Full text: ARCH+ : Studienhefte für Planungspraxis und Planungstheorie (1973, Jg. 5, H. 17-20)

Einleitung 
Eberhard von Einem 
Helga Fassbinder 
Georg Lang 
Frank Rinkleff 
DIE ENTWICKLUNG VON DER 
SOZIALKRITISCHEN 
BODENREFORMBEWEGUNG ZUR 
REFORMISTISCHEN BODENPOLITIK 
EINLEITUNG 
Erste Angriffe gegen das kapitalistische 
Grundeigentum aus naturrechtlichen 
Vorstellungen 
I 
Die Weiterentwicklung der Reform gedanken; 
ihre wissenschaftliche Begründung durch die 
Ökonomie 
IH 
Die Bodenreformgedanken im Zeichen der 
bedrohlich entwickelten Widersprüche 
des Kapitalismus 
IV 
Die radikale kleinbürgerliche Bodenrefor- 
merei auf dem Weg in die Utopie 
Die Kleinbürgerreform als Hebelarm und 
Motor der Sozialpolitik 
VI 
Die wissenschaftliche Grundlegung der 
Bodenpolitik in der Nationalökonomie 
In Gesellschaften, die auf den Boden als einziges oder 
hauptsächliches Produktionsmittel angewiesen sind, mani- 
festiert sich im Bodenbesitz die Machtstruktur dieser Ge- 
sellschaft. Deshalb muß auch jeder, der die Machtstruktur 
zur Gleichheit aller Menschen nivellieren oder wenigstens 
jedem sein unabhängiges Auskommen sichern will, zum 
Bodenreformer werden, und aus dem gleichen Grund 
wird er im allgemeinen scheitern. So erging es den Prophe- 
ten des alten Testaments kaum besser als den Idealisten 
der römischen Republik (Gaius und Tiberius Gracchus) 
und den großen Utopisten der Neuzeit (Morus). 
Sobald das Grundeigentum nicht mehr die Basis der gesell- 
schaftlichen Macht bildet, erscheinen sowohl die realen 
Beweggründe wie die idealistischen Züge der Bodenreform 
in einem anderen Licht. Sind mit der Entfaltung bürger - 
licher Produktionsweise die älteren Formen des Grund- 
eigentums (feudales und Gemeineigentum) in kapitali- 
stisches Grundeigentum übergegangen, dann hat der Grund- 
besitz seine ehemals beherrschende Stellung in Produktion 
und Gesellschaft verloren. Das kapitalistische Grundeigen- 
tum bildet weder das entscheidende Agens noch den zen- 
tralen Widerspruch der kapitalistischen Prduktion; gerade 
deshalb wird es aber ein Ärgernis ganz besonderer Art 
und Gegenstand ebenso besonderer Abwehrmaßnahmen. 
Als Hemmnis ungehinderter Kapitalverwertung steht das 
Grundeigentum im Widerspruch zur bürgerlichen Wirklich- 
keit und der ihr entsprechenden Theorie. Als Eigentum 
aus Besitz, nicht aus Erwerb, steht es im Widerspruch zum 
bürgerlichen Ideal und der entsprechenden Ideologie. Die 
Entfaltung bürgerlicher Produktion wird den ersten Wider- 
spruch verschärfen, die gleichzeitige Entfaltung des Wider- 
spruchs ven Ideal und Wirklichkeit wird das Grundeigen- 
tum zum naheliegenden Ansatzpunkt sozialreformerischen 
Denkens machen. Denn dieses Denken fließt aus dem Glau- 
ben an die Identität von Ideal und Wirklichkeit und kann, 
falls sich der Glaube nicht bewahrheitet, als Ursache nur 
ein Faktum finden, das beiden gleichermaßen widerspricht. 
Je mehr dieses Denken im weiteren seine ideologische Be- 
fangenheit überwindet, um so näher muß cs dem eigent- 
lichen Widerspruch des Kapitalverhältnisses kommen und 
und ihn schließlich erklären. Je mehr es aber seiner Befan- 
genheit verhaftet bleibt, um so hartnäckiger muß es an 
der Institution des Grundeigentums als dem Hauptübel 
festhalten. 
Die Bodenreform wird auf diese Weise zur Domäne und 
letzten Zufluchtsstätte des kleinbürgerlichen Sozialismus, 
während sie stets auch ein Programmpunkt der Bourgeoisie 
bleibt. Ka:ım eine andere Spielart kleinbürgerlicher Welt- 
verbesserei besitzt daher so viel Realitätsgehalt und prak- 
tische Verwertbarkeit wie die Bodenreform; nirgends sonst 
scheint die bürgerliche Ideologie ihre Funktion besser er- 
füllt zu haben als auf dem Territorium des privaten Grund- 
besitzes. 
Die folgende kleine Ideengeschichte der Bodenreformge- 
danken und der Reformbewegung will diesen Nachweis füh- 
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