Full text: ARCH+ : Studienhefte für Planungspraxis und Planungstheorie (1973, Jg. 5, H. 17-20)

untersucht wird, 39) Im Nutzungsstudium geht es gerade 
um die Interdependenz, der verschiedenen Aspekte in be- 
stimmten komplexen Situationen bzw. um ihre Relevanz 
für bestimmte Tätigkeiten. 
In dieser Hinsicht läßt sich das Nutzungsstudium vielleicht 
am ehesten vergleichen mit der ökologischen Forschung 
und mit dem Arbeitsstudium.40) Die Unterschiede zu die- 
sen beiden Forschungsbereichen sind im wesentlichen fol- 
gende: Befaßt sich das Nutzungsstudium mit der Beziehung 
zwischen baulicher Umwelt und Tätigkeiten, so die ökolo- 
gische Forschung mit der Beziehung zwischen Umwelt und 
Mensch bzw. Lebewesen. Das Nutzungsstudium kann also, 
wenn man einmal absieht von dem Umstand, daß es das 
Moment der Optimierung enthält, als Spezialfall der ökolo- 
gischen Forschung aufgefaßt werden. Es geht beim Nut- 
zungsstudium nicht um die Frage der Notwendigkeit bzw. 
Erträglichkeit und Zumutbarkeit bestimmter Umweltbe- 
dingungen für den Menschen bzw. das Lebewesen ansich, 
sondern um die Frage der Notwendigkeit bzw. der Erträg- 
lichkeit und Zumutbarkeit bestimmter baulicher Umwelt- 
bedingungen im Hinblick auf bestimmte auszuführende 
Tätigkeiten. Es geht also z. B. — wenn ich einen Aspekt der 
Funktionalität herausgreifen darf — nicht nur um die Frage 
der Notwendigkeit des Tageslichts oder der Erträglichkeit 
und Zumutbarkeit des Kunstlichts für den menschlichen 
Organismus, sondern um die Frage der Eignung dieser odeı 
jener Beleuchtungsart für bestimmte Tätigkeiten: Das 
Licht soll als Beleuchtung bestimmte Tätigkeiten ermög- 
siehe Handbuch der gesamten Arbeitsmedizin, Urban & 
Schwarzenberg, 1961; und Lehmann, G.: Praktische Ar- 
beitsphysiologie, 2. Auflage, Georg Thieme Verlag, 1962. 
Zunehmende Relevanz gewinnen daneben informations- 
bzw. kommunikationstheoretisch orientierte Ansätze, in 
denen die bauliche bzw. die gesamte technische Umwelt 
als ein Komplex von Nachrichtenübertragungskanälen 
mit größerer oder kleinerer Kanlkapazität betrachtet wird 
entsprechend ihrer jeweiligen Funktion bei der Nach- 
richtenvermittlung bzw. Nachrichtensperre. Siehe 
Meier,R.: A Communication Theory of Urban Growth 
(1962), M. I. T. Press;und Evans, R.: The Rights of 
Retreat and the-Rites of Exclusion — Notes towards the 
Definition of WALL, Architectural Design, June 1971, 
S. 336 bis S. 339 
Die Sichtung der wissenschaftlichen Arbeiten auf diesem 
Gebiet ergibt nur geringe Ausbeute. Genannt seien fol- 
gende Arbeiten: Chombart de Lauwe: Soziologie des 
Wohnens, Bauen und Wohnen, Juni 1961; ein Forschungs- 
konzept, bei dem zwar im wesentlichen von sozialpsycho- 
logischen Gesichtspunkten ausgegangen wird, bei dem 
aber eine relativ umfassende Darstellung der Komplexi- 
tät des Untersuchungsobjekts erreicht wird. Alexander, 
C., Poyner, B.: The Atoms of Environmental Strukture, 
Ministry of Public Building and Works, London (ca. 
1966); ein methodischer Forschungsansatz, auf den im 
Teil II noch kritisch eingegangen wird. Als Nutzungsstu- 
dien könnten bezeichnet werden die Untersuchungen 
von Meyer-Ehlers, G., insbesondere : Wohnerfahrungen, 
Wiesbaden, 1963; und Boudon, P.: Die Siedlung Pessac 
— 40 Jahre Wohnen a la Corbusier, Bertelsmann Fachver- 
lag, 1971 (Bauwelt Fundamente 28). Diese Untersuchun- 
gen sind allerdings dadurch gehandikapt, daß hier, im 
Fall der Nutzung von Wohnungen, die Methode der Beob- 
achtung (s. Teil II), es sei denn die der Selbstbeobachtung. 
2? 
lichen, und zwar so, daß dabei der Gesundheit der die Tä- 
tigkeiten ausführenden Personen nicht geschadet wird. 
Was hier evtl. Schaden anrichtet, das ist nämlich nicht 
notwendigerweise das Licht unmittelbar, sondern u.U. 
das Ausführen der Tätigkeiten unter bestimmten Lichtver- 
hältnissen. Steht beim Nutzungsstudium der Tätigkeit die bau- 
liche Umwelt gegenüber,so beim Arbeitsstudium die Maschine- 
rie. Befaßt sich der auf den Menschen bezogene Bereich der ökolo- 
gischen Forschung vor allem mit der Ermittlung von Ex- 
tremwerten für die Aufrechterhaltung des ökologischen 
Gleichgewichts zum Zweck der Kontrolle der Überlebens- 
chancen unter extremen Umweltbedingungen, z. B. im 
Krieg, bei der Raumfahrt oder — auf der in rücksichtsloser 
Weise ausgebeuteten und verschmutzten Erde, und das 
Arbeitsstudium mit den Grenzen der menschlichen Lei- 
stungsfähigkeit zum Zweck der Effektivitätssteigerung der 
Arbeit, so geht es beim Nutzungsstudium mehr um die Ab- 
wägung verschiedener Werte in den mittleren Bereichen. 
Teil II: Methodischer Ansatz für das Nutzungs- 
studium, entwickelt für das Nutzungsstudium in 
Schulen mit Versuchscharakter 
Während die Nutzungsplanung dem allgemeinen Pla- 
nungsmodell 41) folgt und keine gegenüber der Planung 
in anderen Bereichen grundsätzlich neuen methodischen 
kaum anwendbar ist. 
Zu dem Begriff des Arbeitsstudiums siehe Ökonomisches 
Lexikon, a.a.O.. Die Nutzungsplanung läßt sich dement- 
sprechend mit der Arbeitsgestaltung vergleichen. 
Ich beziehe mich hier auf Modelle von Zwicky und Luckman, 
die sich teilweise sehr unterschiedlicher Terminologie bedie- 
nen, obwohl ihr Gegenstand weitgehend derselbe ist. Sie be- 
treffen — in. meiner Terminologie — die Bildung von Planungs- 
varianten durch Zerlegung des Entscheidungskomplexes in 
Optionen mit jeweils mehreren Optionselementen (unter ei- 
ner Option sei verstanden die Menge der planerischen Mög- 
lichkeiten, die sich unter einem bestimmten Aspekt des Pla- 
nungsobjekts ergeben, zwischen denen man wählen kann, für 
eine von denen man sich jedoch entscheiden muß; unter ei- 
nem Optionselement sei verstanden eine dieser Möglichkeiten) 
und Einengung des so hergestellten Entscheidungsfeldes durch 
Bildung bzw. Auswahl von Kombinationen aus Optionsele- 
menten, die von jeder Option gerade ein Element enthalten. 
Das Modell von Zwicky ist enthalten in der in zahlreichen 
Veröffentlichungen dargestellten ‚morphologischen Methode’. 
In deutscher Sprache ist zuletzt erschienen: Zwicky, F.: 
Entdecken, Erfinden, Forschen im morphologischen Welt- 
bild, Droemer Knaur, 1966. Danach werden alle nach den 
Gesetzen der Kombinatorik denkbaren Kombinationen er- 
faßt, um sie anschließend zu bewerten. Ersteres geschieht 
mit Hilfe des ‚morphologischen Kastens’, gleichsam einer 
n-dimensionalen Tabelle, wobei n = der Anzahl der Optionen, 
so daß für jede nur denkbare Kombination ein Feld zur Ver- 
fügung steht. Das Modell von Luckmann ist dargestellt 
bei Luckman, J.: An Approach to the Management of 
Design, Operational Research Quarterly, Vol. 18, 1967. 
Dt. Übersetzung: Zur Organisation des Entwerfens, in: 
Arbeitsberichte zur Planungsmethodik 4, Hrsg. vom Institut 
für Grundlagen der modernen Architektur, Universität Stutt- 
40)
	        

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