Im Unterschied zur Industriewerbung ist das Ziel pla-
nungsbehördlicher Werbekampagnen nicht die materiale
Verkäuflichkeit von Produkten, sondern vielmehr die
(meist nachträgliche) Legitimierung von Planungsent-
scheidungen durch die Öffentlichkeit. Die Erfüllung des
Planerwunsches nach gesellschaftlichem placet mit Hilfe
persuasiver Werbekampagnen kann nur undemokratisch er-
folgen; denn Werbung reduziert auf Signale, "die weniger
Reflexion als Handeln hervorrufen" (29).
Der Hinweis von Haseloff, daß die Persuasionswirkung
aufgrund der "hochkomplexen psychologischen und so-
zialen Bedingungen" der Empfänger sehr begrenzt sei
und daß die Lösung von Kommunikations- und Persuasions-
aufgaben "... mit Hilfe der psychologisch-pragmatischen
Semantik. . .nicht Manipulation (ist), sondern Vorbe-
dingung der Kontrollierbarkeit des Kommunikators durch
den Kommunikanten" (30), erweist sich als Scheinargu-
ment: indem nämlich im gleichen Zusammenhang (Aufsatz)
darauf hingewiesen wird, daß die effektivsten Persua-
sionsinstrumente (z.B. Film) zugleich auch die teuersten
sind, bleiben diese an die herrschenden ökonomischen
Machtmonopole gebunden.
1.5 Psychologische Aspekte zur Öffentlichkeit
Wenn der Hinweis auf moderne Persuasionstechniken
schon das Problem der Manipulierbarkeit gesellschaftli-
cher Bedürfnisse anriß, so erfährt das "technokratische
Modell" unter dem Aspekt der psychologisch steuerbaren
"Entpolitisierung des Bewußtseins" eine besondere Bri-
sanz:
Horn weist darauf hin, daß durch eine zunehmende
Bürokratisierung die verwalteten Individuen in "verding-
lichte Abhängigkeit" geraten, daß deren "praktisches
Erkenntnisinteresse" einfriere.
Der Anpassungsvorgang an die "Technifizierung der so-
zialen Bedingungen" führe zum ichfremden Handeln
(31).
Diese "passive Anpassung" (32) kann in einer entpoliti-
sierten Gesellschaft mit Hilfe der wissenschaftlichen
Erforschung der Möglichkeiten der Verhaltenskontrollen
und -manipulationen in zunehmendem Maße gesteuert
werden, wobei ",.. das Verhalten der Psyche, Unbe-
wußtem und Unterbewußtsein erfolgreich erschlossen
wird und die Ergebnisse für kommerzielle und politische
Zwecke ausgewertet werden" (33); - und zwar in der Art,
daß nur solche Bedürfnisse geweckt (manipuliert) werden,
die nach Maßgabe der bestehenden ökonomischen und
politischen Verhältnisse auch technisch befriedigbar
sind.
Es sei hier darauf hingewiesen, daß dieser Umstand vor
allem im Bereich der Architektur und Stadtplanung be-
deutsam ist: Der Grad der Identifizierung der
Nutzer mit dem der Nutzung dienenden Objekt der
gebauten Umwelt beschreibt den Erfolg einer Planung. So
ist das Ziel jeder Planungsmaßnahme und deren Materia-
lisierung die größtmögliche Identifikation Nutzer-Ob-
jekt, freilich nur im Rahmen optimaler Profitmaximierung
Mitscherlich hat darauf hingewiesen, welche nevurotisie-
renden Folgen die repressive Gleichsetzung von "Be-
darfsdeckung" und "Bedürfnisbefriedigung" auf das
Selbstverständnis der Verplanten vor allem im Sozialen
Wohnungsbau schon erkennen läßt (34), wenn auch seine
liberalen Lösunasversuche (siehe G. Kohlmaier in diesem
ARCH+ 3 (1970) H. 9
Heft) durchaus systemstabilisierende Funktion erlangen
können.
Ein wesentliches Identifizierungsmerkmal einer Gesell-
schaft oder einer bestimmten Gruppe ist das gemeinsame
"Ich-Ideal", wie z.B. in der christlichen Gemeinde,
nach Freud "einer Gruppe von Menschen, die eine
Idealfigur-Christus an die Stelle ihres Ich-Ideals gesetzt
haben, für die sich aus dieser gleichartigen Einsetzung
einer Leitfigur die bindende Gemeinsamkeit ergibt" (35)
Auch Marcuse weist darauf hin, daß in der modernen
Industriegesellschaft die Steuerung und Kontrolle der
Psyche die "Aussöhnung" des einzelnen mit der ihm von
der Gesellschaft aufgezwungenen Lebensform zum Ziel
hat. Diese Aussöhnung erfordert zusätzliche Repression,
zusätzlich zu der Repression, der das Individuum auch
im Prozeß der aktiven Anpassung ausgesetzt sei. Daher
müsse, so Marcuse, eine "libidinöse Vermittlung der
Ware erreicht werden, die das Individuum kaufen oder
verkaufen soll, der Dienstleistungen, die es benutzen oder
erbringen soll, der Kandidaten, die es wählen soll -
eine zwingende Notwendigkeit, denn von der ununter-
brochenen Produktion und Konsumierung dieser Waren
hängt die Existenz der Gesellschaft ab. Mit anderen
Worten: die sozialen und politischen Bedürfnisse müssen
sich in individuelle triebmäßige Bedürfnisse verwandeln
(36)."'
Für die Bedürfnisbefriedigung in der fortgeschritten indu-
striellen Gesellschaft ist nach Horn eine äußerst geringe
Unlusttoleranz im Verhalten der Konsumenten charakteri-
stisch. Angst und Unsicherheit seien die Gründe, warum
die Subjekte politische Apatie, die Unterwerfung unter
eine technische Verwaltung der Reflexion über politische
Alternativlösungen vorziehen, "wozu größere, mit Unlust
verbundene synthetische Ichleistungen" - im Sinne der
aktiven Anpassung - "notwendig wären" (37).
2. Die Demokratisierung des Planungspro-
zesses
Warum Demokratisierung? Wenn man einem Verfechter
des technokratischen Modells mit dem oben dargestellten
Hinweis auf die Eigengesetzlichkeit einer utopischen
"Konfliktvermeidungsmaschine" nicht von vornherein
Zynismus unterstellt, dann ist es sinnvoll, die Notwen-
digkeit einer Demokratisierung antithetisch zu entwik-
keln.
Dabei entsteht scheinbar das Dilemma, gegen eine wert-
freie (oder wertneutrale) wissenschaftliche Theorie wert-
setzend - und damit auf einer anderen Ebene, nämlich
auf der der ideologischen Spekulation - zu argumentieren.
Wenn im "technokratischen Modell" "die Entscheidung
praktischer Fragen als eine Wahl in Situationen der Un-
sicherheit" (Habermas) rationalisiert wird, und zwar mit
Hilfe optimaler Optimierungsstrategien und Steuerungs-
vorschriften, so liegen doch den vermeintlichen Sach-
zwängen verinnerlichte Wertsetzungen und Normen
zugrunde; zumal jede "rationale" Planung selbst aus einer
Folge von Entscheidungen besteht, deren Rationalisierung
im einzelnen nicht für notwendig bzw. für zu aufwendig
erachtet wird. Wenn keine wertneutrale Handlungswis-
senschaft denkbar ist, kann gegen das "technokratische
Modell" sehr wohl auf der Ebene der ideologischen
Spekulation araumentiert werden.
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