Full text: ARCH+ : Studienhefte für Planungspraxis und Planungstheorie (1973, Jg. 5, H. 17-20)

tions- und Transportsystemen bildete, und in den Bereicn 
der privaten Bautätigkeit. Der Zusammenhang zwischen 
beiden Bereichen, ihre wechselseitige Bedingtheit wurde 
auseinandergerissen und trat erst sehr viel später als Neu- 
entdeckung wieder ins Bewußtsein der bürgerlichen Ökono 
men. 
Ein Zusammenhang zwischen der Bauproduktion und Bau- 
planung und der jeweiligen Entfaltungsstufe der gesellschaft: 
lichen Produktion ist jedoch nicht erst mit entwickelter 
kapitalistischer Produktionsweise entstanden. Auch in der 
Skalvenhaltergesellschaft und im Feudalismus bedurfte es 
ab einer gewissen Entfaltung der Arbeitsteilung infrastruk- 
tureller Leistungen, die den Verkehr der Produzenten unter 
einander, die Versorgung und Sicherheit der Stadtbevölke- 
rung etc. garantierten. Der grundlegende Unterschied zur 
kapitalistischen Infrastruktur liegt darin, daß jene nicht 
gegen die verselbständigten Einzelinteressen der Produzen- 
ten durchgesetzt werden mußte, sondern als unmittelbar 
gesellschaftliche erstellt werden konnte. Die feudalistische 
Produktion, soweit sie sich über die Agrarwirtschaft und 
das Handwerk hinaus entwickelt hatte und in der sich 
zugleich die Züge beginnender kapitalistischer Produk- 
tion zeigten, war noch eingebettet in einen ansatzweise 
gesamtwirtschaftlichen Produktionsplan: die vom Staat 
betriebene merkantile Wirtschaft, für die die innerbetrieb- 
liche Struktur in gleicher Weise entwickelt wurde wie die 
allgemeinen Produktionsbedingungen wie Straßen, Verkehrs- 
mittel, Wohnanlagen für die Arbeitskräfte, Wasser- und Energie- 
versorgung etc, Die bürgerliche Revolution beseitigte mit der 
feudalen Herrschaft den vorsorgenden patriarchalischen Charak- 
ter des Staates und propagierte mit “laissez faire, laissez aller‘ 
die nur durch die Gesetze des Marktes begrenzte Akkumula- 
tion des Einzelkapitals, Öffentliche Ausgaben für die allen 
Kapitalisten gemeinsam notwendigen Infrastrukturanlagen 
stellen für diese unter dem Blickwinkel größtmöglicher einzel 
kapitalistischer Akkumulation einen empfindlichen Abzug 
vom Profit und damit vom Akkumulationsfond des Einzel- 
kapitals dar. 
Für die Organisation der Bautätigkeit — und mithin die Posi- 
tion des Architekten — hatte dieses Auseinanderfallen der 
Bauproduktion in öffentlich betriebene materielle Infrastruk- 
tur und privatwirtschaftliche Errichtung von Gebäuden ein- 
schneidende Folgen: 
War bislang unter absolutistischer Herrschaft Palastbau, Städte- 
bau und Festungsbau gleichermaßen ins Ressort eines und 
desselben Mannes gefallen — Balthasar.Neumann baute Schlös- 
ser wie Festungen —, spaltete sich nun Planung und Konstruk- 
tion von militärischen Anlagen und Transportsystemen in den 
Bereich Ingenieurbau, und alle Arten von Repräsentations- 
bauten in das Fachgebiet Architektur. Auftraggeber der so 
eingegrenzten Architekten war nun nicht mehr der Staat, son- 
dern der einzelne Kapitalist. Unabhängig vom Prozeß der Ver- 
wissenschaftlichung und Verselbständigung von Teilfunktionen 
der Architektentätigkeit erfolgte damit in dieser Periode quasi 
eine politische Aufspaltung in Ingenieurfunktionen und 
Architektenarbeit, verursacht durch das Auseinanderfallen 
der Bauherrnschaft in einerseits den Staat und andererseits in 
eine Vielzahl von einzelnen Kapitalisten. Die Funktionen, auf 
die sich die Bezeichnung Architekt mit der Herausbildung 
der kapitalistischen Produktionsweise einschränkte. erschie- 
nen nun, erlöst von ihrer feudalen Abhängigkeit, als selb- 
ständige Dienstleistungen für den Kapitalisten auf dem 
Markt. Ausführende Handwerker waren nicht mehr Hand- 
werker, die der Feudalherr in seinen Dienst gestellt und da- 
durch zu einem einheitlichen, unter einer Oberaufsicht ar- 
beitenden, kombinierten Arbeitskörper zusammengefaßt 
hatte, sondern selbständige, konkurrierende Handwerks- 
betriebe, wieder zersplittert in eine Vielzahl von Gewerken. 
Mit der Überwindung des feudalen Staates durch die bür- 
gerliche Revolution war also der einheitliche Träger des 
überwiegendsten Teils der Bauproduktion und Baupla- 
nung beseitigt und die Bauherrschaft wurde durch eine 
Vielzahl von Einzelkapitalisten übernommen, entsprechend 
der Zersplitterung der Gesamtproduktion unter die einzel- 
nen konkurrierenden Kapitalisten. 
Der Entwicklungsstand der Bauproduktion im 
Frühkarnitalismus als materielle Basis der selb- 
ständigen Architektentätigkeit 
Der Zersplitterung des Auftraggebers korrespondierte im 
Bauwesen eine Zersplitterung des Produktionskörpers 
in einzelne selbständige, konkurriende, noch weitgehend 
handwerkliche Betriebe. Der gesellschaftliche Charakter 
der Produktion kam nicht mehr unmittelbar in der Orga- 
nisation des Produktionsprozesses zum Ausdruck, sondern 
war ausschließlich vermittelt über den Markt. In denjeni- 
gen Produktionszweigen, in denen sich die industrielle 
Produktion durchsetzen konnte, führte die kapitalistische 
Produktionsweise zu einer kooperativen Zusammenfas- 
sung der verschiedenen Handwerksberufe unter dem Kom- 
mando eines Kapitalisten in der Manufaktur, die sich 
weiterentwickelte zum komplexen Maschinensystem, in 
dem ein kombiniertes Arbeitspersonal (bestehend aus Hand- 
langern, Maschinenarbeitern bis hin zum Ingenieur) unter 
dem Kommando von Dirigenten, Managern, Arbeitsaufsehern 
etc. die massenhafte Produktion von Waren für den Markt be- 
treibt. In der Bauproduktion hat sich diese kooperative Zu- 
sammenfassung der verschiedenen Tätigkeiten und die Kon- 
zentration der Produktion nicht in derselben Weise vollzogen. 
Mit der Lösung aus der Stellung des feudalen Dienstes wurde 
die Bauproduktion zwar tendentiell zu einem eigenen Sek- 
tor neben den anderen industriellen Sektoren; die besonde- 
ren Bedingungen der Produktion von Gebäuden verhinderte 
jedoch, daß auf dieser Stufe der Entwicklung der kapitalisti- 
schen Produktionsweise der Übergang aus dem Feudalsta- 
tus direkt zunı kapitalistischen Betrieb der Bauproduktion 
führen konnte. 
Die besonderen Bedingungen der Bauproduktion 
gegenüber der spezifisch industriellen Produktion 
Wir wollen nun den Produktionsprozeß von Gebäuden, 
wie er sich im noch gering entfalteten Kapitalismus dar- 
stellt, näher untersuchen, um herauszuarbeiten. wie in
	        

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