Full text: ARCH+ : Studienhefte für Planungspraxis und Planungstheorie (1973, Jg. 5, H. 17-20)

Adressatenkreis und Themenbereiche 
Für den Adressatenkreis, an den ARCH + sich 
wenden will und den Themenbereich, der in ARCH+ 
behandelt werden soll, haben wir folgende Schwerpunkte 
anvisiert: Die Zeitschrift soll sich zum einen an Gruppen 
wenden, die im Wohn- und Stadtteilbereich praktisch- 
politisch arbeiten, zum anderen an berufstätige und stu- 
dierende Architekten und Stadtplaner. Damit grenzen 
wir ein Problemfeld ein, das die Praxis beider Gruppen 
betrifft, nämlich die Frage nach der Qualität und Funk: 
tion der Wohn- und Lebensbedingungen im Bereich der 
Reproduktion der Ware Arbeitskraft. Für die angesproche 
ne Berufsgruppe Architekten und Stadtplaner sollen in 
Zukunft neben diesem Problemfeld, das ihren Arbeits- 
gegenstand beinhaltet, verstärkt die Arbeitsbedingungen, 
denen sie während des Studiums und im Berufs unter- 
worfen sind, behandelt werden. 
Reproduktionsbedingungen der lohnabhängigen 
Bevölkerung 
Im Kampf um die Verbesserung der Qualität der Lebens- 
bedingungen im Bereich der Reproduktion der Ware 
Arbeitskraft haben sich in den letzten Jahren zuneh- 
mend ausgehend von verschiedenen sozialen und ökono- 
mischen Konflikten Bürgerinitiativen gebildet: Als auslö- 
sende Momente für diese Konflikte sind zu nennen 
insbesondere die Kahlschlagsanierungen, der Bau von 
Trabantenstädten und die damit verbundene Verschlech- 
terung der Wohnbedingungen sowie die Unterversorgung 
mit Gesundheits-, Sozial - und Bildungseinrichtungen. 
Ein weiteres auslösendes Moment ist die Unfähigkeit der 
öffentlichen Verwaltung, in den ständig wachsenden Bal- 
lungsgebieten adäquate öffentliche Verkehrsmittel, vor 
allem zum Arbeitskräftetransport, zu entwickeln und 
zu tragbarem Preis zur Verfügung zu stellen. Die schran- 
kenlose Zerstörung der Naturbedingungen der gesell- 
schaftlichen Reproduktion, die Vergeudung der natürli- 
chen Ressourcen und die unmittelbare Gefährdung 
menschlichen Lebens durch die Abfallbeseitigung der 
Industrie sind es schließlich, die zum Kampf gegen die 
Verseuchung der Umwelt führen. Diese Bereiche gehö- 
ren zu denjenigen, mit denen sich Architekten, Stadt- 
planer und andere Berufsgruppen (Soziologen, Sozial- 
arbeiter, Juristen) planerisch sowie zum Zwecke der 
Konfliktvermeidung beruflich auseinanderzusetzen haben. 
Die aus den genannten Kontlikten sich entwickelnden 
politischen Bewegungen waren entstanden als Folgeer- 
scheinung der antiautoritären Studentenbewegung, wer. 
den aber zunehmend von den Betroffenen selbst initiiert 
und getragen, meist in der Form von Bürgerinitiativen, 
an denen darüberhinaus verschiedene Institutionen und 
politische Gruppen sich beteiligen. Ist schon der Kreis 
der Betroffenen selbst, was Motivation und konkrete Ziel. 
setzung betrifft, sehr heterogen zusammengesetzt, so 
werden die Interessengegensätze durch sich beteiligen- 
de Gruppen noch verstärkt: arbeiten in diesen Bürger- 
initiativen die einen im Eigeninteresse und mehr oder 
weniger solidarisch mit ihrer Klasse, oder Schicht, sei 
es als Arbeiter, Angestellte, Kleinhändler oder Kleinpro- 
duzenten, so die andern berufsmäßig, als Sozialarbeiter 
oder Juristen im Auftrag des Staates, und die dritten 
schließlich in der Absicht, die Betroffenen mit ihrem 
fachlichen Wissen (z.B. als Planer) oder mit ihrer organi- 
satorischen Erfahrung zu unterstützen. 
Die Analyse der Bedingungen, unter denen eine Mitarbeit von 
Sozialarbeitern, Soziologen, Juristen oder auch Architekten 
stattfindet. und die Untersuchung der Grenzen, die solcher Tätigkeit 
durch die jeweiligen institutionellen Rahmenbedingun- 
gen und politischen Zielsetzungen ihrer Auftraggeber ge- 
setzt sind, soll mit der Darstellung und Zusammenfassung 
der Erfahrungen jener Gruppen konfrontiert werden, 
die mit konkreter politischer Zielsetzung, aber institutio- 
nell unabhängig, im Stadtteil arbeiten. Diese Differenzie- 
rung der mitarbeitenden Gruppen und Personen in Bürger- 
initiativen ist notwendig, will man zu verallgemeinerbaren 
Einschätzungen der Strategieansätze, der Mittel, mit de- 
nen diese Strategien durchgesetzt werden, und schließ- 
lich auch der Gegenstrategien seitens kommunaler Be- 
hörden kommen. Daß der Stellenwert von Bürgerinitiati- 
ven im Zusammenhang sozialistischer Politik keineswegs 
endgültig bestimmbar ist, sondern im Zuge ihrer Entwick- 
lung immer wieder aufs neue problematisiert werden 
muß, insbesondere unter Berücksichtigung der Rolle des 
Staates, ist hier unterstellt. 
Arbeitsbedingungen von Architekten und Stadtplanern 
Was den Kreis der Architekten und Stadtplaner betrifft, 
so sollen neben ihrem Arbeitsgegenstand auch ihre Ar- 
beitsbedingungen in ARCH+ behandelt werden. In der 
Berufspraxis sind die Arbeitsbedingungen von Architek- 
ten und Stadtplanern von den charakteristischen Auswir- 
kungen der Industrialisierung unter kapitalistischen Ver- 
hältnissen, welche in der Baubranche erst jetzt forciert 
betrieben wird, gekennzeichnet (Konzentration der Be- 
triebe, Übergang der Masse der Architekten und Stadtpla-
	        

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