Full text: ARCH+ : Studienhefte für architekturbezogene Umweltforschung und -planung (1970, Jg. 3, H. 9-11)

pation strategies: "education-therapy, behavioral 
change, staff supplement, cooptation and community 
power", 
"Die Relevanz einer Strategie hängt einmal ab von der 
Möglichkeit einer Organisation, die notwendigen An- 
forderungen an die Effektivität einer Strategie zu er- 
füllen, und zum anderen von ihrer Anpassungsfähigkeit 
an die jeweiligen Gegebenheiten der Umwelt (43). "' 
1.11 Education-Therapie-Strategy (ausbildungsbezogene 
Strategie) 
Dieser Strategie liegt ein didaktisches Verständnis von 
Partizipation zugrunde: citizen participation wird als 
ein Mittel zum "citizenship training" verstanden, um 
die Einsicht der Bürger in die Notwendigkeit koopera- 
tiven Handelns zur Lösung von Problemen, die die Öf- 
fentlichkeit betreffen, zu evozieren. 
Die krasseste Form dieser Strategie liegt in der thera- 
peutischen Behandlung einzelner zur Förderung koopera- 
tiven Verhaltens, z.B. im Rahmen fürsorgerischer Re- 
sozialisierungsprogramme . 
Burke erläutert, daß ausbildungsbezogene Strategien 
immer wieder an dem Unvermögen gescheitert seien, 
funktionstüchtige Organisationen zu bilden: manstellte 
fest, daß die Bevölkerung sich durch lautere Bildungsab- 
sichten offenbar schwer zur Zusammenarbeit bewegen 
läßt, zumal wenn ihr, ähnlich einem Lehrer-Schüler- 
Verhältnis, "Sachverstand" nicht zugebilligt werde und 
die Beteiligten sich daher im permanenten Zustand des 
Faktenlernens befänden. 
1.12 Behavioral Change Strategy (Strategie der Verhal- 
tensänderung) 
Diese Strategie basiert auf der Gruppenmitbeteiligung 
(group participation). Die Änderung gesellschaftlicher 
Systeme kann nach Burke erreicht werden: 
1) indem man den Zustand der Elemente eines Systems 
oder Subsystems, d.h. das Verhalten der Gruppen- 
mitglieder verändert und/oder 
2) indem man die äußeren Einflüsse auf das System än- 
dert (die inputs einer black box manipuliert). 
Nicht nur die Ziele, die sich eine Gruppe setzt, sind 
veränderbar, sondern auch die Gruppe selbst. Daher 
resultiert die Anwendbarkeit dieser sozialtechnischen 
Strategie aus folgenden Erkenntnissen: 
1) Verhaltensänderungen von Individuen lassen sich 
leichter als Folge von Verhaltensänderungen der 
Gruppe bewirken als bei ungebundenen Personen. 
Im Gegensatz zur education-therapy-strategy geht 
diese Strategie von der Erkenntnis aus, daß die Öf- 
fentlichkeit eher geneigt sei, Entscheidungen zu 
unterstützen, wenn sie am Problemfindungsprozeß 
(an der Artikulation notwendiger Zustandsänderungen) 
aktiv beteiligt war. 
7) 
Burke sieht vor allem zwei Hauptschwierigkeiten bei der 
Anwendung dieser Strategie: 
1) Die Planer verbringen ihre Zeit "nur" noch damit, 
gruppenpolitisch zu agieren und zu beraten. 
2) Die Gruppen selbst bestehen letztlich doch wieder 
aus Repräsentanten, da die Großgruppe ’ Gesellschaft” 
nicht arbeitsfähig sei. 
1.13 Staff Supplement Strategy (Strategie der Zusammen- 
setzung der Teilnehmer) 
Diese Strategie basiert auf der freiwilligen Mitarbeit 
einzelner oder der ganzen Bevölkerung. Sie findet die 
häufigste Anwendung bei Wohlfahrtsinstituten: Die Or- 
ganisation selbst wird nicht in Frage gestellt; bei den 
Mitgliedern wird vielmehr die Übereinstimmung mit den 
Zielen der Organisation vorausgesetzt. Diese stellen sich 
in den Dienst der guten Sache’ . Entscheidungskompe- 
tenzen liegen allein bei den Fachleuten, während die 
freiwilligen Mitarbeiter lediglich als good-will-Fußvolk 
fungieren. 
Burke weist darauf hin, daß die staff supplement strategy 
für eine autonome Mitbestimmung der Bevölkerung nur als 
"Zusatzstrategie"(!) anwendbar sei, die als "Hauptstra- 
tegie" den Technokraten offenbar als zu entschleiernd 
dreist reaktionär erscheint. 
1.14 Cooptation (Kooptation) 
"(This) citizen participation practice is to involve citizens 
in an organization in order to prevent anticipated ob- 
structionism." (S. 291) 
Burke unterscheidet "informal'" und "formal cooptation", 
1) Informal cooptation: Das Zusammenführen unterschied- 
lich motivierter Gruppen und Individuen zum Zweck 
des möglichst reibungstosen Interessenausgleichs. 
Formal cooptation: Überzeugungskräftige Personen 
werden im Sinne von Sekundärsendern (vor allem 
Geistliche) ohne wesentliches Mitspracherecht in eine 
Organisation integriert, 
Burke weist darauf hin, daß die Bürger sich nur sehr wi- 
derwillig zu Sanktionierungsagenten (sanctioning agents) 
im Sinne der formal cooptation degradieren lassen, daß 
also der sozialtechnische Charakter dieser Strategie zu 
leicht entlarvbar sei. 
1.15 Community Power Strategy (CPS) (Strategie gesell- 
schaftlicher Machtkämpfe) 
"Power may be defined as the ability to exercise one’s 
will even over the opposition of others." (S. 292) 
Es gibt nach Burke zwei Möglichkeiten, gesellschaftliche 
Machtverhältnisse für das Erreichen von Planungszielen 
auszunutzen: 
1) Integration gesellschaftlicher Kräfte in bestehende 
Organisationen, um sie zum politischen Kampf um 
die Inhalte der Organisationen einzusetzen (ähnlich 
informal cooptation und staff supplement): 
Die Forderungen der Gesellschaft bzw. bestimmter 
Gruppen werden von den Planungsbehörden oder ge- 
sellschaftlichen Organisationen anerkannt, aber nicht 
ihre Lösungsvorstellungen . 
Gesellschaftliche Veränderungen werden durch gesteuer- 
te Machtkämpfe gesellschaftlich-politischer Zentren er- 
reicht. Dazu lassen sich Organisationen zu Machtzentren 
ausbilden, die weniger durch Zielvorstellungen charakte- 
risiert sind, wie "Kontrolle der Eigentumsverhältnisse" 
und "Kontrolle staatlicher Institutionen", sondern deren 
Macht allein auf ihrer Größe und sozialen Zusammen- 
setzung beruht. Die Konfliktstrategie (conflict strategy, 
bei Burke synonym verwendet für CPS) eigne sich am 
besten für Organisationen, deren Ziel es ist, Grundkon- 
ARCH+ 3 (1970) H. 9
	        
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