Full text: ARCH+ : Studienhefte für architekturbezogene Umweltforschung und -planung (1970, Jg. 3, H. 9-11)

Das Planungsziel besteht ganz allgemein darin, solche 
Variablen auszuwählen, die ein möglichst hohes x er- 
zeugen, wobei x eine Funktion der performance-Variab- 
len ist: x = f (ps). 
Im folgenden seien die einzelnen "Boxen" anhand eini- 
ger in ihnen möglichen Verfahren näher erläutert. 
Das systematische Auflisten und Abschätzen der c-, d- 
und p-Variablen bezeichnet Rittel als Morphologi- 
sche Analyse. 
Die die Boxen beeinflussenden Variablen lassen sich auf 
verschiedenen Skalen messen. 
"Auf den Nominal-Skalen wird einfach numeriert 
oder klassifiziert." (57) (Es werden diskrete Alternativen 
gemessen, die keine natürliche Ordnung haben. A, D, 
Fake) 
Auf einer Ordinal-Skala wird schon eine Rangordnung 
diskreter Variablen (A B C) unterschieden; es lassen 
sich jedoch mit zugeteilten Zahlen noch keine arithme- 
tischen Operationen durchführen (Beispiel: Bewertung von 
Wettbewerbsentwürfen). 
Auf der Intervall -Skala (auch Differenzen-Skala), 
"... die konstante Maßeinheiten hat, wird im ’land- 
läufigen Sinne’ gemessen. Der Nullpunkt ist dabei 
willkürlich festgelegt, wie z.B. bei den Temperatur- 
skalen nach Reaumur und Celsius" (57). 
Die Ratio-Skala (auch Verhältnis-Skala) zeichnet 
sich durch "Normierungskonstanten wie Kelvins Tempe- 
raturskala oder die Zahlenreihe selber" aus. Auf dieser 
Skala lassen sich mathematische Operationen durchfüh- 
ren, da sie eine natürliche Null hat. 
Zu Anfang eines Planungsprozesses werden die Variab- 
len vornehmlich auf Nominalskalen gemessen (z.B. bei 
der Wahl eines Bauplatzes: es gibt kein "mehr oder weni 
ger", sondern nur ein "entweder oder''), während gegen 
Ende des Planungsprozesses die Variablen eher auf In- 
tervall- und Ratio-Skalen gemessen werden. (Bewertung) 
1.1 Kontext-Modell (context-Variable) 
In der C-Box, im context-Modell, wird darüber ent- 
schieden, welche Randbedingungen (constraints) 
eines Planungsobjektes (z.B. Bevölkerungswachstum, 
Bedarfsprognose, bestehende Verkehrserschließung, 
Besiedlung) als context-Variable, als "unabdingbar", 
nicht manipulierbar, angenommen werden. ("Im contex* 
werden alle die Faktoren aufgestellt, die nicht beein- 
flußt werden können oder sollen, die jedoch berück- 
sichtigt werden müssen. "') 
Die Bezeichnung context-Variable deutet an, daß 
es sich bei der Antizipierung des contextes keineswegs 
um die Ermittlung ’objektiver” Tatbestände bzw. um das 
Aufspüren von ’ Sachzwängen’ handelt, sondern viel- 
mehr um individuelle Entscheidungen. Bestimmte Prog- 
nosen und Trendanalysen (58), die der Planung per 
definitionem zugrunde gelegt werden, garantieren nach 
Rittel kein "rationales Handeln", denn rational handeln 
würde bedeuten, daß ein Aktor die Konsequenzen seiner 
Aktionen vorausschätzt und entsprechend handelt: Die 
notwendige Fixierung auf einen bestimmten Prognose- 
zeitraum verhindert jedoch den Überblick über die Kon- 
sequenzen bestimmter Aktionen. "Wird z.B. für die 
ersten zehn Jahre prognostiziert, kann es sein, daß die 
Prognose für die nächsten zehn Jahre nur negative Fol- 
gen hat." Ebensowenig sei der Trend eine normative 
Größe: "Trend ist die Vermutung über das, was passieren 
würde, wenn nichts passiert." 
Das Abschätzen der context-Variablen stellt keine An- 
nahme dar, sondern vielmehr das Treffen von Entschei- 
dungen, also bereits ein Planungsproblem . 
Arten der Entscheidungen: 
Das Abschätzen der context-Variablen stellt einen per- 
manenten Entscheidungsvorgang dar. Die Entscheidungen 
werden mit einem unterschiedlichen Grad der Gewißheit 
bzw. Ungewißheit gefällt. 
Rittel unterscheidet drei Arten von Entscheidungen (Ent- 
scheidungsmodellen). Die Wahl eines bestimmten Ent- 
scheidungsmodells stellt wiederum eine subjektive Ent- 
scheidung dar, die nicht auf Sachzwänge zurückgeführt 
werden kann. 
Entscheidungsmodelle (59): 
1) Entscheidungen unter Gewißheit 
2) Entscheidungen unter Ungewißheit 
3) Entscheidungen unter Risiko 
1) Entscheidungen unter Gewißheit (certainty) basieren 
auf der Annahme, daß das, was vorausgesagt wird, auch 
tatsächlich eintritt, daß z.B. in einem Bauplanungspro- 
zeß bestimmte Zahlungen (Kosten) in einer bestimmten 
Höhe (DM) zu einer besfimmten Zeit (t) zu leisten sind 
2) Entscheidungen unter Ungewißheit lassen sich am 
besten im Vergleich mit 
3) Entscheidungen unter Risiko verdeutlichen. Hier wer- 
den alternativen Zukünften Wahrscheinlichkeiten (p) 
zugeordnet. Diese Wahrscheinlichkeiten "... kann man 
sich ausdenken, ahnen, oder aufgrund von Analogien 
ermitteln". Es wird angenommen, daß das tatsächlich 
eintretende beobachtbare Verhalten unabhängig von der 
gegenwärtigen Voraussage ist, d.h.: unabhängig von 
den subjektiv eingeführten Wahrscheinlichkeiten. 
Beispiel: Es ist ungewiß, ob es regnet oder nicht. Sol! 
man einen Schirm’ mitnehmen? 
Entscheidung unter Risiko. 
Auszahlungsmatrix: 
15% 85 % 
( Wahrscheinlichkeit) 
Stra- 
te- © 
gie 5 7 
Die verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten (R = es 
regnet nicht, S = keinen Schirm mitnehmen) werden 
unter der Annahme bestimmter Wahrscheinlichkeiten 
gewertet, wobei angenommen wird, daß die Wahrschein- 
lichkeiten durch persönliche Aktionen nicht beeinflußt 
werden können. In der Auszahlungsmatrix (von -3 bis 
+3) werden die resultierenden Aktionen bewertet, wenn 
bestimmte individuelle Aktionen (Strategien S und S) 
mit bestimmten zukünftigen Ereignissen zusammentreffen . 
Dabei wird die Strategie gewählt, die im Durchschnitt 
das beste Ergebnis gewährleistet (optimistische Strategie): 
Strategie S= 0,15 x 0 + 0,85 x (-1) = 0,85 
ARCH+ 3 (1970) H. 9
	        
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