Full text: ARCH+ : Studienhefte für architekturbezogene Umweltforschung und -planung (1970, Jg. 3, H. 9-11)

dingungen des Kapitalismus veränderte Krisenbewälti- 
gungsmechanismen in anderen gesellschaftlichen Berei- 
chen implizieren, eine Entwicklung, die sich in jüngster 
Zeit (für die Bundesrepublik) abzeichnet. Der zweite 
Bereich ist der umfassender Konzentrations- und Zentrali- 
sierungsbewegungen in Richtung weniger Großunterneh- 
men in engem Zusammenhang mit Finanzierungsgesell- 
schaften und staatlichen Finanzierungsträgern. In diesem 
Bereich zeichnet sich eine verschärfte Ausnutzung der 
Fortschrittlichen und weiterentwickelten Produktivkräfte 
ab, bei der rationalere Produktions- und Planungsmetho- 
den in immer komplexeren Problemstellungen der Baupla- 
nung, der Orts-, Regional- und Landesplanung und der 
Baukonstruktion zunehmend an Gewicht gewinnen und 
gewinnen werden. Die Industrialisierung der Bauproduk- 
tion im Bereich der Großunternehmen ist eine notwendige 
Folge des Kostendrucks und der Lohnentwicklung, die all- 
mählich den Bereich rückständiger Produktionsformen 
zurückdrängen. 
Das hat zur Folge, daß das private Architekturbüro mit 
dem generalistisch ausgebildeten Bürochef seine Funktion 
verliert, zugunsten des öffentlichen Dienstes, großer 
Architektur- und Planungsbetriebe und im Konzernver- 
band arbeitender Planungs- und Konstruktionsabteilungen 
Widerstände der standespolitischen Interessenvertretung 
und Berufsverbände (BDA, Architektenkammern etc.) 
werden diese Entwicklung nicht beeinträchtigen können. 
Die Ausbildungssituation an der Hochschule ist von die- 
sen Vorgängen entscheidend betroffen. Die Tätigkeits- 
arten und zu verarbeitende Fachinhalte im Bereich der 
Architekten-/Planerausbildung müssen diesen veränderten 
Bedingungen gerecht werden, auf die sie aus ihrer gesell- 
schaftlichen Position heraus keinen entscheidenden 
Einfluß haben. Eine Nevorientierung für die Organisation 
des Studienbetriebes muß sich daraus konstituieren. Ich 
sehe für die Architekten-/Planerausbildung zwei Haupt- 
kriterien für die Studientätigkeiten aus der Entwicklung 
der materiellen Produktion in der Bauwirtschaft abzulei- 
ten: Zunehmende Arbeitsteilung, die eine anwendungs- 
bezogene Spezialqualifikation intendiert, und komplexer 
sich entwickelnde Kooperations- und Planungsformen, die 
eine verbesserte Kommunikations- und Organisations- 
fähigkeit verlangen. Diese Hauptkriterien haben das in 
der Arbeit vorgestellte Konzept der Gruppenarbeit we- 
sentlich bestimmt. 
2.2 Entwicklung der Studienrichtung Architektur an der TU 
Stuttgart und ihre juristischen Grundlagen 
2.21 Gesetzliche Bestimmungen. Einfluß auf Studienplan 
und Prüfungsordnung 
Im folgenden soll dargestellt werden, welche Gesetze, 
Verordnungen und Bestimmungen unmittelbaren Einfluß 
auf die Studienbedingungen haben. Für die Praxis der 
Gruppenarbeit in der Studienrichtung Architektur in Stutt- 
gart gibt es dabei zwei Einflußbereiche, Prüfungsordnung 
und Studienordnung, die getrennt untersucht werden sol- 
len. Sie gelten jedoch nicht getrennt, da die Studienord- 
nung als gesetzlicher Bestandteil der Prüfungsordnung ge- 
sehen werden muß. 
1. Prüfungsordnung: Der allgemeine Rahmen für die 
Regelung der Diplomprüfungsordnung für die Architekten-/ 
Planerausbildung wird durch die "Allgemeinen Bestim- 
mungen für Diplomprüfungsordnungen" an den bundes- 
deutschen hohen Schulen gesetzt, die am 10.2.1970 vom 
Präsidium der westdeutschen Rektorenkonferenz beschlos- 
sen und am 12.3.1970 vom Plenum der ständigen Kon- 
ferenz der Kultusminister der Länder verabschiedet wor- 
den sind und die entsprechende Regelungen von 1966 
abgelöst haben. Diese allgemeinen Bestimmungen sind 
nicht spezifisch für eine besondere Studienrichtung, 
sondern gelten für alle akademischen Abschlüsse mit 
Diplom. Für die Architekten (Diplomingenieure) gilt 
darüber hinaus im besonderen die nach den allgemeinen 
Bestimmungen formulierte "Rahmenordnung für die Di- 
plomprüfung der Architekturfakultäten und -abteilungen" 
nach Beschluß der WRK vom 16.11.1967 und der KMK 
vom 6.6.1968. Beide Regelungen gelten für die Bundes- 
republik und Westberlin, sind also nach Maßgabe des 
Kulturförderalismus per se keine Gesetze. Sie müssen 
von den jeweiligen Kultusministerien der Länder per 
"Umwandlung" mit Gesetzcharakter versehen werden, 
um verbindlich zu sein. Im Fall Baden-Württemberg hat 
diese Umwandlung stattgefunden. Die Hochschulen des 
Landes müssen im Rahmen dieser beiden Regelungen 
"besondere Bestimmungen" für die Prüfungen aufstellen 
und kultusministeriell bestätigen lassen. In Stuttgart ist 
das mit der "Ordnung der Diplomprüfung für Architekten 
zum Wintersemester 1961/62 geschehen mit Bestätigung 
des Kultusministers vom 8.8.1961. Das Genehmigungs- 
verfahren für eine neue Diplomprüfungsordnung wird zur 
Zeit betrieben. 
2. Studienordnung: Die Studienordnung regelt den 
Ablauf, die Organisation und die Abfolge der einzelnen 
Studientätigkeiten und ist dadurch mit dem Aufbau der 
Hochschule, der Fachbereiche und der einzelnen Insti- 
tutionen verbunden. Gesetze, die diesen Aufbau be- 
stimmen, gewinnen damit unmittelbaren Einfluß auf die 
Studiensituation und die Gruppenarbeit. Hierbei wird 
der allgemeine Rahmen gegeben durch das "Hochschul- 
gesetz des Landes Baden-Württemberg", das am 1.4.68 
in Kraft getreten ist und das die Margen setzt, in denen 
sich die Verfassungen der einzelnen Hochschulen be- 
wegen müssen. Nach Paragraph 66 des Hochschulgesetzes 
wurde am 29.3.69 auf einer Sitzung der Grundordnungs- 
versammlung der Technischen Universität Stuttgart die 
"Grundordnung" (GO) verabschiedet und am 16.6.69 
vom Ministerrat des Landes genehmigt. Die GO gibt der 
Hochschule eine Rektoratsverfassung und gliedert sie 
nach dem Departmentsystem in Fachbereiche, die Studien- 
richtung Architektur in die Fachbereiche 1, 2 und 14 
("Baukonstruktion", "Bauplanung", "Orts-, Regional- 
und Landesplanung"). Sie regelt außerdem die Einrich- 
tung und Besetzung der akademischen Gremien, insbe- 
sondere der Studienkommission, der Prüfungskommissio- 
nen und setzt den Rahmen für die Verfassungen der ein- 
zelnen Institute in den Fachbereichen. Die Studienkom- 
mission verabschiedet nach GO kompetent die Studien- 
ordnung (Studienplan), die von der Fachbereichsversamm- 
lung bestätigt werden muß. 
Die hier nur in Schwerpunkten dargestellten Zusammen- 
hänge regeln die Studienbedingungen für die einzelnen 
Studenten. Die Darstellung sollte zeigen, daß für ab- 
weichende Regelungen an einzelnen Hochschulen nur ein 
relativ schmaler legaler Spielraum in diesem Gesetz- 
apparat zur Verfügung steht. Eine Konzeption für Grup- 
penarbeit wird diesen Spielraum nutzen müssen, zugleich 
aber seine Grenzen im konkreten Fall deutlich zu zeigen 
haben. 
ARCH+ 3 (1970) H. 11
	        

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