Full text: ARCH+ : Studienhefte für Planungspraxis und Planungstheorie (ab H. 28: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen) (1975, Jg. 7, H. 25-28)

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Ziehen wir uns also diesen Vorwurf zu und gehen auf 
die Bedingungen politischen Engagements in genossen- 
schaftlich organisierten Kleinbüros ein. 
Die ökonomische Grundlage dieser Büros liegt darin, 
daß sie entweder Kleinaufträge, oder spezifische Teil- 
aufgaben der Bauplanung übernehmen, damit aber sel- 
ber von kapitalistisch betriebenen Großbüros oder un- 
mittelbar-von der öffentlichen Hand als Auftraggeber 
abhängen. Wäre den Ausführungen der Editorial-Auto- 
ren der Versuch vorausgegangen, die Existenzbedingun- 
gen von Kleinbüros bzw. Genossenschaften im Zusam- 
menhang der derzeitigen Krise und ihrer Auswirkungen 
zu problematisieren, so wäre deutlich geworden, daß 
sich die spezifischen Voraussetzungen der Arbeit dieser 
Büros noch verschärfen, und zwar in dem Maße, wie das 
Auftragsvolumen durch verzögerten Aufschwung und das 
zu erwartende Sparprogramm der Regierung sowie durch 
Umwälzungen der technologischen Basis der Produktion 
in Umfang und Struktur modifiziert wird. Es gibt von da- 
her keinerlei Anhaltspunkte dafür wieso genossenschaft- 
lich organisierte Büros in Zukunft besser — und d. hieße 
ja angesichts bisheriger Erfahrungen: überhaupt erstein- 
mal — die „von außen, d.h. vom Kapital und seiner Ge- 
sellschaft . . .‘“ /S. 6/ im Planungsprozeß durchgesetzten 
Zwecksetzungen aus sich heraus beiseitezuräumen in der 
Lage sein sollten, indem sie eben „unabhängiger“ sind. 
Umso erklärlicher sind dagegen die bisherigen Fehl- 
schläge mit den Zielen genossenschaftlicher Organisa- 
tionsversuche, die eben dadurch gekennzeichnet sind, 
daß die Mitglieder in der Tat „Unternehmer sind und 
sich berufsständische Privilegien in neuer progressiver 
Form bewahren möchten.“ /S. 5/ Wenn es darum gehen 
soll, Politisierungsmöglichkeiten von Architekten und 
Planern aufzuzeigen, d.h. auch deren soziale Basis zu 
bestimmen, so sind jedoch keineswegs die Privilegien 
im Arbeitsprozeß das entscheidende Kriterium; ganz 
deutlich müssen dagegen die Bedingungen dieser Unter- 
nehmertätigkeit herausgearbeitet werden, und wie sie 
schließlich auf die Entfaltung sozialistischer Politik als 
dem Ziel dieser Politisierung auswirken. Diese spezifi- 
schen ökonomischen Existenzbedingungen selbständi- 
ger kleiner Produzenten beinhalten eben auch die ihr 
genau entsprechenden Interessen gegenüber den Produk- 
tionsverhältnissen: bewußtseinsmäßig kann dann aus die- 
sem Bereich heraus imgrunde nichts anderes erstrebt wer 
den als die bürgerliche Gesellschaft, die diese Form der 
Verausgabung von Arbeit absichert, indem sie sich aus 
ihr konstituiert — und genau dieses „Bedürfnis“ arti- 
kuliert sich — wie in Chile, wie in Portugal etc. — aus 
den-Zwischenschichten gerade umso konkreter und 
auch militanter, je deutlicher sozialistische Politik auch 
verwirklicht werden soll. 
Neben der Selbstorganisation der Arbeit /s. S.4/ zum 
Abbau von Fremdbestimmung der Berufstätigkeit ist es 
das zweite Ziel der genossenschaftlichen Organisation, 
das „politisch-soziale Engagement“ /S.5/ für die Bau- 
und Stadtplanung, d.h. Alternativen zu ihren herkömm- 
lichen Resultaten zu verwirklichen. Wie ist nun dieser — 
Brake/Fassbinder/Petzinger 
im allgemeinen ja bekannte — Berufspraxis-Ansatz zu be- 
urteilen? Inhaltlich können solche Alternativen von 
‚Architekten und Planern selbst — wenn auch natürlich 
den „Bedürfnissen‘ der Betroffenen gerecht — entwik- 
kelt werden. Eine derart „Gebrauchswert-orientierte 
Planung“ scheitert jedoch, soweit sie von den ökono- 
mischen Bedingungen abstrahiert, die diese Gebrauchs- 
werte erst konkret als auf dem Markt auch realisierbare 
Werte bestimmen; daher findet solch individualistisches 
Engagement seine Grenzen in den bestimmenden Mo- 
menten der Kapitalverwertung, wie sie sich zunächst 
schon einmal in der Auftragsvergabe ausdrücken. 
Genau demgegenüber können Planungs-Alternativen 
aus den realen Auseinandersetzungen um Bau- und Stadt: 
planungs-Maßnahmen heraus entwickelt werden. Dieser 
weiterentwickelte Ansatz, „Bedürfnisse“ durchaus kon- 
kreter, d.h. materieller und klassenspezifischer zu be- 
stimmen und zugleich die Voraussetzungen ihrer Durch- 
setzung mit zu entwickeln, ist wohl bereits gemeint mit 
dem „Versuch im Interesse von und mit basisdemokra- 
tischen Organisationen und Gruppen zu bauen.“ /S.8/ 
Und durch diese Kooperation kann das Konzept der ge- 
nossenschaftlichen Organisation wesentlich über den 
berufsständischen Bereich hinaus erweitert werden. 
Gleichzeitig kommt damit jedoch der Bezug auf die 
Inhalte der Berufstätigkeit erst so richtig zur Geltung. 
Nur bleibt völlig unklar, welche Funktion es denn nun 
für die Politisierung haben soll,“ gerade auch an den fach- 
lichen Inhalten anknüpfen“‘‘ /S. 5/ zu müssen. 
Höchst problematisch wäre es, wenn den Arbeitsin- 
halten mehr als die Bedeutung von Vermittlungsgliedern 
eines Problembewußtseins beigemessen werden würde, 
das sich zwar spezifisch an Bau- und Stadtplanungs-Maß- 
nahmen entzünden kann, jedoch als allgemeines, gesell- 
schaftliche vermitteltes Bewußtsein erst noch fundiert 
werden müßte. Andernfalls würden die Arbeitsinhalte 
selbst schon den Entwicklungsboden politischen Bewußt- 
seins im Sinne sozialistischer Politik darstellen. Während 
damit imgrunde aber nur eine Variante der Identifika- 
tion mit den Inhalten der konkreten Berufstätigkeit ge- 
meint sein könnte, ist die Kooperation zwischen Archi- 
tekten bzw. Planern und Bürgerinitiativen anhande kon- 
kreter Bau- und Stadtplanungs-Maßnahmen ja eben eher 
als ein „Durchlauferhitzer‘“ im Sinne der Beschleunigung 
von Klassenbewußtsein und Entfaltung sozialistischer Po- 
litik anzusehen. Die Frage ist nun, inwieweit die Voraus- 
setzungen dazu eingeschlossen sind. 
Das Konzept der Kooperation hängt sehr stark von den 
Intentionen der Architekten und Planer ab und davon, wie- 
weit sie sich durchsetzen. Nun zeigen die Erfahrungen — 
etwa mit dem Frankfurter Forum — daß solche Koopera- 
tionen eben soweit interessant sind, als sie auch der Auf- 
tragsbeschaffung, z.B. über den Weg der Beteiligung 
an Wettbewerben ‘im Auftrag‘ einer Bürgerinitiative, die- 
nen. Gerade eine angespannte Auftragslage wird sich al- 
so in verstärkter Anpassung an die Vorstellungen z.B. 
der Wettbewerbsauslober auswirken, d.h. als Gefahr der 
Verselbständigung der ökonomischen Existenzfragen de r
	        
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