Full text: ARCH+ : Studienhefte für architekturbezogene Umweltforschung und -planung (1970, Jg. 3, H. 9-11)

Regeln, Techniken und Methoden, mit deren Hilfe man 
seine Situation manipuliert. ... Die Grundlage dieser 
Art von Wissen ist natürlich immer "Sachwissen" über 
Kausalzusammenhänge, erweitert durch die Kenntnis von 
Handlungsmöglichkeiten und erwünschten oder wenig- 
stens akzeptablen Situationen (53). " 
Instrumentelles Wissen ist eine notwendige Voraussetzung 
für erklärendes Wissen, wenm die Konsequenzen alterna- 
tiver Handlungsstrategien abgeschätzt werden sollen. 
"Erwartungen" stellen eine Unterabteilung des fakti- 
schen Wissens dar, das selbst die Grundlage jeder wis- 
senschaftlichen Aussage ausmacht: "Sein (des Wissen- 
schaftlers) Handwerk ist es nämlich, verläßlich und 
systematisch zu ergründen, was der Fall ist - und nicht 
das, was der Fall sein sollte. Weder in der Wissenschaft 
noch sonstwo gibt es eine ’wissenschaftlich richtige’ 
Entscheidung, die aus irgendeiner ”objektiven’ Theorie 
gefolgert werden könnte (54). " 
Planung erfordert hingegen "deontisches Wissen", das 
die Artikulation von Zielvorstellungen und Leitbildern 
beinhaltet. Nach Rittel ist es daher sinnlos, "von wis- 
senschaftlicher Planung zu sprechen", denn im Gegen- 
satz zur Wissenschaft sei die folgendlose Wiederholbar- 
keit von Experimenten (als "Mittel zur Erfahrungsgewin- 
nung") in der Planung nicht möglich. Wissenschaft 
erzeuge Erkenntnisse, aber keine Veränderungen. Die 
Implamentationen von Plänen (bzw. von Planungsent- 
scheidungen) sind irreversibel: "Jeder Schritt zählt". 
Veränderungen verursachen jeweils Folgen. (Auch bei 
Modellen, als Abstraktionen der Realität, seien die 
Bedingungen des Experiments nicht gegeben.) 
Mit zunehmenden Erkenntnissen im Planungsprozeß werde 
der Planer durch den Zweifel an der eigenen Handlungs- 
kompetenz verunsichert. Alle Entscheidungen stellen 
eine Bindung, eine Verpflichtung (commitment) dar. 
Rittel betont, daß das entscheidende Problem der Pla- 
nung darin liege, wer dieses commitment eingehe: der 
Planer, der Experte oder der Verplante. "Wir sind ganz 
schlecht organisiert, um diejenigen, die verplant wer- 
den, das commitment eingehen zu lassen", d.h. diese 
selbst über Planungsmaßnahmen entscheiden zu lassen, 
mit deren Folgen sie allein leben müssen. 
| 
"Auch das wissenschaftliche Wertsystem ist der Änderung 
unterworfen, es hat seinen Platz im Widerstreit der 
Wertsysteme, und der Wissenschaftler ist nolens volens 
ein politischer Mitspieler in der resultierenden Ausein- 
andersetzung. ... Die Institution Wissenschaft hat ihre 
Rolle geändert. Die unabweisbare Folge der Verwissen- 
schaftlichung der Politik ist die Politisierung der Wissen- 
schaft (55). " 
Im Planungsprozeß werden Entscheidungen aufgrund 
"deontischen Wissens" getroffen, während "Fakten nur 
Vorwände zum Planen bieten"! Planungsmethoden sol- 
len, so Rittel, situationsspezifisch entwickelt 
und eingesetzt werden. Der Planungsprozeß lasse sich 
nicht in wohldefinierte Phasen aufteilen; es gebe keine 
"beste" Methode, die zum Ziel führe. 
Methodisches Vorgehen und Analysieren stellen nach 
Rittel eine entscheidende Hilfe der Kommunikation im 
Planungsprozeß dar, ein Werkzeug, "um die Projektion 
deontischen Wissens für andere explizit zu machen", 
denn aus der Differenz zwischen bestehenden und wünsch- 
baren alternativen Zuständen, zwischen "deontischem 
vn 
und faktischem Wissen" entstehen alle Planungsprobleme. 
1. Beschreibung des Rittelschen Planungs- 
modells (56) 
Rittel stellt den Planungsprozeß anhand von drei Model - 
len (Boxen) und den diese Modelle beeinflussenden 
Variablen dar (s. Abb. 2): 
Darstellung des RITTEL'schen Planungsmodells Abb 2 
ap 
P —©& 
| A2 (manipulierbar) 
C = Context-Modell, predictor- (Voraussage-)Modell 
ci= Contextvariable, als inputs des Objektmodells 
= Objektmodell (2.B. Zwicky-Box, "System. Zweifel") 
dj= Designvariable, als inputs des Objektmodells 
Ppi= performance- (Bewertungs-)Variable: 
Pi= f(c1, C2, «<«<Cni d1, d2 «.o dp) 
P = Performance-Modell (Evaluator), Modell d. Bewertungs- 
systems 
X = Endurteil (als Stellgröße): x = f(m4) 
nach H.RITTEL (Seminar SS 1969 
Von dem context-Modell (C) als predictor-( Voraussage)- 
System wirken die context-Variablen (c;) als Inputs auf 
das Objektmodell (A), das durch design-(Entwurfs)- 
Variable (dj) beeinflußbar ist, 
Die performance-(Güte-, Wert-)Variablen (p;) sind’eine 
Funktion der context- und design- Variablen 
(pP; =f (c1/ Corees pr dir d,. . .d.» und 
Inputs für das "Modell des Bewertungssystems" (P). 
Die "P-Box" als evaluater (Bewerter) enthält die Bewer- 
tungsfilter zur Reduktion von Varietät (der p;-Alternati- 
ven) auf die Stellgröße x, auf das Enturteil. 
Es handelt sich also um ein Modell zur Erzeugung von 
Varietät (Entwurfsalternativen) und deren Reduktion 
durch die Bewertung bis zu einem vergleichenden Ge- 
samturteil, das die endgültige Wahl einer Alternative 
ermöglichen soll. 
ARCH+ 3 (1970) H. 9
	        
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