Full text: ARCH+ : Studienhefte für Planungspraxis und Planungstheorie (ab H. 28: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen) (1975, Jg. 7, H. 25-28)

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in 
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modell liegt der verallgemeinernde Charakter des Falles 
„Bologna” (der vielen „Bolognas” in Italien), begriffen 
als Beitrag zu einer Theorie der Planung in kommunalen 
und regionalen Rahmen. 
Eine Gesamtanalyse kann in diesem Artikel nicht ge- 
leistet werden. Aber die neue Formulierung der Bologne- 
ser Frage und die Benennung der zu untersuchenden Ele- 
mente in ihrem problematischen Charakter könnten schon 
über das Phänomen Bologna hinaus einen Einblick in die 
Situation der Stadtplanung als „politischer Planung” in 
Italien geben, wie es bereits seitens internationaler Insti- 
tutionen versucht wird 21). 
Der Artikel wird zum größten Teil eine Kritik der 
deutschen Perzeption des Bologneser „Beispiels” bis En- 
de 1974 bleiben. Dies kann jedoch zugleich ein prakti- 
scher Beitrag zur Diskussion über Stadtplanung in Italien 
sein. In der dortigen Urbanismus-Diskussion sind zahl- 
reiche theoretische Ansätze entwickelt worden zur Über- 
windung der herkömmlichen, positivistisch geprägten 
Stadtplanung; herrschendes Thema ist dabei die Bildung 
einer Theorie der „bürgerlichen” oder „kapitalistischen” 
Stadt und die Formulierung einer Gegenstrategie. 22) „Bo- 
logna” — so sehr es in seiner exemplarischen, jedoch nicht 
in seiner historischen Bedeutung noch relativiert werden 
muß — ist zur Bestätigung einer positivistischen Planer- 
ideologie benutzt worden, aber es kann auch eine prak 
tische Kritik dieser Ideologie leisten. Es kommt darauf 
an, wie man an Bologna herangeht. Das positivistische 
Stadtplanungsdenken, das die problematische Struktur 
der modernen Stadt in empirischen Kategorien erfaßt — 
„Arbeiterwohnung” oder „-siedlung”, „City””, „„Verdich- 
tungs-” und „ländliche Problemgebiete” usw. —, beharrt 
auf quantitativen Lösungen für die Probleme dieser nicht 
historisch verstandenen Bestandteile der „Stadt”’. Dieses 
Denken hat bis jetzt die internationale Bologna-Perzep- 
tion beherrscht. Bologna bietet jedoch nicht solche quan- 
titativen Lösungen (und wenn, dann nur bereits bekann- 
te Lösungen) an — schon gar nicht dort, wo der Stadt- 
planer sich der politischen Frage entledigt und „urteils- 
frei” handelt, aber auch nicht dort, wo er ein politisches 
Urteil fällt, aber lediglich in sozialreformerischen Maß- 
nahmen die quantitative Verbesserung der schlechten ur- 
banen Qualität anstrebt. Vom Standpunkt der neuen Ur- 
banismus-Diskussion in Italien aus können jedoch am 
Fall Bologna andere Kenntnisse gewonnen werden: wie 
zunächst theoretisch entwickelte Alternativen zur bürger- 
lichen” und „kapitalistischen”” Stadt im bestehenden ge- 
sellschaftlichen System verwirklicht werden können, d.h. 
wie die dichotomische Struktur dieser Stadt in einer neu- 
en Qualität aufgehoben werden kann. 
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ARCH*+ 7. Jg. (1975) H. 26 
II. Die Ergebnisse der Bologna-Diskussion: 
Utopie, Bluff, importierbares Modell 
ı Nicht nur der Experte, der in Bologna quantitative 
Lösungen sucht, wird enttäuscht; auch der nach der Lek- 
türe mancher enthusiastischer Berichte voreingenom- 
mene Bologna-Durchschnittsbesucher bleibt nach langer 
Suche enttäuscht vor einer bescheidenen Baustelle in 
San Leonardo stehen. Bei den meisten Fällen von des- 
kriptiven Darstellungen der Bologneser Stadtplanung 
hat es sich um freie Übersetzungen einiger Grundtex- 
te der Kommune gehandelt; sie haben jedoch nicht zwi- 
schen diesen Texten und der Wirklichkeit vermittelt; 
sie sind Berichte über Texte geblieben. Sie haben wohl 
einige der auffälligsten „Erscheinungen” Bolognas weit 
und breit bekannt gemacht: auf der einen Seite soziale 
Sanierung/Erhaltung des historischen Zentrums, Null- 
tarif usw.; auf der anderen Seite der offizielle Jargon 
einer Stadtverwaltung im kapitalistischen Westen gegen 
Boden- und Bauspekulation, gegen die monopolisti- 
schen und faschistischen Tendenzen des heutigen Kapi- 
talismus und für Selbskontrolle des „Territoriums” 
durch die Arbeiter. Aber immer wenn diese „Erschei- 
nungen” von ihrem genetischen Kontext und teilweise 
auch voneinander losgelöst dargestellt werden, schlägt 
Politisches in Technisches und Technisches in,imma- 
nente Möglichkeiten des Systems, Soziales in Sozialro- 
mantisches, Äußerungen des Klassenkampfes in pitto- 
reske Phrasen um. 
Der außenstehende Stadtplaner will sich seinen fach- 
spezifischen Anteil aneignen und auf den Rest lieber ver- 
zichten — im guten Glauben, daß dieser sein „Planer”- 
Anteil aus der Spontaneität des sozialen und politischen 
Systems entspringt. An dieser Verkürzung der Probile- 
matik waren auch die Bologneser schuld, und sie üben 
jetzt Selbstkritik; einer berichtete über den „Erfolg” 
seiner Stadtplanung beim Symposium des Europarates 
im Oktober 1974: „Wir haben uns geirrt. Wir haben nur 
die Resultate vermittelt, und nicht den Weg, der uns zu 
diesen Resultaten geführt hat. . . Die Thesen für das hi- 
storische Zentrum sind nicht ein Modell für den Export, 
sondern eine ‘politische Linie, die zu verbreiten wäre 23) 
Bis jetzt ist die „Aneignung”” Bolognas also eine aka- 
demische geblieben. Trotz so großer internationaler Be- 
wunderung konnte doch das Bologneser Beispiel in kei- 
nem einzigen Fall außerhalb Italiens importiert werden. 
Immerhin hat es einen gehobenen Tourismus ausgelöst, 
aus der Reihe der Stadtplanungsfans viele in die Stadt ge 
lockt. Auch die Regeln des möglichen Imports konnten 
nicht überzeugenderweise genannt werden 24). Inzwi- 
schen ist die Interpretation ihren eigenen unzureichen- 
den Prämissen zum Opfer gefallen, und das Lager hat 
sich gespalten. Vorsichtige Stadtplaner möchten lieber 
auf das Endprodukt warten. Sie mögen Recht haben, 
denn einerseits ist im Bologna-Zentrum bis jetzt wenig 
gebaut oder restauriert worden und andererseits haben 
sie schon ihre Frage auf ihre Weise gestellt: können die 
Sanierungsziele erreicht werden mit einer Politik, die
	        
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