Full text: ARCH+ : Studienhefte für architekturbezogene Umweltforschung und -planung (1970, Jg. 3, H. 9-11)

Als Mitglied der UPA (Urban Planning Aid) sah Peattie 
große Schwierigkeiten beim Auffinden vor allem solcheı 
Probleme und Bedürfnisse, die die advocate planner in 
einen "Gemeinschaftsplan'" überführen sollten. Beson- 
ders bei den Unterprivilegierten sei ein generelles Des- 
interesse an Planungsproblemen spürbar. Dieses Interesse 
sei vor allem deshalb so gering, weil die Probleme der 
Stadterneuerung den Unterprivilegierten weniger dringend 
erscheinen, zumal mit besseren Häusern die Mieten und 
damit die Einkünfte der Mittelklasse stiegen. Gesell- 
schaftliche Zielsetzungen werden von der Mittelklasse 
bestimmt, die auf deren Profitmaximierung ausgerichtet 
seien. Das Gewinnstreben der armen Bevölkerung, wie 
Peattie nachweist, ist häufig an anderen Objekten 
orientiert, wie der Sicherung des Arbeitsplatzes statt 
Hausbesitz. Die Werte der Gesellschaft seien diejenigen 
der Mittelklasse und Partizipation erfülle sich im Er- 
reichen dieser Werte und Zielsetzungen, so daß die 
Armen viel weniger "selbstbestimmungsfähig" seien und 
sich auch so begreifen würden. 
2. Zwei Projekte der citizen participation 
Als Ergänzung zu den zitierten Darstellungen der citizen 
participation und advocacy planning soll noch kurz von 
zwei amerikanischen Beispielen empirischer Ansätze der 
Partizipation berichtet werden: 
Das erste Beispiel, ein Sanierungsprojekt in Boston 
South-End, ist dem Bericht von H.H. Hyman (47) ent- 
nommen. Das zweite Beispiel, die Bart-Studie (Bay Area 
Rapid Transit-Oakland), stützt sich auf einen Bericht 
von Rittel während seines Seminars im SS 1969 an der 
Uni Stuttaart. 
2.1 "Planning with Citizens: Two Styles" (Hyman) 
Es handelt sich hier um den Vergleich von zwei Arbeits- 
methoden, die von zwei verschiedenen Planungsteams 
(PT I und PT II) an einem Sanierungsprojekt in Boston 
durchgeführt wurden. 
Hyman bezeichnet die Modelle als "power elite model" 
(PT I) und "pluralistic model" (PT II). Ein Vergleich der 
unterschiedlichen Methoden biete sich an, da der Pla- 
nungsvorschlag des PT | (power elite model) von der 
Bevölkerung abgelehnt wurde und daraufhin das PT II in 
den Jahren 1964/65 mit denselben "citizen groups" 
einen neuen Plan verfaßte (pluralistic model). 
Das Gebiet der "South End Urban Renewal Area" umfaßt 
eine etwa 1 qkm große "Nachbarschaftseinheit" mit 
rückläufiger Bevölkerungsentwicklung (vor allem der 
weißen Einwohnerschaft). Obwohl alle äußeren Anzei- 
chen das Gebiet als Slum auswiesen (Statistik), fühlten 
sich die letzten Alteingesessenen (Stable Elements) nicht 
als Slumbewohner . 
1961 beauftragte die "Boston Redevelopment Authority" 
(BRA) das PT | "to work with people". 
Hyman vergleicht das PT I mit dem nachfolgenden PT II 
anhand von vier Unterscheidungsmerkmalen: 
1) Planungsabsichten (planning orientation) 
2) Einbeziehung (Zusammenarbeit mit) der Bevölkerung 
(involvement with citizens) 
3) Das Verhältnis der Planungsteams zur zentralen Be- 
hörde (relationship to central office) 
4) Der Einfluß der Bürger auf die Planung (uses of 
influence) 
Zu 1) Planning Orientation: 
Der Leiter des PT I war als "community organization 
social worker" ausgebildet: 
"Traditionally the role of the community organizer has 
been to serve as an /enabler’ or catalytic agent." 
In diesem Sinne verstand sich sein Team als der "commu- 
nity power elite" unterstellt. Im Auftrag der BRA fertigte 
ein Architekt einen detaillierten Plan an, der starke 
Fixierungen (Standort der Nutzungen und formale Ge- 
staltung projektierter Gebäude) aufwies. 
Der Leiter des PT Il war Städteplaner an einer Universi- 
tät, "where the pluralistic model of power as developped 
by Banfield, Dahl and Polsby was emphasized'. Er trug 
mit dazu bei, einen groben Rahmenplan aufzustellen, 
dessen Konzeption flexibel genug war, um Vorstellungen 
aus der Bevölkerung aufzunehmen. 
Während das PT I den architektonischen Entwurf in den 
Vordergrund stellte, kümmerte sich das PT II um die 
"politische Angemessenheit" und "Verkaufbarkeit" ihrer 
Planvorschläge. PT | war überzeugt, daß es die Herr- 
schenden (power elite) zu überzeugen galt, die dann 
ihrerseits über die Realisierung des Plans zu verfügen 
hätten. 
Zu 2) Involvement with Citizens: 
Zur Untersuchung des Sanierungsgebietes wurden zehn 
Bevölkerungsgruppen in "communitywide" und "neigh- 
bourhoodbased" unterschieden. PT I befaßte sich vor 
allem mit den "communitywide bodies'", während PT II 
- auch angesichts der schlechten Erfahrungen von PT I - 
vornehmlich mit den "neighbourhood-based bodies" 
zusammenarbeitete. Da die Nachbarschaftsgruppen sich 
von den Entscheidungen des PT I übergangen fühlte, 
wurde diesem nach mehreren Auseinandersetzungen der 
Auftrag wieder entzogen. 
Das Planungsteam Il versuchte nun, die aufgrund der 
Erfahrungen mit PT I hervorgerufene Skepsis der Einwoh- 
ner von Boston South End dadurch abzubauen, daß den 
einzelnen Nachbarschaftsgruppen jeweils genug Mitar- 
beiter als Berater zugeteilt wurden. Nach ca. 150 öf- 
fentlichen Diskussionen, in denen die einzelnen Gruppen 
ihre Vorstellungen, unterstützt von den Beratern des PT 
Il, artikulierten, wurde der Rahmenplan stark modifiziert 
angenommen . 
"The planning concept and votes gained or lost were the 
chief criteria that determined positions taken by PT 11." 
Die ausführlichen Diskussionen, Abstimmungsverfahren 
und deren Ergebnisse wurden von Teammitgliedern als 
"no planning at all" bezeichnet, weil dem Plan kein 
einigender Entwurf (unified design) zugrunde liege und 
die Teilnahme der Bevölkerung ändernd und verbessernd 
gewirkt habe 
Zu 3) Relationship to Central Office: 
Das PT I hatte sich in eine starke, selbstgewählte Ab- 
hängigkeit von der behördlichen Autorität begeben, so 
daß der Bevölkerung gegenüber keine selbständige Posi- 
tion vertreten werden konnte. Außerdem waren aufgrund 
zu sporadisch stattfindender Teambesprechungen die 
ARCH+3 (1970 H. 9
	        
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