läßt diese oft an der hier geforderten Arbeitsweise ver-
zweifeln (19). "
Die Resignation vor Erkenntnisfragen (Sinnfragen) wird
damit aus dem Bewußtsein gestrichen. Unter dem aus
den bestehenden Herrschaftsverhältnissen destillierten
"Handlungszwang" werden "Leistung", "Stabilität" und
"technischer Fortschritt" als gesellschaftliche
Werte verinnerlicht und erlangen normative
Eigengesetzlichkeit; sie werden einer allgemeinen und
öffentlichen Kommunikation als indiskutabel entzogen.
Mit dem Verweis der Ideologiekritik auf den historischen
Mißbrauch manipulierter Wertsetzungen kann ein techno-
kratischer Apparat, können Planer und Politiker in ihrem
Selbstverständnis jede politische Entscheidung mit dem
Hinweis auf Sachzwänge legitimieren. Denn Sachzwänge
sind einer hinterfragenden Kontrolle durch die Bürger
eines Staates schwer zugänglich. Der Leistungsbegriff
gilt dann als Synonym für Fortschritt, und zwar für einen
autonomen technisch-wissenschaftlichen Fortschritt, der
den ihm unterlegten herrschaftsimmanenten Leistungsbe-
griff zunehmend verdeckt:
"Die immanente Gesetzlichkeit dieses Fortschrittes
scheint die Sachzwänge zu produzieren, denen eine
funktionalen Bedürfnissen gehorchende Politik folgen
muß. Wenn sich dieser Schein aber wirksam festgesetzt
hat, dann kann der propagandistische Hinweis auf die
Rolle von Technik und Wissenschaft erklären und legi-
timieren, warum in modernen Gesellschaften ein demo-
kratischer Willensbildungsprozeß über praktische Fragen
seine Funktionen verlieren und durch plebiszitäre Ent-
scheidungen über alternative Führungsgarnituren des
Verwaltungspersonals ersetzt werden muß (20). "
Vor diesem Hintergrund erhält der Glaube Alexanders
an die normative Kraft des Faktischen seine besondere
Brisanz. (Er sei deshalb noch einmal zitiert): Der Ent-
wurfsvorgang wird so definiert, daß "die Richtigkeit
oder Falschheit eines Objekts eine Frage der Fakten,
nicht der Wertung ist" .
Wenn sich der Fortschritt von Wissenschaft und Technik
derart verselbständigt, dann wird er gemäß den Exploi-
tationsbedürfnissen der herrschenden Klasse auf die
Zielrichtung seiner "immanenten Gesetzlichkeit" kana-
lisiert. Dann kann ein technokratischer Verwaltungs-
apparat als "Konfliktvermeidungsmaschine" die Regelung
und Steuerung gesellschaftlicher Prozesse usurpieren und
die Stabilität der bestehenden Verhältnisse "sichern".
"Das Modell, nach dem eine planmäßige Rekonstruktion
der Gesellschaft sich vollziehen soll, ist der Systemfor-
schung entnommen. Es ist im Prinzip möglich, einzelne
Unternehmungen und Organisationen, aber auch politi-
sche oder wirtschaftliche Teilsysteme und Gesellschafts-
systeme im ganzen nach dem Muster selbstgeregelter
Systeme aufzufassen und zu analysieren. ...Wenn man
dieser Intention einer instinktanalogen Selbststabilisie-
rung gesellschaftlicher Systeme folgt, ergibt sich die
eigentümliche Perspektive, daß die Struktur des einen
der beiden Handlungstypen, nämlich der Funktionskreis
zweckrationalen Handelns, nicht nur gegenüber dem
institutionellen Zusammenhang ein Übergewicht erhält,
sondern kommunikatives Handeln nach und nach als
solches absorbiert. ... Der Mensch kann nicht nur, soweit
er homo faber ist, zum ersten Mal vollständig sich
selbst objektivieren und den in seinen Produkten ver-
selbständigten Leistungen gegenübertreten, er kann, als
homo fabricatus, seinen technischen Anlagen auch
selber integriert werden, wenn es gelingt, die Struktur
zweckrationalen Handelns auf die Ebene der Gesellschaft
abzubilden (21). "
Habermas unterschlägt allerdings in dieser Darstellung
den klassenspezifischen Integrationswillen der Herrschen-
den!
Die fortgeschrittenste Stufe des technokratischen Modells
und zugleich die fortgeschrittenste Stufe ideologiekri-
tischen Fatalismus’ ist dann die Darstellung der totalen
Systematisierung gesellschaftlicher Zustände. Wertungen
werden "neutralen" Instrumenten überlassen, die selbst-
tätig neue Zielsetzungen aus den bestehenden Verhält-
nissen extrapolieren und diese als Sollwerte für die
Steuerung und Regelung gesellschaftlicher Prozesse
etablieren und variieren. Die Utopie einer technokrati-
schen Herrschaft sei noch mit dem Hinweis auf eine zu-
nehmende Perfektionierung der Techniken der Verhaltens-
kontrollen, der genetischen Steuerung und der Anwendung
und Wirkung never Drogen vervollständigt.
Diese Darstellung sollte dazu dienen, den ungeheuer er-
weiterten Bereich technischer Verfügungsgewalt abzu-
stecken und möglicherweise eine Sensibilität wachzuru-
fen für die Forderung nach einer Demokratisierung des
Planungsprozesses.
Bevor ich jedoch näher eingehe auf das, was Demokrati-
sierung bedeutet bzw. Bedeuten soll, werde ich noch
einige Aspekte zur Erläuterung des "Systems kommuni-
kativen Handelns" anhand der politischen Funktion der
Öffentlichkeit im sozialen Rechtsstaat der Bundesrepublik
aufzeigen.
1.3 Zum "pragmatischen Modell"
An dieser Stelle sei noch kurz auf das "pragmatische
Modell" der Gesellschaft eingegangen, das sich zwischen
den oben erwähnten dezisionistischen und technokrati-
schen Modellen als ein die politischen Landschaften
westlicher Demokratien kennzeichnendes etabliert hat
Rapaport weist darauf hin, daß der ideologiekritische
Pragmatiker behaupte, "Politik habe nach den Regeln
eines Marktes zu verfahren, wo die Wählerstimmen die
Rolle des Geldes spielen; was du mit ihnen kaufst:
Arbeitsplätze, Verträge, Subventionen, Gesetze, Kan-
didaten nach eigener Wahl, das ist das, was Politik dir
verschafft" (22).
Der Pragmatismus geht von der Hypothese aus: "Verstän-
digung ist möglich", die sich als richtig erweist, wenn,
wie Rapaport ironisch feststellt, "...eine genügend
große Anzahl einflußreicher Leute an sie glaubt".
Denn ohne Garantie sozialer Chancengleichheit werden
Konflikte zugunsten derjenigen gelöst, die im "pragma-
tischen Modell" das bessere Argument, und das heißt im
Lichte (wertneutraler) Ideologiekritik: die Macht haben.
Für Habermas und Rittel ist das pragmatische Modell als
einziges geeignet, so etwas wie Öffentlichkeit wieder-
herzustellen, denn der "...rückgekoppelte Kommunika-
tionsprozeß" zwischen Sachverständigen und politischen
Instanzen "ist an dem festgemacht, was Dewey die
value beliefs nannte, eben an einem historisch be-
stimmten Vorverständnis des in konkreter Lage praktisch
Notwendigen. Dieses Vorverständnis ist nur hermeneu-
tisch aufzuklärendes Bewußtsein, das sich im Miteinan-
ARCH+ 3 (1970) H. 9