 
um gelegentliche Interventionen zur Investitionsförderung 
so erweitert sich die planerische Tätigkeit des Staates in 
Zusammenarbeit mit den kapitalistischen Gruppen all- 
mählich zu einer permanenten Wirtschaftsplanung. 
Die Entscheidungsfäller bei dieser konzertierten plane- 
rischen Tätigkeit sind das Management und ihre Bündnis- 
gruppen in der politischen Führung sowie in der staatli- 
chen Verwaltung. Die Planziele sind inhaltlich bestimmt, 
einmal durch das Interesse der größeren Kapitalgesell- 
schaften, höheren Profit zu machen als die kleinen, und 
zum anderen durch die Notwendigkeit der Sicherung der 
bestehenden Gesellschaftsstruktur überhaupt. 
Dies erfordert Maßnahmen zur Stabilisierung der Wirt- 
schaft, nämlich langfristige Möglichkeiten der Surplus- 
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absorption durch den Staat zu schaffen und gleichzeitig 
die beherrschte Klasse zu befriedigen ohne damit aber 
die Gesellschaftsstruktur zu gefährden. 
Dabei soll das Fehlen neuer epochaler Erfindungen, wie 
der Dampfmaschine, Eisenbahn und des Automobils, die 
immense Investitions- und Absatzmöglichkeiten schufen 
und (neben Rüstung und Kriegsführung) dazu beitrugen, 
Krisen zu vermeiden (3), in den USA offenbar durch 
Verlagerung der wirtschaftlichen Interessen auf die "Stadt" 
als neues Konsumgut wettgemacht werden (4). 
Die prinzipielle Irrationalität der kapitalistischen Pla- 
nung, gesamtgesellschaftlich betrachtet, bleibt auch in 
der monopolkapitalistischen Phase bestehen: die Planung 
bleibt im gesellschaftlichen Produktions- und Konsump- 
tionsprozeß auf Teilbereiche beschränkt, deren wirkliche 
Bedeutung erst außerhalb des geplanten Bereichs durch 
das "blinde Gesetz' des Marktes sich ergibt. 
Die oben skizzierte Entwicklung war in den USA - dort 
ergaben sich die Ansätze zur Demokratisierung, die im 
folgenden dargestellt sind - viel ausgeprägter als in der 
BRD. Hier konnte sich der Liberalismus nicht entsprechend 
entwickeln und es wurden die von der Feudalherrschaft 
überkommenen Planungsaufgaben vom Staat nicht in dem 
Maße abgebaut wie in den USA. Am bedeutensten ist in 
dieser Hinsicht vielleicht der Hinweis, daß die Steuerung 
der Bodennutzung durch die Bauleitplanung (zoning) in 
den USA bis zum Jahre 1926 als verfassungswidrig galt 
(5). 
Vor dem Hintergrund immer höher sich entwickelnder 
Produktivkräfte ergab sich das - noch ganz im Sinne der 
liberalen Ideologie begriffene - Problem der Demokrati- 
sierung der Planung und die Frage nach ihrem gegenwär- 
tigen politischen Charakter, und zwar aus der Tatsache, 
daß einerseits nicht mehr nur die Kapitalisten und Kapi- 
talgesellschaften, sondern auch die gewählten Repräsen- 
tanten der Gesamtgesellschaft - jedenfalls formal - als 
Planträger auftraten, daß aber andererseits die staatliche 
Planung nicht den gesamtgesellschaftlichen Bedürfnissen 
entsprach. 
Dabei kommt dem Selbstverständnis der als Fachleute im 
Planungsprozeß eingesetzten technischen Intelligenz zu- 
nehmende Bedeutung zu, insofern nämlich, als es von 
diesem Selbstverständnis abhängt, ob dem technischen 
Apparat, mit dem die Voraussetzungen für die Demokrati- 
sierung erst geschaffen wurden, eine Demokratisierung 
verhindernde Funktion eigentümlich wird oder nicht. 
Chr. F. 
Teil A DEMOKRATISIERUNG DES PLANUNGSPRO- 
ZESSES 
1. Planung und Öffentlichkeit 
Die Orts-, Regional- und Landesplanung sowie die Pla- 
nung aller öffentlichen Gebäude wie Schulen, Rathäuser, 
Museen sind Planungen der politischen Öffentlichkeit, 
d.h. die Öffentlichkeit steuerzahlender Bürger tritt als 
Planungs- und Bauträger auf. 
Der historische Entfremdungsprozeß des Nutzers von sei- 
nem der Nutzung dienenden Objekt und die Deligation 
existenzsichernder Planungs-, Versorgungs- und Erzie- 
hunasaufagaben des Bürgers an den Staat haben zu einem 
ARCH+ 3 (1970) H. 9
	        
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