Full text: ARCH+ : Studienhefte für Planungspraxis und Planungstheorie (ab H. 28: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen) (1975, Jg. 7, H. 25-28)

Halfmann/Zillich 
Jaspar Halfmann/Clod Zillich 
UNKRAUT VERGEHT NICHT 
Modelle kreativer Selbsthilfe 
Theorie-Material 
Utopische Landschaft 
Modelle für Gartensiedlungen am Beispiel des 
Siedlungsbereiches Quickborn-Lübars/Berlin 
2.1 Einleitung 
2.2 Zur Chronologie des Projektes 
2.3 Zusammenarbeit mit dem Siedlerverein Quickborn 
2.3 Das Modell „Parksiedlung‘ 
2.41 Unterstützte Selbsthilfe 
2.42 Selbstdarstellung der Siedler 
2.43 Passagenkonzept 
2.5 Die Wettbewerbsentscheidung 
2.6 Das Quickborn-Modell 
2.7 Die Studie 
3. Straßenaktion Lübbenerstraße 
Experiment zur Aneignung eines öffentlichen 
Strassenraumes durch seine Bewohner 
3.1 Der Ort 
3.2 Das Thema 
3.3 Die Ziele 
3.4 Der konkrete Ausgangspunkt 
3.5 Die Aktion 
3.6 Auswertung und Perspektive 
ha 
Die folgenden Beiträge sind im Rahmen des Projektes HEI- 
MAT KAPUTT -— Kreative Formen der Selbsthilfe zur Verbesse- 
rung städtischen Wohnmilieus — (Halfmann, Wontroba, Zillich) 
entstanden, das aus Anlaß des 25-jährigen Bestehens der Berliner 
Festwochen und als Beitrag der Festwochen und des Künstlerhau- 
ses Bethanien zum europäischen Denkmalschutzjahr in Form ei- 
ner Ausstellung mit Aktionen im Stadtgebiet und einem Colloqui- 
um der Öffentlichkeit vorgestellt worden ist. 
Aktionsfelder waren drei typische Konfliktmilieus: 
— ein altstädtisches Viertel (Straßenaktion — Lübbenerstr., Kreuz- 
berg 
ein Neubauviertel (Kommunikative Kinder- und Jugendein- 
richtung „Wagenhurg‘ im Märkischen Viertel) 
Stadtrandbereiche (Siedlungsgebiet Quickborn/Lübars und 
Neuplanungsbereich Düppel-Nord/Sozialplanungsbude) 
Die theoretischen Texte versuchen ein Kompendium 
von Aspekten zum Verständnis des Projektansatzes dar- 
zustellen. Eine fundierte, abgesicherte theoretische Arbeit 
kann nicht Gegenstand dieses Projektes sein; es versucht 
exemplarisch, in einem durch Theorie nicht abgesicherten 
Gebiet zu experimentieren. 
1. Theorie-Material 
Zum europäischen Denkmalschutzjahr 1975: 
In die allgemeine Manipulation sanktionierter Kultur- 
güter ist das vermeintlich Unverschandelte unterdessen 
einverleibt; auch bedeutende ältere Gebilde wurden durch 
Rettung zerstört. Sie weigern sich der Restauration dessen, 
' was sie einmal waren. Objektiv, nıcht erst im reflektieren- 
den Bewußtsein lösen kraft ihrer eigenen Dynamik wech- 
selnde Schichten von ihnen sich ab. Das jedoch stiftet eine 
Tradition, der allein noch zu folgen wäre. Ihr Kriterium 
x ist correspondance. Sie wirft, als neu Hervortretendes, 
Licht aufs Gegenwärtige und empfängt vom Gegenwärti- 
gen ihr Licht. Solche correspondance ist keine der Einfüh- 
lung und unmittelbaren Verwandtschaft, sondern bedarf 
der Distanz. Schlechter Traditionalismus scheidet vom 
9Wahrheitsmoment der Tradition sich dadurch, daß er Di- 
stanzen herabgesetzt, frevelnd nach Unwiederbringlichem 
greift, während es beredt wird allein im Bewußtsein der 
Unwiederbringlichkeit. 
Theodor W. Adorno: Über Tradition, in: Ohne Leitbild 
Frankfurt 1967 
Der Prozeß Architektur hört nicht auf, indem ein Gebäu- 
de fertiggestellt ist, er begreift Vergangenes und Zukünfti- 
ges im Material seiner Sprache: Sedimentierte Geschichte, 
deren Elemente konvulsivisch immer zu Neuem wieder auf- 
getrieben werden im „Produktionsversuch menschlicher 
Heimat“ (Bloch). 
Der zwanghaften Vorstellung der Reinigung der Archi- 
tektur von ihrer Vermischung mit malerischen, skulptur: 
alen oder literarischen Bereichen, einem der erklärten 
Ziele des Funktionalismus, gesellt sich die totale Ignoranz 
gegenüber improvisierten, stillosen, spielerischen, unmittel- 
baren Elementen von Architektur und damit den Interes- 
sen der Benutzer. 
Doch Architektur ist ein Medium — wie andere Medien 
unbegrenzter Veränderungen des Ausdrucks fähig. Was 
wir seit einiger Zeit erleben, ist die Wiederkehr des Ver- 
drängten. Ins Blickfeld der Theorie gerät eine andere archi- 
tektonische Praxis. Deren Extreme sind einerseits Disney- 
land und Las Vegas, eine kommerzielle Architektur po- 
pulärer Zeichen und Symbole und andererseits die squat- 
ter-settlements, die illegalen Elendssiedlungen der 3. 
Welt, eine Architektur, die unmittelbar von den Benut- 
zern aus sozialer Not improvisiert wird. 
Das Feld dieser Beispiele scheint weit gespannt und 
ohne Bezug zu unseren Problemen. 
Dennoch haben wir Zonen in unseren Städten, in de- 
nen Aspekte von Disneyland und solche der squatter- 
settlement unmittelbar miteinander verbunden als eine 
kreative Einheit erscheinen: die Gartensiedlungen. In ih- 
nen finden alle von der funktionalistischen Ideologie ver- 
bannten Tendenzen ihren populären Ausdruck. 
Nach selbstbewußter Maßgabe der unmittelbaren Interes- 
sen der Bewohner wird hier stillos, oder in:allen Stilen 
improvisiert und eine heitere Ignoranz gegen die Dogmen 
der modernen Architektur praktiziert. 
Die theorielose Subjektivität benutzt das Medium 
Architektur uneingeschränkt: ornamentale, malerische, 
plastische, symbolische Elemente fügen sich selbstver- 
ständlich zueinander, als habe es die Verbote nie gege- 
ben. 
Was nun ist der strukturelle Hintergrund dieser Wieder- 
kehr des Verdrängten; gegen welche Gesetze verstieß der 
Funktionalismus, daß dies nun Alles gegen ihn sich erhebt?
	        

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