Als Mitglied der UPA (Urban Planning Aid) sah Peattie
große Schwierigkeiten beim Auffinden vor allem solcheı
Probleme und Bedürfnisse, die die advocate planner in
einen "Gemeinschaftsplan'" überführen sollten. Beson-
ders bei den Unterprivilegierten sei ein generelles Des-
interesse an Planungsproblemen spürbar. Dieses Interesse
sei vor allem deshalb so gering, weil die Probleme der
Stadterneuerung den Unterprivilegierten weniger dringend
erscheinen, zumal mit besseren Häusern die Mieten und
damit die Einkünfte der Mittelklasse stiegen. Gesell-
schaftliche Zielsetzungen werden von der Mittelklasse
bestimmt, die auf deren Profitmaximierung ausgerichtet
seien. Das Gewinnstreben der armen Bevölkerung, wie
Peattie nachweist, ist häufig an anderen Objekten
orientiert, wie der Sicherung des Arbeitsplatzes statt
Hausbesitz. Die Werte der Gesellschaft seien diejenigen
der Mittelklasse und Partizipation erfülle sich im Er-
reichen dieser Werte und Zielsetzungen, so daß die
Armen viel weniger "selbstbestimmungsfähig" seien und
sich auch so begreifen würden.
2. Zwei Projekte der citizen participation
Als Ergänzung zu den zitierten Darstellungen der citizen
participation und advocacy planning soll noch kurz von
zwei amerikanischen Beispielen empirischer Ansätze der
Partizipation berichtet werden:
Das erste Beispiel, ein Sanierungsprojekt in Boston
South-End, ist dem Bericht von H.H. Hyman (47) ent-
nommen. Das zweite Beispiel, die Bart-Studie (Bay Area
Rapid Transit-Oakland), stützt sich auf einen Bericht
von Rittel während seines Seminars im SS 1969 an der
Uni Stuttaart.
2.1 "Planning with Citizens: Two Styles" (Hyman)
Es handelt sich hier um den Vergleich von zwei Arbeits-
methoden, die von zwei verschiedenen Planungsteams
(PT I und PT II) an einem Sanierungsprojekt in Boston
durchgeführt wurden.
Hyman bezeichnet die Modelle als "power elite model"
(PT I) und "pluralistic model" (PT II). Ein Vergleich der
unterschiedlichen Methoden biete sich an, da der Pla-
nungsvorschlag des PT | (power elite model) von der
Bevölkerung abgelehnt wurde und daraufhin das PT II in
den Jahren 1964/65 mit denselben "citizen groups"
einen neuen Plan verfaßte (pluralistic model).
Das Gebiet der "South End Urban Renewal Area" umfaßt
eine etwa 1 qkm große "Nachbarschaftseinheit" mit
rückläufiger Bevölkerungsentwicklung (vor allem der
weißen Einwohnerschaft). Obwohl alle äußeren Anzei-
chen das Gebiet als Slum auswiesen (Statistik), fühlten
sich die letzten Alteingesessenen (Stable Elements) nicht
als Slumbewohner .
1961 beauftragte die "Boston Redevelopment Authority"
(BRA) das PT | "to work with people".
Hyman vergleicht das PT I mit dem nachfolgenden PT II
anhand von vier Unterscheidungsmerkmalen:
1) Planungsabsichten (planning orientation)
2) Einbeziehung (Zusammenarbeit mit) der Bevölkerung
(involvement with citizens)
3) Das Verhältnis der Planungsteams zur zentralen Be-
hörde (relationship to central office)
4) Der Einfluß der Bürger auf die Planung (uses of
influence)
Zu 1) Planning Orientation:
Der Leiter des PT I war als "community organization
social worker" ausgebildet:
"Traditionally the role of the community organizer has
been to serve as an /enabler’ or catalytic agent."
In diesem Sinne verstand sich sein Team als der "commu-
nity power elite" unterstellt. Im Auftrag der BRA fertigte
ein Architekt einen detaillierten Plan an, der starke
Fixierungen (Standort der Nutzungen und formale Ge-
staltung projektierter Gebäude) aufwies.
Der Leiter des PT Il war Städteplaner an einer Universi-
tät, "where the pluralistic model of power as developped
by Banfield, Dahl and Polsby was emphasized'. Er trug
mit dazu bei, einen groben Rahmenplan aufzustellen,
dessen Konzeption flexibel genug war, um Vorstellungen
aus der Bevölkerung aufzunehmen.
Während das PT I den architektonischen Entwurf in den
Vordergrund stellte, kümmerte sich das PT II um die
"politische Angemessenheit" und "Verkaufbarkeit" ihrer
Planvorschläge. PT | war überzeugt, daß es die Herr-
schenden (power elite) zu überzeugen galt, die dann
ihrerseits über die Realisierung des Plans zu verfügen
hätten.
Zu 2) Involvement with Citizens:
Zur Untersuchung des Sanierungsgebietes wurden zehn
Bevölkerungsgruppen in "communitywide" und "neigh-
bourhoodbased" unterschieden. PT I befaßte sich vor
allem mit den "communitywide bodies'", während PT II
- auch angesichts der schlechten Erfahrungen von PT I -
vornehmlich mit den "neighbourhood-based bodies"
zusammenarbeitete. Da die Nachbarschaftsgruppen sich
von den Entscheidungen des PT I übergangen fühlte,
wurde diesem nach mehreren Auseinandersetzungen der
Auftrag wieder entzogen.
Das Planungsteam Il versuchte nun, die aufgrund der
Erfahrungen mit PT I hervorgerufene Skepsis der Einwoh-
ner von Boston South End dadurch abzubauen, daß den
einzelnen Nachbarschaftsgruppen jeweils genug Mitar-
beiter als Berater zugeteilt wurden. Nach ca. 150 öf-
fentlichen Diskussionen, in denen die einzelnen Gruppen
ihre Vorstellungen, unterstützt von den Beratern des PT
Il, artikulierten, wurde der Rahmenplan stark modifiziert
angenommen .
"The planning concept and votes gained or lost were the
chief criteria that determined positions taken by PT 11."
Die ausführlichen Diskussionen, Abstimmungsverfahren
und deren Ergebnisse wurden von Teammitgliedern als
"no planning at all" bezeichnet, weil dem Plan kein
einigender Entwurf (unified design) zugrunde liege und
die Teilnahme der Bevölkerung ändernd und verbessernd
gewirkt habe
Zu 3) Relationship to Central Office:
Das PT I hatte sich in eine starke, selbstgewählte Ab-
hängigkeit von der behördlichen Autorität begeben, so
daß der Bevölkerung gegenüber keine selbständige Posi-
tion vertreten werden konnte. Außerdem waren aufgrund
zu sporadisch stattfindender Teambesprechungen die
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