der spezifischen Funktion des Architekten bestimmte
Interpretationsmuster seiner eigenen Tätigkeit angelegt
wurden, die in jener Periode der Bauproduktion in der
Dienstleistungsfunktion für den einzelnen Kapitalisten
ihre reale materielle Basis hatten. Im weiteren wollen wir
dann zeigen, wie mit der Fortentwicklung der kapitalisti-
schen Produktion und der zunehmenden Unterwerfung
auch der Bauproduktion unter die Gesetze der kapitali-
stischen Produktionsweise dieses Selbstverständnis sich
von der Realität in dem Maße, wie diese sich wandelte,
zu entfernen begann und ideologischen Charakter annahm.
Ein Gebäude unterscheidet sich von anderen Produkten
zunächst durch zwei Phänomene: seine Bindung an den
Boden, auf dem es steht, und seine Wertgröße. Die erste
Besonderheit wollen wir hier ausklammern, da sie in
unserem Zusammenhang der Untersuchung der Archi-
tektenideologie nur eine nebensächliche Rolle spielt. 2)
Die Wertgröße des Produktes „Gebäude‘“ macht zu
einem wesentlichen Merkmal der Bauproduktion:
1. einen hohen Kapitalvorschuß, und 2. eine lange Ar-
beitsperiode, während der der Kapitalvorschuß in der
Produktion gebunden ist.
Auf einer niedrigen Entwicklungsstufe der Produktivität
der Arbeit, in der die einzelnen Kapitale noch relativ
geringen Umfang haben, hat dieser hohe Produktenwert
des Gebäudes zur Folge, daß ein Gebäude nicht für einen
anonymen Markt auf Lager produziert werden kann (was
ein Charakteristikum der kapitalistischen Produktions-
weise ist), sondern die Produktion erst ingang kommt,
wenn ein Abnehmer das Gebäude in Auftrag gibt und,
über eine Abnahmegarantie hinaus, das Gebäude portions-
weise im Maße seiner Fertigstellung mit Vorschüssen kauft.
Des weiteren kann die Erstellung eines Gebäudes nicht
von einem einzelnen Kapitalisten vorgenommen werden,
der sämtliche Phasen des Produktionsprozesses durchführt.
Das Gebäude wird vielmehr von einer Vielzahl von selb-
ständigen Unternehmern in Kooperation über eine längere
Periode hinweg produziert. Denn dadurch, daß bei der Pro-
duktion die verschiedenen spezialisierten Teilarbeiten
(Maurer, Zimmermann, Dachdecker, Glaser etc.) nicht
alle gleichzeitig in gleichem Maße beschäftigt sind, bedarf
es, um einen solchen, alle Teilarbeiten umfassenden Pro-
duktionsapparat voll auszunutzen, eines hohen Produk-
tionsvolumens, also einer Vielzahl neben einander her-
laufender Produktionsvorgänge einzelner Gebäude. Ein
solcher Produktionsapparat setzt jedoch einen hohen
Grad von Kapitalakkumulation voraus, ist daher auf
einer Stufe wenig entwickelter Produktivkräfte und
Kapitalkonzentration nicht realisierbar. Marx hat die Ab-
hängigkeit der Bauproduktion von der Entwicklungsstufe
der kapitalistischen Produktion so dargestellt:
„Auf den unentwickelteren Stufen der kapitalistischen
Produktion werden Unternehmungen, die eine lange Ar-
beitsperiode. also große Kapitalauslage für längere Zeit
2) Vgl. dazu: v. Einem, Fassbinder, Lang, Rinkleff: Grundeigen-
tum und Grundrente in der Theorie der politischen Ökonomie
in diesem Heft.
bedingen, namentlich wenn nur auf großer Stufenleiter
ausführbar, entweder gar nicht kapitalistisch betrieben,
wie z.B. Straßen, Kanäle etc. auf Gemeinde- oder Staats
kosten (in älteren Zeiten meist durch Zwangsarbeit, so-
weit die Arbeitskraft in Betracht kommt). Oder solche
Produkte, deren Herstellung eine längere Arbeitsperiode
bedingt, werden nur zum geringsten Teil durch das Ver-
mögen des Kapitalisten selbst fabriziert. Z.B. beim Haus:
bau zahlt die Privatperson, für welche das Haus gebaut
wird, portionsweis Vorschüsse an den Bauunternehmer.
Sie zahlt daher in der Tat das Haus stückweis ‚im Maß,
wie sein Produktionsprozeß vorangeht. In der entwickel-
ten kapitalistischen Ära dagegen, wo einerseits massenhaft
Kapitale in den Händen einzelner konzentriert sind,
andererseits neben den Einzelkapitalisten der assozlier-
te Kapitalist tritt (Aktiengesellschaften) und gleichzeitig
das Kreditwesen entwickelt ist, baut ein kapitalistischer
Bauunternehmer nur noch ausnahmsweis auf Bestellung
für einzelne Privatpersonen. Er macht ein Geschäft daraus
Häuserreihen und Stadtviertel für den Markt zu bauen,
wie einzelne Kapitalisten ein Geschäft daraus machen,
Eisenbahnen als Kontraktoren zu bauen.“‘“ 3)
Der hier beschriebene Entwicklungsgang der Bauproduk-
tion entspricht gegenwärtigen Tendenzen wie der Kon-
zentrationsbewegung in der Bauproduktion, der Produk-
tion von Eigentumswohnungen, Reihenhäusern etc. für
den Markt. Wir werden später noch darauf zurückkommen,
um die Frage zu beleuchten, warum sich diese Entwick-
lung, die offenbar selbst zu Marxens Zeiten schon ablasbar
war, erst so spät durchgesetzt hat, und dann untersuchen,
welche Auswirkungen auf die Architektentätigkeit damit
verbunden sind.
Der Architekt als integrative Klammer der zer-
splitterten frühkapitalistischen Bauproduktion
Untersucht man die Bauproduktion in ihrem historischen
Entwicklungsprozeß in seiner Abhängigkeit vom Grad der
Entwicklung der Produktivkräfte, so wird deutlich, daß
das eingangs genannte Spezifikum der ‘Selbständigkeit‘ im
Architektenbild genuin einer noch handwerklichen Stufe
der Bauproduktion innerhalb der entwickelten Warenge-
sellschaft zugehört: Den einzelnen Kapitalisten, die für
ihren eigenen Bedarf Häuser zu bauen gedachten, standen
selbständige Handwerker der verschiedenen Gewerke gegen:
über, deren Arbeitsvermögen zur Errichtung des Gebäudes
kombiniert werden mußte. Die Funktion des Architekten
wurde notwendig gewissermaßen als integrative Klammer
zwischen dem zersplitterten Baugewerbe und den verein-
zelten Bauherren. Der Architekt trat in Aktion auf den
Auftrag eines Bauherrn hin, der ein Gebäude bestimmter
Nutzung erstellen wollte und zu diesem Behufe mit dem
Architekten einen Kontrakt abschloß, der diesen verpflich-
tete, bestimmte notwendige Arbeiten in diesem Prozeß
zu übernehmen. Aufgabe des Architekten war ein einmal,
3) Marx: Kapital, Bd. 2, MEW 24, S. 236