penarbeit für eine fortschrittliche Studienpraxis betont
worden. Es gibt dazu eine Vielzahl von Modellen und
Definitionsversuchen, von systemtheoretischen Aussagen,
von Aussagen unter dem Aspekt der Gruppendynamik,
unter Einschätzung didaktischer Vorstellungen und Not-
wendigkeiten, unter sozialwissenschaftlichen, gruppen-
psychologischen, ökologischen, organisationstechnischen
etc. Aspekten. Aus diesen Aspekten lassen sich eine Un-
zahl von Kriterien zur Gruppenarbeit entwickeln. Ein
kleinerer Teil davon, und das war schon komplex genug,
ist in die Praxis der Stuttgarter Versuche eingegangen.
Für eine allgemeine Beschreibung von Tätigkeiten unter
den Bedingungen der Gruppenarbeit ist es hier nur mög-
lich, diejenigen Kriterien zu verwenden, die in der
Praxis relativ allgemeine Verbindlichkeit gezeigt haben
und die auch bei den didaktischen Konzepten, auf die
wir uns stützen, im Mittelpunkt der Diskussion stehen:
die fortschreitende Arbeitsteiligkeit in der Produktion
impliziert auch arbeitsteilige Formen der Ausbildung (bis
hin zur arbeitsteiligen Kooperation zwischen Gruppen).
Arbeitsteiligkeit in der Problembehandlung ist eine Vo-
raussetzung für Interdisziplinarität, wenn nicht generali-
stisch oder fachborniert gearbeitet werden soll. Die ge-
meinsame Ebene von Aussagen verschiedener Disziplinen,
also bei inhomogener Qualifikationsstruktur in den Grup-
pen, kann im gemeinsamen Bezug auf ein praktisches
Problem gefunden werden: hier können die unterschiedli-
chen Aussagen (z.B. Fachaussagen) aufeinander bezogen
werden. Das bedeutet, daß die Arbeit in Gruppen pro-
jektbezogen sein müßte. Gruppenarbeit an sich schon,
insbesondere aber in Abhängigkeit von den zur Beschrei-
bung verwendeten Kriterien, erfordert ein sehr viel höheres
Maß an Organisation als Einzelarbeit. Organisation der
Gruppenarbeit, also auch Organisationsfähigkeit der
Gruppenmitglieder. Sie wird zu einem der Qualifikations-
ziele der Gruppenarbeit, dessen Kriterium der inhaltliche
Erfolg der Gruppenarbeit ist: Training der Organisations-
fähigkeit der Gruppenmitglieder durch Selbstorganisation
der Gruppenarbeit.
Es sind Probleme denkbar, deren Komplexität so groß ist,
daß die Arbeitsteilung innerhalb einer einzelnen Gruppe
nicht ausreicht, um generalistisches Arbeiten zu verhin-
dern, oder daß derartig viele unhinterfragte Arbeitshypo-
thesen aufgestellt werden müssen, daß eine Gruppe in die
Gefahr kommt, sich zu isolieren und illusionär zu arbei-
ten. Dem kann durch Zusammenarbeit mit anderen Grup-
pen begegnet werden,
Die im folgenden verwendeten Kriterien zur Beschreibung
der Gruppenarbeit sind also:
- Arbeitsteiligkeit
- Interdisziplinarität
- Projektbezug
- Selbstorganisation
- Zusammenarbeit mit anderen Gruppen.
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3.12 Benennung von Gruppentypen nach den genannten
Kriterien
Durch sukzessives Zusammenfügen dieser Kriterien lassen
sich einige Grundtypen von Gruppen nach ihren Tätig-
keiten beschreiben:
- Gruppenarbeit, auf die keines der genannten Kriterien
bezogen ist;
- selbstorganisierte Gruppenarbeit;
- selbstorganisierte Gruppenarbeit mit arbeitsteiligem
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Vorgehen;
- arbeitsteilig/interdisziplinäre Gruppenarbeit in
Selbstorganisation;
- projektbezogene Gruppenarbeit (arbeitsteilig/inter-
disziplinär, selbstorganisiert);
Gruppenarbeit in Zusammenarbeit mit anderen Grup-
pen (arbeitsteilig/interdisziplinär, projektbezogen,
selbstorganisiert).
Ich habe in der Systematik die Beschreibung von "Einzel-
arbeit" dazugenommen, um ein gelegentlich vorkommen-
des Mißverständnis ausräumen zu helfen. Es wird manch-
mal angenommen, Gruppenarbeit schließe individuelles
Arbeiten von Einzelpersonen aus. Es ist meiner Meinung
nach jedoch für die Arbeit in komplexen organisierten
Gruppen geradezu eine Grundvoraussetzung, daß die
Gruppenmitglieder individuelle Arbeit leisten können,
ich würde behaupten, daß sinnvolle individuelle Arbeit
durch Gruppenarbeit erst möglich wird. Wenn hier von
Einzelarbeit gesprochen wird, ist also individualistische
Arbeit gemeint, die nicht in Kooperation stattfindet.
Die folgende Darstellung von typischen Arbeitsweisen
in Gruppen soll zeigen, daß der Aussagewert der vor-
genannten Kriterien qualitativ davon abhängig ist, wel-
che und wie viele davon bei der Beschreibung von Arbeit
in Gruppen herangezogen werden. Zugleich wird damit
der Aussagenbereich bezeichnet, in dem sich die weite-
ren Differenzierungen zur Problematik der Gruppenarbeit
bewegen werden.
3.13 Beschreibung: Einzelarbeit und Gruppentypen
1. Einzelarbeit bedeutet, Kenntnisse individuell zu er-
werben, dazu Aussagen machen, anwenden auf indivi-
duelle Arbeits- und Aussagegebiete. Sie schließt nicht
aus, daß Spezialaussagen gemacht werden, die bezugs-
los zu anderen Spezialaussagen bleiben, andere Aussa-
gen nicht zur Kenntnis genommen werden, Kritik nicht
zur Kenntnis genommen wird, Aussagen von anderen
nicht in die eigene Arbeit eingehen, daß ohne Praxisbe-
zug gearbeitet wird, daß unproduktiver Wettbewerb mit
anderen Einzelarbeitern entsteht, daß mehrere zum glei-
chen Thema die gleichen Aussagen mit gleicher Konkret-
heit machen, daß in Abhängigkeit von einem vorgege-
benen Programm, von vorgegebenem Zeitplan, von vor-
gegebenen Methoden nach Anweisung gearbeitet werden
muß, daß Aussagen gemacht werden, die die Aussagen
anderer nicht ergänzen, sondern ausschließen, daß nur
fachbezogene Aussagen gemacht werden können, daß
vorwiegend rezeptiv gearbeitet wird, daß illusionär
gearbeitet wird.
2. Gruppenarbeit bedeutet dagegen zuerst nicht mehr,
als daß mehrere Personen zusammenarbeiten, d.h. Kennt-
nis individuell erwerben, Aussagen machen, von den
Aussagen der anderen Gruppenmitglieder Kenntnis neh-
men, deren Aussagen kritisieren, sich zu eigen machen,
auf ihre eigene Arbeit beziehen. Sie schließt nicht aus,
daß ohne Praxisbezug gearbeitet wird, daß konkurrie-
rend gearbeitet wird, daß zu allen Mitgliedern zu einem
gemeinsamen, komplexen Bereich gemeinsame, unkon-
krete Aussagen gemacht werden, daß die Gruppe in
einem vorgegebenen Programm, in vorgegebenem Zeit-
plan, mit vorgegebenen Methoden nach Anweisung ar-
beitet, daß die Gruppe eine homogene Qualifikations-
struktur aufweist, daß die Mitglieder der Gruppe Aus-
sagen machen, die sich nicht ergänzen, sondern aus-
schließen, daß Kritik von außerhalb nicht zur Kenntnis
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