daß der Chef der Stadtplanungsbehörde, entgegen einer
Absprache mit den Studenten, für jede Station ein Tref-
fen der Beteiligten mit ausgewählten Experten arrangierte
um einen allgemeinen Konsensus über den "besten" Plan
herbeizuführen. Die Bewohner fühlten sich durch das
Sachwissen der Experten frustriert und enthielten sich der
Diskussion. Damit argumentierten die Experten in einer
scheindemokratischen Veranstaltung wieder "unter sich".
Das Ziel sollte jedoch die Aufdeckung des Dissensus
sein; der Konsensus sollte nicht unter den Experten voll-
zogen werden, sondern aufgrund ausführlicher und öffent-
licher Diskussionen aller Beteiligten. Der Diskurs fand
jedoch auf einer von Fachleuten eingenommenen und
begrenzten Ebene statt, und daher standen die entschei-
dungsbefugten Politiker einer schon von Experten berei-
nigten Lösungsmannigfaltigkeit, bzw. einer Lösung
gegenüber .
Dieser Vorgang muß einer technokratischen Planung
revisionistisch erscheinen, da der gescheiterte Integra-
tionsversuch der Betroffenen als "Freizeitplaner" die
Möglichkeit potentieller Konflikte erhöht und damit
"yvermeidbare Reibungsverluste" schafft.
Die advozierende Planung muß als Produkt eines libe-
ralkapitalistischen Sozialreformismus’ an den "objekti-
ven" Grenzen der die bestehenden Herrschaftsstrukturen
des Kapitalismus stabilisierenden Sachgesetzlichkeit
scheitern, die K. Pfromm in seinem Aufsatz "Advozie-
rende Planung" (ARCH+ 8) als den "Rahmen der herr-
schenden Toleranzgrenzen" anerkennt. Die advozierende
Planung weist sich daher - wie in Teil C exemplarisch
nachgewiesen werden soll - als eine sublime Herrschafts-
technik aus, die systemgefährdende Konflikte durch
frühzeitige Integration der traditionell unterprivilegier-
ten Teile der Stadtbevölkerung vermeiden hilft und
damit deren bestehende Klassenlage verschleiert.
K. Pfromm spricht es offen aus:
"Die Stadtplaner müssen in einer direkten Abhängigkeit
von den durch ihre Planung Betroffenen stehen. Eine
Möglichkeit wäre die Auftragserteilung durch ein über
öffentliche Finanzen verfügendes Bürgerkommitee, das
mit dem Recht zum Auftragsentzug ausgestattet ist."
Die Abhängigkeit der Planer von einem über öffentliche
Finanzen verfügenden Bürgerkommitee (ein weiterer
Ableger des kapitalistischen Parlamentarismus) macht
deutlich, welche Interessen der Planer auch weiterhin
zu vertreten hat,
Unter den "konstituierenden Prinzipien" der advozie-
renden Planung bemüht sich Pfromm ferner, auch solchen
Planern diese neue Sozialtechnik anzudienen, die den
Absprung von der "patrozinierenden Planung" - die noch
an der Überwindung positivistisch wertfreier Planungs-
methoden zu knacken hat - zu einer operablen techno-
kratischen Planungstechnik noch nicht geschafft haben:
"Gleitet die Führung in die Hände der Bürger, so können
auch Programme, die auf Initiative der Planung begon-
nen wurden, noch den vollen sachlichen Vorteil der
Partizipation erreichen (49). "
Teil C
DAS RITTELSCHE PLANUNGSMODELL ALS
GRUNDLAGE DER "NUTZERBETEILIGUNG"
AM PLANUNGSPROZESS
Einführung
Dieser Teil der Arbeit setzt sich mit einem von Rittel
während seines Seminars im SS 1969 an der Uni Stuttgart
vorgestellten Planungsmodell auseinander, und zwar mit
der Frage, ob dieses Modell einen Ansatz zur Demokra-
tisierung des Planungsprozesses darstellt oder nicht. Dabei
schien mir zunächst ein entscheidender Vorteil des Rit-
telschen Verfahrens auf der Hand zu liegen:
Die "neuere Planungsdiskussion sieht zwar das Problem
der Zielfunktion... aber meist eben.nur unter dem
Wertungsaspekt; sie schlägt deshalb vor, die Wertungen
etwa des ’ Großteils der Bevölkerung” , der ’parlamen-
tarischen Mehrheit’, der Regierung’ oder einer ande-
ren als entscheidend’ angesehenen ’ Wertungsinstanz’
festzustellen und in geeigneter Form in die Zielfunktion
aufzunehmen" (50). Diese gesellschaftlichen Instanzen
müssen jedoch ihre Wertungen und Zielsetzungen ohne
Kenntnis des Planungsverfahrens abgeben, so daß sie die
Folgen ihrer Entscheidungen und möglicherweise deren
Modifizierung aufgrund kestimmter Planungstechniken
nicht in ihre Überlegungen einbeziehen können.
Rittel versucht nun, den derart abgeschnittenen Reali-
tätskontakt der Planung dadurch wieder herzustellen,
indem er ein Modell ausarbeitet, mit dessen Hilfe er die
von den Planungsmaßnahmen betroffenen Gruppen und
Individuen aktiv am Planungsprozeß beteiligt, und zwar
derart, daß über geeignete Methoden zur Festlegung des
Planungskontextes, zur Erzeugung von alternativen Lö-
sungsmöglichkeiten sowie zur Beurteilung und Bewertung
alternativer Lösungen, als Vorbereitung der endgültigen
Entscheidung der gesamte Planungsablauf transparent und
intersubjektiv eindeutig kommunizierbar gemacht werden
soll. Damit scheint ein Ansatz zur Demokratisierung des
Planungsprozesses über das von Rittel vorgeschlagene
Planungsmodell geleistet zu werden.
Rittel (51) unterscheidet "Wissen" als Grundlage der
Entscheidungen in:
1) faktisches Wissen oder Sachwissen
("das, was für jemanden der Fall ist") "Sachwissen ist
das Wissen über Sachverhalte. ( Gestern fiel der Dow-
Jones-Index um 3,4 Punkte’, ’ Kraft ist Masse mal Be-
schleunigung’ .) Sachwissen kann situationsspezifisch
sein oder eine allgemeine Regel beinhalten (52). "
2) deontisches Wissen
("das, was für jemanden der Fall sein soll")
3) erklärendes Wissen
("etwas ist der Fall, weil ... "/ eine ’ Unterabteilung‘
der erkl. W. ist kausales Wissen: "warum etwas der Fall
ist ...")
4) instrumentelles Wissen
("wann immer das und das der Fall ist und das und das
erreicht werden soll, ist die und die Aktion angebracht")
"Instrumentelles Wissen verknüpft Sachverhalte mit
Handlungsanweisungen im Hinblick auf die Erreichung
von Zielen. Es besteht aus Rezepten, Heuvristiken,
ARCH+ 3 (1970) H. 9