Full text: ARCH+ : Studienhefte für Planungspraxis und Planungstheorie (1972, Jg. 4, H. 15-16)

durch das Bewußtmachen der eigenen Rolle von außen 
bestimmt, sondern ist bereits durch den Widerspruch 
zwischen technischer und kapitalistischer Rationalität 
selbst gesetzt. So ist dieses Unbehagen bereits objek- 
tiv antikapitalistisch, wenngleich nicht unmittelbar 
sozialistisch, es artikuliert sich jedoch innerhalb des 
bezeichneten Widerspruchs nicht unbedingt auch in 
antikapitalistischer Form. 
Hinzu kommt für die Entwicklung eines kritischen 
Selbstverständnisses die subjektive Wahrnehmung der 
sich notwendig entwickelnden gesellschaftlichen Depra- 
vation und der Atomisierung der Funktionen im Arbeits- 
prozeß. Die konkreten Erfahrungen im Arbeitsprozeß 
als der Entqualifizierung und im gesellschaftlichen 
Bereich als der sozialen Dequalifizierung sind, ver- 
mittelt mit der Erfahrung der Widersprüche aus der 
Qualifikation selbst, potentielle Bildungselemente 
explizit antikapitalistischen Bewuftseins. 
So sind auf der Basis der Verschrünktheit von Produk- 
tions- und Reproduktionssphüre und der Erscheinung 
der Konflikte der kapitalistischen Dauerkrise in allen 
Lebensbereichen Planer und Architekten sowohl Adres- 
sat als auch Ausgangspunkt sozialistischer Arbeit: 
a) sie sind im Reproduktionsbereich als Lohnabhüngige 
selbst Opfer der gegebenen Bedingungen, 
b) im ArbeitsprozeB bzw. im gesellschaftlichen Be- 
reich unterliegen sie den beschriebenen Bedingungen 
von Ent- und Dequalifizierung, 
c) ihr Arbeitsgegenstand selbst ist bestimmt durch die 
konkrete Form der kapitalistischen Dauerkrise. 
Daraus ist, bezogen auf ihr ambivalentes Bewuftsein, 
welches im Arbeitsgegenstand selbst angelegt ist, für 
die Organisation von Planern und Architekten die Not- 
wendigkeit politischer Arbeit am Arbeitsgegenstand 
abzuleiten, da eben nicht mehr die gewerkschaftlich- 
kooperative Organisation in traditionellen Bündnisfor- 
men zur Durchsetzung stándischer Interessen die be- 
zeichneten Konflikte berührt. 
Konsequent sozialistische Arbeit von Planern und Ar- 
chitekten als die Aufnahme der bezeichneten Konflikte 
in der Aufhebung der Trennung von Subjekt und Objekt 
der Veränderung muß sich artikulieren im Aufbrechen 
und in der Partizipation an sich im Arbeitsgegenstand 
darstellenden Konfliktsituationen. Die Aufhebung der 
abstrakten Trennung von Beruf und politischer Orga- 
nisation kann nur dort ihren Ansatzpunkt haben. 
ARCH+ 15 (1971-3) 
Anmerkungen 
1) Marx, Das Kapital I, Berlin 1964, S. 341 
2) Siehe Textstellen im Kapital I zur "ursprünglichen 
Akkumulation", insbesondere das 24. Kapitel 
3) Kapital I, S. 773 ff. 
^ Der Anteil der landwirtschaftlichen Bevólkerung 
an der Gesamtbevólkerung: 
1820: 75 %, 1849: 64 %, 1867: 48 %, 1882: 42,5 %, 
1895: 35,8 %, 1907: 29,6 % 
1871 wohnten in Städten 35,6 %, in Großstädten 
4,8 % der Bevölkerung. 1890 verschob sich dieses 
Verhältnis auf 47 bzw. 12,1 95; 1910: 60 % bzw. 
20,1 051 
Kapital I, S. 426 Anm. und 8. Kapitel: Der Arbeits- 
tag 
"Kritische Randglossen" zu dem Artikel: Der Kónig 
von Preufen und die Sozialreform, August 1844 
Marx/Engels/Lenin/Stalin: Zur deutschen Ge- 
schichte, Stuttgart 1952, S. 117 
Nach Duncker, Marxistische Arbeiter Schulung, 
Geschichte..., S. 163 und Paul Wiel, Wirtschafts- 
geschichte des Ruhrgebietes, Essen 1970 (SVR), 
S. 114 ff.: 
Von 1850-70 erhóhte sich die Steinkohlenfórderung 
des Ruhrgebiets um das 6fache, die Zahl der Be- 
schäftigten um das 4fache. Jahresfórderung je 
Kopf der Belegschaft stieg von 160 t auf 229 t; die 
Belegschaft je Betrieb von 62 auf 230 Arbeiter. Die 
Anzahl und P$ der Dampfmaschinen stieg von 1860- 
70 um 100 % 
Die Rationalisierungsmafnahmen 1857-69 vermin- 
derten die Zechen um ca. 23 % (Stillegung unren- 
tierlicher Zechen, Konkurrenz der Arbeitskraft 
in Krisen) 
9) Marx/Engels, Ausgewählte Schriften, Berlin 1968, 
S. 526 ff. ("Zur Wohnungsfrage") 
10) a.a.O., S. 527 f. 
11) a.a.0., S. 573 
12) freies Schuffeld für die Kanonen 
13) Duncker, a.a.O., S. 80 
14) Marx/Engels, a.a.0., S. 506 (Der Bürgerkrieg in 
Frankreich) 
15) a.a.O., S. 573, vgl. auch Kapital I, S. 689 f. 
16) a.a.O., S. 530 
17) Mülberger zitiert nach Engels, Volksstaat, Nr. 10, 
1872 
18) Marx/Engels, a.a.O., S. 552 
19) Joachim Schlandt, Die Kruppsiedlungen - Wohnungs- 
bau im Interesse eines Industriekonzerns. In: 
Kapitalistischer Stüdtebau, Luchterhand, 1970 
20) "Mit Aufkommen der Kokshochófen wurde Kohle 
zum wichtigsten ' Gewichtsverlustmaterial', so daB 
für die Wahl von Hüttenstandorten die Nachbarschaft 
von Steinkohlenzechen Bedeutung bekam. Sehr wich- 
tig war auch die Nähe oder die Erreichbarkeit von 
Erzen'' (Wiel) 
21) 1852 hatte Krupp 10 Beschäftigte, das waren 3 % 
der Einwohner Essens. 1871 stieg der Anteil der 
Krupp-Beschäftigten in Essen auf 21 % der Essener 
Einwohner; 1918 machten 167.000 Arbeiter 30 95 
der Essener Einwohner aus. (Angaben nach Schlandt 
und Wiel.) Die Steigerung der Produktion làüfit sich 
ablesen an der Errichtung neuer Hochófen und Walz- 
werke: Zwischen 1842 und 1896 wurden 7 Werke, 
10 Ófen oder Konverter und 6 Walzwerke errichtet. 
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