ARCH+ 7. Jg. (1975) H. 26
ÖKONOMISCHE UND POLITISCHE DETER-
MINANTEN DER WOHNUNGSVERSORGUNG
— GRUNDRENTE, ZINS UND MIETWOH-
NUNGSBAU
Bearbeitet von Mitarbeitern des Instituts Wohnen und
Umwelt GmbH, Darmstadt.
1. Problemstellung und Bezugsrahmen
2. Die städtische Grundrente
2.1. Grundrente und Mietwohnungsbau
2.2. Bedeutung der Grundrente für die Wohnungs-
versorgung
2.3... Möglichkeiten zur Beeinflussung der Grund-
rente
3. Die Verzinsung des im Wohnungsbau angelegten
Kapitals
3.1. Die Wohnung als zinstragendes Kapital
3.2. Die Zinsentwicklung für Mietwohnungen
3.3. Mietpreisstopp für Altbauwohnungen
3.4. Wohnungsbau und Kapitalmarkt
35 Staatliche Förderung des Wohnungsbaus
1. Problemstellung und Bezugsrahmen
1.Mit den folgenden Thesen wird an die Tatsache ange-
knüpft, daß in der BRD noch immer ein Großteil der
Bevölkerung mit Wohnraum sowohl quantitativ als auch
qualitativ unzureichend versorgt ist. Dies gilt insbesonde-
re für die überwiegend in den Verdichtungsräumen le-
benden 3,5 Mio. ausländischen Arbeiter und ihre Fami-
lienangehörigen, für die schätzungsweise bis zu 800 000
Obdachlösen und für kinderreiche Arbeitnehmer-Haus-
halte, für die ein Fehlbedarf von annähernd 1 Mio. an-
gemessen großer Wohnungen besteht. Die Wohnungsnot
findet heute ihren Ausdruck nicht darin, daß — absolut
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gesehen — zu wenig Wohnungen vorhanden sind oder ge-
baut werden. Vielmehr hat die Liberalisierung des Woh-
nungsmarktes die Miethöhe auf ein Niveau ansteigen las-
sen, das von Beziehern niedriger oder durchschnittlicher
Einkommen nicht oder kaum getragen werden kann. Es
ist also der Mietpreis in Verbindung mit der Zahlungsfähig
keit der Mieter, auf welche die Notlage in der Wohnungs-
versorgung breiter Kreise der Bevölkerung zurückzufüh-
ren ist.
2. Die Durchschnittswerte der amtlichen Mietenstatistik
weisen zwar auch den gegenüber anderen Gütern überpro-
portionälen Anstieg der Mieten in den vergangenen 15
Jahren aus. Von der erheblichen Streuung um den statisti-
schen Mittelwert, in der gerade die erheblich differieren-
den Mietpreise auf den Wohnungsteilmärkten zum Aus-
druck kommen, wird abgesehen. Deshalb können diesen
Angaben weder Unterschiede der Mietpreisentwicklung
auf den Wohnungsteilmärkten, noch Auskünfte über das
jeweils erreichte, aktuelle Mietpreisniveau entnommen
werden, jenes Mietpreisniveau also, dem sich die jeweils
Wohnungssuchenden konfrontiert sehen. Gerade die ak:
tuellen Mieten erlauben nicht nur eine realistische Beur-
teilung des Wohnungsmarktes, sondern sind auch Indika-
tor für die Entwicklung des Mietpreisniveaus. Sie sind
außerdem von Bedeutung, weil von dem aktuellen Miet-
preisniveau Rückwirkungen auf die Mieten insgesamt
ausgehen. Nach Aufhebung der sogenannten Wohnungs
zwangswirtschaft im Jahre 1960 kam dieser Effekt voll
zur Geltung, d.h., auch das Mietengefälle zwischen Neu-
und Altbauwohnungen verringerte sich stark, ohne
daß die gestiegenen Altbaumieten in der Verbesserung
der Ausstattung ein Äquivalent hatten oder haben mußten.
3. Gravierend sind die Disproportionen der Mietpreis-
‚steigerungen und des erreichten Mietpreisniveaus zwi-
schen den Verdichtungsräumen und dem ländlichen
Raum. Da neun Zehntel aller Arbeitnehmer-Haushalte
in den Großstädten in Mietwohnungen eingerichtet sind
und knapp die Hälfte aller Mieter- und Untermieterhaus
halte in der BRD auf die Großstädte entfällt, steht die
angemessene, d.h. vor allem finanziell tragbare Versor-
gung der Bevölkerung mit Wohnraum in den Verdichtungs-
räumen im Brennpunkt der wohnungspolitischen Dis-
kussion. Aber gerade in den Verdichtungsräumen und
Großstädten werden erhebliche über den Rahmen durch-
schnittlicher Preissteigerungen für andere Güter und
Dienstleistungen hinausgehende Mieterhöhungen durch-
gesetzt. Der wichtigste Grund hierfür ist darin zu sehen,
daß die Mieter aufgrund der Bindung an ihre Arbeits-
‘plätze dieser Marktsituation nicht ausweichen können.
In den Großstädten, besonders der Verdichtungsräume,
werden Altbauwohnungen, selbst solche vergleichsweise
geringen Wohnwerts, kaum noch unter 5,— DM pro
qm im Monat vermietet. Im freifinanzierten Mietwohnungs-
bau ließ die Entwicklung der Bau- und Finanzierungskosten
die Neubaumieten auf über 10,— DM pro qm im Monat
ansteigen, so daß solche Wohnungen in Anbetracht der
zahlungsfähigen Nachfrage zunehmend unvermietbar wer-
den.