Erfahrung.47) Auf Nichteignung kann evtl. geschlossen
werden aus Phänomenen, die im Ablauf der Tätigkeiten
(unerwarteterweise) erscheinen und zum Ablauf der Tä-
tigkeiten widersprüchlich 48) sind. Ein solches zum Ab-
lauf der Tätigkeiten widersprüchliches Phänomen kann z.B
sein, daß in einer Gruppe häufig Aussagen auf Aufforde-
rung wiederholt werden müssen, da sie von Einigen aku-
stisch nicht verstanden wurden. Das Aufsuchen der Ur-
sache für solche zum Ablauf der Tätigkeiten widersprüch-
liche Phänomene führt u. U. zu der hypothetischen Fest-
stellung der Nichteignung — wenn nämlich außer den wi-
dersprüchlichen Phänomenen Diskrepanzen festgestellt
werden zwischen der vorhandenen Organisation der bau-
lichen Umwelt und der nach der Erfahrung zur Vermei-
dung der widersprüchlichen Phänomene erforderlichen
Organisation der baulichen Umwelt. Umgekehrt kann auf
Eignung geschlossen werden, wenn im Ablauf der Tätig-
keiten keine widersprüchlichen Phänomene erschei-
nen.49) 50)
Nicht immer allerdings läßt sich von widersprüchlichen
Phänomenen im Ablauf der Tätigkeiten auf die gegensei-
tige Nichteignung von Elementen der Tätigkeitsorganisa-
tion und der Organisation der baulichen Umwelt schließen.
In manchen Fällen wird man von solchen widersprüchlichen
Phänomenen auf einen Widerspruch zwischen der Tätig-
keitsorganisation und den organisatorischen Fähigkeiten
der Nutzer schließen. In anderen Fällen wiederum ist so-
47)
Zur logischen Struktur des Forschungsprozesses vgl. den
Exkurs am Schluß von Teil II.
Der Widerspruch sei definiert als Gegensatz, dessen beide
Seiten nicht nur durcheinander bestimmt, sondern auch
(in ihrer Entwicklung) voneinander abhängig sind. Vgl.
Hegel: Wissenschaft der Logik II, Werke 6, Surkamp,
1969, S. 64 ff. . Die Widersprüchlichkeit eines bestimm-
ten Phänomens zu der Situation, in der es erscheint, ist
nicht etwas, was zusätzlich zu dessen Wahrnehmung fest-
gestellt werden müßte; die Feststellung der Widersprüch-
lichkeit ist vielmehr in der Wahrnehmung enthalten, denn
die Widersprüchlichkeit ist die Voraussetzung, daß das
Augenmerk gerade auf dieses und nicht auf ein anderes
Phänomen fällt. Vgl. die Ausführungen im Exkurs am
Schluß von Teil II
48)
4A0Q1
Es gibt Arten der Nichteignung, die sich nur langfristig
auwirken, z. B. in gesundheitlicher Schädigung. Phäno-
mene dieser Art sind nur in Untersuchungen, die ent-
sprechend große Zeiträume umfassen, wahrnehmbar, und
es ist äußerst schwierig, einen kausalen Zusammenhang
mit einer bestimmten baulichen Umwelt auch nur mit
relativer Gewißheit nachzuweisen, da die Nutzer sich
nicht ausschließlich in dieser Umwelt aufhalten.
Es ist bedacht, daß die Tätigkeiten in ihrer Form dazu
tendieren, sich der jeweils gegebenen baulichen Umwelt
anzupassen, eben zur Vermeidung von Widersprüchen
im Ablauf der Tätigkeiten. Dies spielt aber — für das
Nutzungsstudium — insofern keine Rolle, als die Tätig-
keiten ja jeweils in ihrer tatsächlichen Form notiert
werden. Aus der Überlegung ergibt sich aber, daß für
das Nutzungsstudium gerade auch die erste Nutzungs-
phase in neuen Schulen von besonderem Interesse ist,
da hier diese Anpassungsprozesse gut beobachtbar sind
und da diese für die Beobachtung eine Vielzahl nur in
Sa
wohl der eine wie der andere Schluß naheliegend. So läßt
sich in dem Beispiel der ungenügenden akustischen Ver-
ständigung je nach den näheren Umständen vielleicht auf
gegenseitige Nichteignung der Tätigkeitsorganisation und
der Organisation der baulichen Umwelt schließen (mehrere
Gruppengespräche gleichzeitig in ein und demselben Raum
auf der einen Seite, sehr geringe Schalldämpfung auf der
anderen Seite); es läßt sich aber vielleicht auch auf einen
Widerspruch zwischen der Tätigkeitsorganisation und den
organisatorischen Fähigkeiten der Nutzer schließen (For-
derung von Kommunikation auf der einen Seite und Tole-
ranz von Rücksichtslosigkeiten der Schüler oder einzelner
Schüler (in akustischer Hinsicht) auf der anderen Seite).
An dem Umstand, daß das Aufsuchen der Ursache für wi-
dersprüchliche Phänomene im Ablauf der Tätigkeiten eine
Entscheidung in der einen oder der anderen Richtung er-
fordert, exemplifiziert sich die oben aus allgemeinen Über-
legungen abgeleitete Notwendigkeit der Beziehung zwischen
dem Nutzungsstudium und dem Praxisstudium.5 1)
Generell gilt, daß die Ursache eines bestimmten Sachver-
halts vieldimensional ist. Ich nenne deshalb eine bestimmte
Größe, von der vermutet wird, daß sie an der Verursachung
eines Sachverhalts beteiligt ist, eine mitverursachende
Größe. 52) Sinn des Aufzeigens der (hypothetischen) Kau-
salbeziehung ist es, eine solche Größe oder mehrere solche
Größen ausfindig zu machen. durch deren Veränderung die
einzelnen Merkmalen voneinander abweichender und
daher gut vergleichbarer Nutzungssituationen ergeben
In diesem Zusammenhang sei auf den oben erwähnten
Forschungsansatz von Alexander und Poyner eingegan-
gen. Dieser Ansatz unterscheidet sich von dem hier
dargestellten ganz wesentlich hinsichtlich der Ein-
schätzung des normativen Charakters der Untersuchung.
Der Fehler von Alexander und Poyner besteht darin,
daß sie nicht berücksichtigen, daß die Tätigkeiten be-
bestimmten gesellschaftlichen Zwängen unterliegen und in
sich Widersprüche enthalten. Es ist töricht, die bauliche
Umwelt so organisieren zu wollen, daß sie funktional ist in
Bezug auf jedwede auftretende „Tendenz” (Alexander’s
und Poyner’s operationale Fassung des Begriffs des Bedürf-
nisses). Vielmehr ist — im Zusammenhang mit dem Praxis-
studium und der tätigkeitstechnischen Forschung — jeweils
zu entscheiden, welche Tätigkeiten oder Aspekte von Tä-
tigkeiten unterstützt werden sollen, d. h. in Bezug auf
welche Tätigkeiten bzw. Aspekte die bauliche Umwelt funk-
tional sein soll.
Der Begriff der Ursache, unproblematisch für so allgemeine
Aussagen wie : „alle Erscheinungen haben eine Ursache‘,
wird im Zusammenhang mit der Erklärung eine$ speziellen
Sachverhalts problematisch, weil mißverständlich. Entweder
man betrachtet, wie ich es getan habe, als Ursache eines
Sachverhalts das Zusammentreffen aller jener Größen, die
zusammen den fraglichen Sachverhalt hervorbringen — und
diese sind ihrerseits Wirkungen von Ursachen usw. — und
bezeichnet eine einzelne Größe, die an der Hervorbringung
des Sachverhalts beteiligt ist, als mitverursachende Größe,
oder man versteht, wie König in Interpretation der umgangs-
sprachlichen Verwendung des Wortes darlegt, unter Ursache
„im Prinzip das, was uns verstehen macht, warum . ..”,
also jenes Element des gesamten kausalen Zusammenhangs,
51)
57)