Full text: ARCH+ : Studienhefte für Planungspraxis und Planungstheorie (1973, Jg. 5, H. 17-20)

Erfahrung.47) Auf Nichteignung kann evtl. geschlossen 
werden aus Phänomenen, die im Ablauf der Tätigkeiten 
(unerwarteterweise) erscheinen und zum Ablauf der Tä- 
tigkeiten widersprüchlich 48) sind. Ein solches zum Ab- 
lauf der Tätigkeiten widersprüchliches Phänomen kann z.B 
sein, daß in einer Gruppe häufig Aussagen auf Aufforde- 
rung wiederholt werden müssen, da sie von Einigen aku- 
stisch nicht verstanden wurden. Das Aufsuchen der Ur- 
sache für solche zum Ablauf der Tätigkeiten widersprüch- 
liche Phänomene führt u. U. zu der hypothetischen Fest- 
stellung der Nichteignung — wenn nämlich außer den wi- 
dersprüchlichen Phänomenen Diskrepanzen festgestellt 
werden zwischen der vorhandenen Organisation der bau- 
lichen Umwelt und der nach der Erfahrung zur Vermei- 
dung der widersprüchlichen Phänomene erforderlichen 
Organisation der baulichen Umwelt. Umgekehrt kann auf 
Eignung geschlossen werden, wenn im Ablauf der Tätig- 
keiten keine widersprüchlichen Phänomene erschei- 
nen.49) 50) 
Nicht immer allerdings läßt sich von widersprüchlichen 
Phänomenen im Ablauf der Tätigkeiten auf die gegensei- 
tige Nichteignung von Elementen der Tätigkeitsorganisa- 
tion und der Organisation der baulichen Umwelt schließen. 
In manchen Fällen wird man von solchen widersprüchlichen 
Phänomenen auf einen Widerspruch zwischen der Tätig- 
keitsorganisation und den organisatorischen Fähigkeiten 
der Nutzer schließen. In anderen Fällen wiederum ist so- 
47) 
Zur logischen Struktur des Forschungsprozesses vgl. den 
Exkurs am Schluß von Teil II. 
Der Widerspruch sei definiert als Gegensatz, dessen beide 
Seiten nicht nur durcheinander bestimmt, sondern auch 
(in ihrer Entwicklung) voneinander abhängig sind. Vgl. 
Hegel: Wissenschaft der Logik II, Werke 6, Surkamp, 
1969, S. 64 ff. . Die Widersprüchlichkeit eines bestimm- 
ten Phänomens zu der Situation, in der es erscheint, ist 
nicht etwas, was zusätzlich zu dessen Wahrnehmung fest- 
gestellt werden müßte; die Feststellung der Widersprüch- 
lichkeit ist vielmehr in der Wahrnehmung enthalten, denn 
die Widersprüchlichkeit ist die Voraussetzung, daß das 
Augenmerk gerade auf dieses und nicht auf ein anderes 
Phänomen fällt. Vgl. die Ausführungen im Exkurs am 
Schluß von Teil II 
48) 
4A0Q1 
Es gibt Arten der Nichteignung, die sich nur langfristig 
auwirken, z. B. in gesundheitlicher Schädigung. Phäno- 
mene dieser Art sind nur in Untersuchungen, die ent- 
sprechend große Zeiträume umfassen, wahrnehmbar, und 
es ist äußerst schwierig, einen kausalen Zusammenhang 
mit einer bestimmten baulichen Umwelt auch nur mit 
relativer Gewißheit nachzuweisen, da die Nutzer sich 
nicht ausschließlich in dieser Umwelt aufhalten. 
Es ist bedacht, daß die Tätigkeiten in ihrer Form dazu 
tendieren, sich der jeweils gegebenen baulichen Umwelt 
anzupassen, eben zur Vermeidung von Widersprüchen 
im Ablauf der Tätigkeiten. Dies spielt aber — für das 
Nutzungsstudium — insofern keine Rolle, als die Tätig- 
keiten ja jeweils in ihrer tatsächlichen Form notiert 
werden. Aus der Überlegung ergibt sich aber, daß für 
das Nutzungsstudium gerade auch die erste Nutzungs- 
phase in neuen Schulen von besonderem Interesse ist, 
da hier diese Anpassungsprozesse gut beobachtbar sind 
und da diese für die Beobachtung eine Vielzahl nur in 
Sa 
wohl der eine wie der andere Schluß naheliegend. So läßt 
sich in dem Beispiel der ungenügenden akustischen Ver- 
ständigung je nach den näheren Umständen vielleicht auf 
gegenseitige Nichteignung der Tätigkeitsorganisation und 
der Organisation der baulichen Umwelt schließen (mehrere 
Gruppengespräche gleichzeitig in ein und demselben Raum 
auf der einen Seite, sehr geringe Schalldämpfung auf der 
anderen Seite); es läßt sich aber vielleicht auch auf einen 
Widerspruch zwischen der Tätigkeitsorganisation und den 
organisatorischen Fähigkeiten der Nutzer schließen (For- 
derung von Kommunikation auf der einen Seite und Tole- 
ranz von Rücksichtslosigkeiten der Schüler oder einzelner 
Schüler (in akustischer Hinsicht) auf der anderen Seite). 
An dem Umstand, daß das Aufsuchen der Ursache für wi- 
dersprüchliche Phänomene im Ablauf der Tätigkeiten eine 
Entscheidung in der einen oder der anderen Richtung er- 
fordert, exemplifiziert sich die oben aus allgemeinen Über- 
legungen abgeleitete Notwendigkeit der Beziehung zwischen 
dem Nutzungsstudium und dem Praxisstudium.5 1) 
Generell gilt, daß die Ursache eines bestimmten Sachver- 
halts vieldimensional ist. Ich nenne deshalb eine bestimmte 
Größe, von der vermutet wird, daß sie an der Verursachung 
eines Sachverhalts beteiligt ist, eine mitverursachende 
Größe. 52) Sinn des Aufzeigens der (hypothetischen) Kau- 
salbeziehung ist es, eine solche Größe oder mehrere solche 
Größen ausfindig zu machen. durch deren Veränderung die 
einzelnen Merkmalen voneinander abweichender und 
daher gut vergleichbarer Nutzungssituationen ergeben 
In diesem Zusammenhang sei auf den oben erwähnten 
Forschungsansatz von Alexander und Poyner eingegan- 
gen. Dieser Ansatz unterscheidet sich von dem hier 
dargestellten ganz wesentlich hinsichtlich der Ein- 
schätzung des normativen Charakters der Untersuchung. 
Der Fehler von Alexander und Poyner besteht darin, 
daß sie nicht berücksichtigen, daß die Tätigkeiten be- 
bestimmten gesellschaftlichen Zwängen unterliegen und in 
sich Widersprüche enthalten. Es ist töricht, die bauliche 
Umwelt so organisieren zu wollen, daß sie funktional ist in 
Bezug auf jedwede auftretende „Tendenz” (Alexander’s 
und Poyner’s operationale Fassung des Begriffs des Bedürf- 
nisses). Vielmehr ist — im Zusammenhang mit dem Praxis- 
studium und der tätigkeitstechnischen Forschung — jeweils 
zu entscheiden, welche Tätigkeiten oder Aspekte von Tä- 
tigkeiten unterstützt werden sollen, d. h. in Bezug auf 
welche Tätigkeiten bzw. Aspekte die bauliche Umwelt funk- 
tional sein soll. 
Der Begriff der Ursache, unproblematisch für so allgemeine 
Aussagen wie : „alle Erscheinungen haben eine Ursache‘, 
wird im Zusammenhang mit der Erklärung eine$ speziellen 
Sachverhalts problematisch, weil mißverständlich. Entweder 
man betrachtet, wie ich es getan habe, als Ursache eines 
Sachverhalts das Zusammentreffen aller jener Größen, die 
zusammen den fraglichen Sachverhalt hervorbringen — und 
diese sind ihrerseits Wirkungen von Ursachen usw. — und 
bezeichnet eine einzelne Größe, die an der Hervorbringung 
des Sachverhalts beteiligt ist, als mitverursachende Größe, 
oder man versteht, wie König in Interpretation der umgangs- 
sprachlichen Verwendung des Wortes darlegt, unter Ursache 
„im Prinzip das, was uns verstehen macht, warum . ..”, 
also jenes Element des gesamten kausalen Zusammenhangs, 
51) 
57)
	        

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