Halfmann/Zillich
lisierung der in Spiel und Test entwickelten Alternativ
vorschläge zur Verbesserung des Wohnmilieus.
Forderung nach größerem Freiraum und Handlungs-
möglichkeiten für Selbsthilfe; Diskussion über Insti-
tutionalisierung von Selbsthilfemodellen.
Langfristig: Klare Abgrenzung des Terrains der Selbst-
hilfe gegen das Terrain der öffentlichen und Hauseigen-
tümermaßnahmen: Instandsetzung und Modernisierung
verkommener Bausubstanz und Verbesserung der man-
gelhaften sanitären und sozialen Infrastruktur.
3.4 Der konkrete Ausgangspunkt
Basis des Experiments sind die aktuelle Rechtslage,
die eine nur vorübergehende Umnutzung der Straße für
kommunikativ-ästhetische Aktivitäten zuläßt (Auflagen
des Straßentiefbauamtes und der Polizei), sowie die rele-
vanten Ansprüche der Bewohner der Straße, die sich
u.a. bereits in einer Spielstraßenaktion 1973 artikuliert
hatten.
3.5 Die Aktion
Das Experiment begann mit der Herstellung eines gros-
sen Modells des Straßenraumes mit aufgezogenen Photos
der Häuserfassaden. (Höhe der Häuser etwa 60 cm, Län-
ge des Modells etwa 10 m). Das Modell war zerlegbar in
16 Segmente, die jeweils eine Fassade, den entsprechen-
den Bürgersteig und Fahrbahnabschnitt und die gegen-
überliegende Fassade umfaßten.
Die Herstellung selbst war schon Teil der Aktion, sie
vollzog sich vor einem uns zur Verfügung gestellten La-
den in der Straße. Neugierigen und interessierten Passan-
ten konnte dabei Sinn dieses Modells und Ziel der Ak-
tion erläutert werden. Die einzelnen Segmente wurden
anschließend an interessierte Personen oder Gruppen,
Eltern, Kinder, Wohngemeinschaften, Schüler . . . ver-
teilt. (insgesamt 8 Erwachsenen- und 8 Kindergruppen).
Kontaktpersonen und Betreuer gaben den Spielgrup-
pen Starthilfe, was Materialwahl und Thematik betraf,
ohne Einschränkungen oder sonstige Einflußnahme, um
den kreativen Prozess nicht zu blockieren. Das Video-
team beobachtete und begleitete täglich den Spiel-
und Bauprozeß in den einzelnen Gruppen (z.T. in den
171
Wohnungen, z.T. im Laden), abends wurden die Bänder
über einen Monitor in der Straße nach dem Prinzp einer
Video-Zeitung abgespielt.
Nach ca. einer Woche wurden die Ergebnisse aus den
Wohnungen und dem Laden zusammengetragen und auf
der Straße zu dem 10 m langen Modell zusammengesetzt.
Das Produkt war ein Kollektiv-,,Kunstwerk‘‘, komisch,
unerwartet, kreativ, assoziationsstimulierend, ideenreich,
amüsant. (Die Surrealisten nannten diese Technik „Ca-
davre exquis‘‘, nach den Anfangsworten eines nach der-
selben Methode von ihnen durchgeführten Satzbildungs-
spiels.)
3.6 Auswertung und Perspektive
Die Vielfalt der Gestaltungs- und Nutzungsvorschlä-
ge wurde von uns nach Gruppen geordnet und entspre-
chend der Häufigkeit ihrer Nennung in eine Reihenfolge
gebracht. An erster Stelle rangierten eindeutig Balkone (!)
auf den nächsten Plätzen folgten Sitzgelegenheiten, Vor-
gärten, Straßengrün, Bäume, Spielgerät, Pergolen, Fassa-
denschmuck usw. bis hin zu Brunnen, Straßenparks und
phantastischen Objekten.
Diese Auswertung wurde als Flugblatt wieder in der
Straße verteilt, um die Meinung aller der Leute zu erfah-
ren, die bei dem Spiel noch nicht mitgemacht haben.
Von den am meisten gewünschten Dingen ist als erste
praktische Auswirkung die Realisation eines Buddelka-
stens, einer Hausbank und eines Straßenpodestes mit den
Bewohnern zusammen vorgesehen.
Über das Experiment hat mit der in der Straße arbeiten-
den Initiative ein Diskussionsprozeß eingesetzt, wie diese
manifeste Darstellung des Beteiligungswillens und der
Kreativität von Betroffenen in eine längerfristige Strate-
gie eingebaut werden kann. Kurzfristiges Ziel ist dabei der
Stopp des schleichenden Verstimmungsprozesses des
Viertels, längerfristiges Ziel eine Verbesserung der Wohn-
verhältnisse in diesen Wohnblocks unter der Vorausset-
zung, daß durch einen hohen Anteil an Eigenleistung
und Selbsthilfe der Betroffenen die augenblicklich noch
übliche Miethöhe von etwa 2,50/qm im wesentlichen bei-
behalten werden kann.
Auszug aus einem Positionspapier des „Siedlervereins Quickborn/
Lübars‘*
1) „Im landschaftlichen Ideenwettbewerb im Raum Lübars, aus-
gechrieben vom Senator für Bau- und Wohnungswesen, hat der
Siedlerverein Quickborn Lübars seine Vorstellungen über die
Gestaltung des Lübarser Raums und der Siedlungsgebiete dar-
gestellt, die in Zusammenarbeit mit der Arch.-Gruppe Half-
mann/Zillich, mit Korbmann; Kremser, Strauss, Wilke als
Wettbewerbsbeitrag eingereicht wurden: Die drei Siedlungen
Hasensprung, Karpfenteich und Mühlenberg sollen als Wohn-
Siedlung erhalten und durch Eigeninitiative der Bewohner
saniert sowie durch gemeinsame Aktion für die Allgemein-
heit zugänglicher gemacht werden (siehe Aktivitäten des
Siedlervereins Quickborn).
Baum- und Buschbestand sind zu erhalten und zu erweitern.
Die Zweckentfremdung freiwerdender Gärten als Sommer-
zweitwohnung wohlhabender Bürger ist zu verhindern. Wenn
diese Nutzung einreißt, bedeutet das schließlich „Entsiedlung
auf kaltem Wege‘‘, weil immer mehr ältere Bewohner vor der