Brake/Fassbinder/Petzinger
Architekten gegenüber den Interessen der Bürgerinitiative
Von diesen Problemen aber ist im Editorial nicht die Re-
de; ebenfalls wird nicht herausgearbeitet, daß die politi-
sierende Funktion einer Kooperation überhaupt nur da-
rin gesehen werden kann, daß die Architekten ihr spe-
zifisches fachliches Wissen zwar für alternative Pläne
einsetzen, jedoch nicht, um allein sie zu realisieren, son-
dern mehr als „konkrete Utopien“‘ in dem Sinne, daß da-
mit Material für einen Prozeß vorhanden ist, der allen am
Konflikt Beteiligten zur Vermittlung von Einsichten in
die ökonomischen und politischen Zusammenhänge und
in die Notwendigkeit und Möglichkeiten ihrer Verände-
rung verhilft.
Das Konzept der Kooperation muß darüberhinaus von
den Einschränkungen ausgehen, die ihm allein schon
durch die Auftraggeber und deren Interessen auferlegt
werden. Von diesen Voraussetzungen kann aber erst in
dem Maße abgesehen werden, wie deren Aufhebung ex-
plizites Ziel der Entfaltung sozialistischer Politik selbst
wird. Wie die Autoren nun auch sagen, fehlt aber in der
BRD genau die soziale Basis, die dieses Konzept z.B. in
Teilen Italiens in den Produktions-Genossenschaften
hat, die gerade die Bereiche z.B. der Finanzierung, der
Produktion und der Verwaltung von Wohnungen bereits
als Organisationen der werktätigen Bevölkerung selbst
betreiben. Dem bloßen Apell, daß es eben erforderlich
sei, „eine vergleichbare soziale Basis zu schaffen‘‘ /S.8/,
wäre jedoch der unerläßliche Hinweis auf die politische
Substanz gerade dieser sozialen Basis in Italien hinzuzu-
fügen: Initiativen in den Teilbereichen etwa der land-
wirtschaftlichen Produktion, der Wohnungsversorgung
etc. sind nicht zu trennen von der politischen Arbeit ih-
rer Mitglieder in der sozialistischen bzw. kommunisti-
schen Partei und in den Gewerkschaften. Damit steht
die basisdemokratische Arbeit einschließlich ihrer Koope-
ration mit weiteren Bereichen genau in einem politischen
Kontext, der ihr die wesentlichen Perspektiven einer Po-
litisierung auch erst vermitteln kann.
Gegenüber der durchaus verbreiteten Konzeption,
wie sie u.a. im Editorial vertreten wird, die sich für poli-
tische Arbeit ergeben, wenn sie von der adäquaten so-
zialen Basis absieht, d.h. vom Zusammenhang der Ent-
wicklung einer klaren politischen Perspektive angesichts
von Einstellungen, die aus ökonomischen Gründen (s.o)
notwendigerweise erst einmal nur höchst allgemein anti-
kapitalistisch sind. Wird nun nicht energisch genug auf
diese soziale Basis hingewirkt, so stellt sich die Frage, ob
denn realistisch angenommen werden kann, daß sich so-
zialistische Politik als Perspektive einer Politisierung von
Architekten und Planern tatsächlich im Rahmen einer
Kooperation mit klassenanalytisch unspezifischen Bür-
gerinitiativen, d.h. „von selbst‘“ ergeben kann? Diese
Möglichkeit bleibt ja allein denkbar, solange die bestehen-
63
den Ansätze organisierter Arbeiterbewegung in der BRD
in diesem Zusammenhang ganz einfach als irrelevant ab-
getan werden, indem sie zugunsten einer — in ihrem po-
litischen Potential eben überhaupt nicht ausgewiesenen
— Basisbewegung abgewertet wird: „Hier und jetzt eine
Interessenvertretung im ‘Reproduktionsbereich‘ allein
durch die Gewerkschaften zu postulieren, würde auf
eine bloß formal-organisatorische Vereinheitlichung der
Interessenvertretung zielen, welche real hinter das von
basisdemokratischen Initiativen erreichte politische Ni-
veau zurückfallen müßte. /S. 4/ Genau hiernach sollen
also dem historischen Stand von Klassenbewußtsein und
der entsprechend organisierten Arbeiterbewegung die po-
litische Einsichten entgegengehalten werden, zu der Intel-
lektuelle zwar fähig sind, die aber — der Gewerkschafts-
arbeit aufgesetzt — deren Basis, die immer auf der jewei-
ligen Entwicklungsstufe nur vereinheitlichte ist, zu zer-
stören droht.
Was aber bedeutet das dann letztlich, handelt es sich
doch um ein Konzept der Politisierung speziell derjeni-
gen Architekten und Planer, die noch nicht lohnabhän-
gig arbeiten? Die Einsicht in die Konsequenzen bleibt
im Editorial dadurch verwehrt, daß eben auf eine klas-
senanalytische Bestimmung dieses Potentials der sozia-
len Bewegung verzichtet wird: sie als Kleinproduzen-
ten, befangen im Prozeß der einfachen Warenzirkula-
tion zu erkennen, würde ja erst erklären können, wa-
rum sie genau dazu neigen, einerseits die Produkte ihrer
Arbeit als den Angelpunkt der „politischen Identitäts-
findung“ zu begreifen, und andererseits in besonderer
Weise dem Schein von Freiheit und Gleichheit anheim-
zufallen, worin sie die Durchsetzung ihrer ökonomischen
Interessen gut aufgehoben wähnen und woraus sich ihr
politisches Interesse gegenüber den Produktionsverhält-
nissen als kapitalistischen und in der politischen Form
der bürgerlichen Demokratie nährt. Und damit würde
dann auch die Grenze noch einmal ganz deutlich werden,
welche die Strategie des Anknüpfens an den Arbeitsin-
halten für den Prozeß der Herausbildung von Klassenbe-
wußtsein eben beinhalten kann. Zwar resultieren auch
für diese Zwischenschichten die Möglichkeiten des sozi-
alistischen Kampfes aus ihrem Widerspruch zum, d.h.
der drohenden Subsumtion ihrer Tätigkeit unter das Ka-
pital; jedoch an der Erhaltung ihrer besonderen Lebens-
umstände (etwa der Selbstverwirklichung) orientiert,
reicht dieses Engagement „von selbst‘ eben auch nur so-
weit, wie genau dies noch garantiert erscheint. Das zeigen
z.B. die Aktionen holländischer Binnerschiffer, franzö-
sischer Weinbauern, der Ärzte in Chile, von Bauern in
der BRD. Ohne eine spezifische Bündnispolitik können
aus potentiellen Bündnispartnern für den Aufbau des So-
zialismus auch seine Totengräber werden.
BEI UMZUG NEUE ADRESSE ANGEBEN !—