Full text: ARCH+ : Studienhefte für Planungspraxis und Planungstheorie (ab H. 28: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen) (1975, Jg. 7, H. 25-28)

Halfmann/Zillich 
lisierung der in Spiel und Test entwickelten Alternativ 
vorschläge zur Verbesserung des Wohnmilieus. 
Forderung nach größerem Freiraum und Handlungs- 
möglichkeiten für Selbsthilfe; Diskussion über Insti- 
tutionalisierung von Selbsthilfemodellen. 
Langfristig: Klare Abgrenzung des Terrains der Selbst- 
hilfe gegen das Terrain der öffentlichen und Hauseigen- 
tümermaßnahmen: Instandsetzung und Modernisierung 
verkommener Bausubstanz und Verbesserung der man- 
gelhaften sanitären und sozialen Infrastruktur. 
3.4 Der konkrete Ausgangspunkt 
Basis des Experiments sind die aktuelle Rechtslage, 
die eine nur vorübergehende Umnutzung der Straße für 
kommunikativ-ästhetische Aktivitäten zuläßt (Auflagen 
des Straßentiefbauamtes und der Polizei), sowie die rele- 
vanten Ansprüche der Bewohner der Straße, die sich 
u.a. bereits in einer Spielstraßenaktion 1973 artikuliert 
hatten. 
3.5 Die Aktion 
Das Experiment begann mit der Herstellung eines gros- 
sen Modells des Straßenraumes mit aufgezogenen Photos 
der Häuserfassaden. (Höhe der Häuser etwa 60 cm, Län- 
ge des Modells etwa 10 m). Das Modell war zerlegbar in 
16 Segmente, die jeweils eine Fassade, den entsprechen- 
den Bürgersteig und Fahrbahnabschnitt und die gegen- 
überliegende Fassade umfaßten. 
Die Herstellung selbst war schon Teil der Aktion, sie 
vollzog sich vor einem uns zur Verfügung gestellten La- 
den in der Straße. Neugierigen und interessierten Passan- 
ten konnte dabei Sinn dieses Modells und Ziel der Ak- 
tion erläutert werden. Die einzelnen Segmente wurden 
anschließend an interessierte Personen oder Gruppen, 
Eltern, Kinder, Wohngemeinschaften, Schüler . . . ver- 
teilt. (insgesamt 8 Erwachsenen- und 8 Kindergruppen). 
Kontaktpersonen und Betreuer gaben den Spielgrup- 
pen Starthilfe, was Materialwahl und Thematik betraf, 
ohne Einschränkungen oder sonstige Einflußnahme, um 
den kreativen Prozess nicht zu blockieren. Das Video- 
team beobachtete und begleitete täglich den Spiel- 
und Bauprozeß in den einzelnen Gruppen (z.T. in den 
171 
Wohnungen, z.T. im Laden), abends wurden die Bänder 
über einen Monitor in der Straße nach dem Prinzp einer 
Video-Zeitung abgespielt. 
Nach ca. einer Woche wurden die Ergebnisse aus den 
Wohnungen und dem Laden zusammengetragen und auf 
der Straße zu dem 10 m langen Modell zusammengesetzt. 
Das Produkt war ein Kollektiv-,,Kunstwerk‘‘, komisch, 
unerwartet, kreativ, assoziationsstimulierend, ideenreich, 
amüsant. (Die Surrealisten nannten diese Technik „Ca- 
davre exquis‘‘, nach den Anfangsworten eines nach der- 
selben Methode von ihnen durchgeführten Satzbildungs- 
spiels.) 
3.6 Auswertung und Perspektive 
Die Vielfalt der Gestaltungs- und Nutzungsvorschlä- 
ge wurde von uns nach Gruppen geordnet und entspre- 
chend der Häufigkeit ihrer Nennung in eine Reihenfolge 
gebracht. An erster Stelle rangierten eindeutig Balkone (!) 
auf den nächsten Plätzen folgten Sitzgelegenheiten, Vor- 
gärten, Straßengrün, Bäume, Spielgerät, Pergolen, Fassa- 
denschmuck usw. bis hin zu Brunnen, Straßenparks und 
phantastischen Objekten. 
Diese Auswertung wurde als Flugblatt wieder in der 
Straße verteilt, um die Meinung aller der Leute zu erfah- 
ren, die bei dem Spiel noch nicht mitgemacht haben. 
Von den am meisten gewünschten Dingen ist als erste 
praktische Auswirkung die Realisation eines Buddelka- 
stens, einer Hausbank und eines Straßenpodestes mit den 
Bewohnern zusammen vorgesehen. 
Über das Experiment hat mit der in der Straße arbeiten- 
den Initiative ein Diskussionsprozeß eingesetzt, wie diese 
manifeste Darstellung des Beteiligungswillens und der 
Kreativität von Betroffenen in eine längerfristige Strate- 
gie eingebaut werden kann. Kurzfristiges Ziel ist dabei der 
Stopp des schleichenden Verstimmungsprozesses des 
Viertels, längerfristiges Ziel eine Verbesserung der Wohn- 
verhältnisse in diesen Wohnblocks unter der Vorausset- 
zung, daß durch einen hohen Anteil an Eigenleistung 
und Selbsthilfe der Betroffenen die augenblicklich noch 
übliche Miethöhe von etwa 2,50/qm im wesentlichen bei- 
behalten werden kann. 
Auszug aus einem Positionspapier des „Siedlervereins Quickborn/ 
Lübars‘* 
1) „Im landschaftlichen Ideenwettbewerb im Raum Lübars, aus- 
gechrieben vom Senator für Bau- und Wohnungswesen, hat der 
Siedlerverein Quickborn Lübars seine Vorstellungen über die 
Gestaltung des Lübarser Raums und der Siedlungsgebiete dar- 
gestellt, die in Zusammenarbeit mit der Arch.-Gruppe Half- 
mann/Zillich, mit Korbmann; Kremser, Strauss, Wilke als 
Wettbewerbsbeitrag eingereicht wurden: Die drei Siedlungen 
Hasensprung, Karpfenteich und Mühlenberg sollen als Wohn- 
Siedlung erhalten und durch Eigeninitiative der Bewohner 
saniert sowie durch gemeinsame Aktion für die Allgemein- 
heit zugänglicher gemacht werden (siehe Aktivitäten des 
Siedlervereins Quickborn). 
Baum- und Buschbestand sind zu erhalten und zu erweitern. 
Die Zweckentfremdung freiwerdender Gärten als Sommer- 
zweitwohnung wohlhabender Bürger ist zu verhindern. Wenn 
diese Nutzung einreißt, bedeutet das schließlich „Entsiedlung 
auf kaltem Wege‘‘, weil immer mehr ältere Bewohner vor der
	        
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