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lohnen im Stollwere!
Neue Pläne für das Severinsviertel:
Stollwerck wird umgebaut
In aller Eile und Heimlichkeit (damit nur ja keiner spekulieren kann),
hat die Verwaltung der Stadt Köln im letzten Jahr die vorbereitenden
Untersuchungen nach Städtebauförderungsgesetz für das Stollwerck-
Gelände durchgeführt. Die Bewohner der Annostraße wurden befragt,
(die Stollwerck-Arbeiter hat man dabei "vergessen") ein Bericht wurde
geschrieben, vom Regierungspräsidenten genehmigt und damit das Stoll-
werck-Gelände zum Sanierungsgebiet erklärt.
und was der Mensch mit viel Geld
und Zeit sonst noch braucht, wer-
den die alteingesessenen Händler
und Wirte vertreiben. Mit anderen
Worten: mit der Vertreibung der
Leute, die das Leben im Viertel
ausmachen,wi rd das Severinsvier-
tel sterben
fallt der Groschen, wenn er
siehtwie die Baukosten in die
Höhe gehen und wie Neubauwoh-
nungen nicht mehr vermietet wer-
den können, weil sie zu teuer
sind. Der Gedanke, daß Fabri-
ken, Speicher oder auch Kirchen
eine neue Bestimmung erhalten
können, ist nicht neu. In San
Francisco wurde eine alte Kon-
servenfabrik in ein Zentrum mit
Kneipen, Straßen, Treppen,
Arkaden und Balkonen umgebaut.
In Kopenhagen werden alte
Speicher zu Hotels umgebaut.
Ebenso könnten die Stollwerck-
Gebäude zum Wohnen, arbeiten
und leben neu genutzt werden.
Immerhin sind diese Gebäude
zum großen Teil Neubauten.
Der Abbruch von Stollwerck
(Kosten zwischen 1,5 und 2
Millionen) und Neubau auf diesem
Gelände würden zu Mieten führen,
die für die jetzigen Bewohner des
Viertels untragbar wären.
Ziel dieses ungewohnten Eifers
der Verwaltung war, mit der Er-
klärung zum Sanierungsgebiet
der Stadt ein Vorkaufsrecht zur
sichern und Städtebauförderungs-
mittel also Geld vom Bund bean-
tragen zu können. Diese Mittel
sind vorgesehen, um finanzielle
Hilfe bei der Umlegung von Be-
trieben zu gewähren oder Grund-
stücke zu kaufen, die für die Sa-
nierung notwendig sind.
Rüger will das Grundstück selbst
bebauen, weil er dadurch weit
mehr Profit herausholen kann.
So ist Rüger bereits bei Oberstadt
direktor Mohnen vorstellig gewor-
den, um sich als "Sanierungsträ-
ger" anzubieten.
.„.es gibt zwar Gesetze...
Bevor aber nun den wackeren
Volksvertretern vor Verzweif-
lung das Wasser in die Augen
schießt und sie anfangen den
bösen "Sachzwängen" die Schuld
in die Schuhe zu schieben, soll-
ten sie wenigstens die, wenn auch
geringen, Möglichkeiten des
Städtebauförderungsgesetzes
ausschöpfen. Nach diesem, für
das Stollwerck-Gelände gelten-
den Gesetz muß die Stadt jetzt
für dieses' Gebiet einen Bebau-
wngplan aufstellen ($ 10). In dem
Bebauungsplan, der vom Rat be-
schlossen wird, kann sie verbind-
lich festlegen, wie das Gelände
genutzt wird, z.B. für: "Sozial-
wohnungen, nichtstörendes Klein-
gewerbe, Kindergärten, Schuler-
weiterung". Sie kann bestimmen,
daß die brauchbaren Gebäude nicht
abgebrochen werden, sondern für
die Schaffung kostengünstiger
Wohnungen, soziale Einrichtungen
und Gewerbeflächen erhalten wer-
den.
Mit Hilfe des "Baugebots", ($ 20
Städtebauförderungsgesetzes)
kann die Gemeinde verlangen, daß
der Eigentümer "ein vorhandenes
Gebäude oder eine sonstige bau-
liche Anlage den Festsetzungen
des Bebauungsplanes anpaßt",
Kommt Rüger als Eigentümer des
Grundstücks diesem Baugebot nich
nach, weil eine solche an den
Bedürfnissen der Bewohner orien-
tierte Nutzung ihm zu wenig Profit
bringt, dann muß er das Grund-
stück an denjenigen verkaufen,
der den Bebauungsplan durchfüh-
ren will oder die Stadt muß ihn
nach $ 20.3 enteignen, um den Be-
bauungsplan durchzusetzen.
Sollten die Verhandlungen mit
Rüger über die Bebauung des
Stollwerck-Geländes ebenso hin-
ter verschlossenen Türen geführt
werden, wie seinerzeit mit Im-
hoff, so wird es allein der Ver-
handlungsführung des Oberstadt-
direktors zu verdanken sein, wenn
auch Rüger zu seinem Profit kommt
und die Stadt mal wieder in die
Röhre guckt.
Imhoff sahnt ab
Für die Umlegung des Stoll-
werck-Betriebs nach Porz (Volks-
blatt berichtete im Dezember) hat
Mehrheitsaktionär Imhoff dem Ober-
stadtdirektor und Stollwerck-Klein
aktionär Mohnen 10 Millionen Mark
Förderungsmittel abgehandelt. Als
Gegenleistung sollte Imhoff der
Stadt das Grundstück verkaufen.
Doch kurz bevor das Stollwerck-
Gelände - die Stadt hätte dann
das Verkaufsrecht gehabt - zum
Sanierungsgebiet am 3, Oktober
1974 erklärt wurde, verkaufte
Imhoff, die 10 Millionen Umle-
gungsmittel bereits in der Tasche,
das Grundstück für knapp 49 Milli-
onen an das Immobilienunternehmer
Dr. Rüger. Rüger bietet 9 Milli-
onen mehr als die Stadt für das
Gelände zahlen wollte. Stoll-
werckaktionäre - unter ihnen
Oberstadtdirektor Mohnen - freuen
sich: Die Täuschung der Stadt und
der rasche Griff in die Stadtkasse
sind bares Geld (als Dividende).
Severinsviertel für die
Reichen...
Der Traum von "Sozialwohnungen
nicht störenden Kleinbetrieben,
Kindergärten, Schulerweiterung"
(so zu lesen in einem Flugblatt
der SPD Köln-Süd gegen die
"Panikmacher") auf dem Stoll-
werck-Gelände ist dann endgül-
tig ausgeträumt, Billiger Er-
atzwohnraum für diejenigen, ı
Würde man die vorhandene
Bausubstanz dagegen ausbauen,
könnte man gemeinsam mit den
zukünftigen Mietern Wohnungen
planen, die ihren Wünschen und
Geldbeuteln angepaßt sind - und
nicht den Geldsäcken der Profit-
macher.
Rüger steigt ein
Aber was der trickreiche Stoll-
werck-Boß Imhoff kann, wenn es
um den Profit geht, das kann Det-
lev Renatus Rüger schon lange.
Kaum hat er das Grundstück,
schließt er mit einer gewissen
Auto-Union in Saarbrücken, die
über Schweizer Banken wieder
mit Rüger verbunden ist, einen
langfristigen Mietvertrag ab. Die
Auto-Union sall fast eine 1/2 Mi 1li
on Miete monatlich für die Gebäude
zahlen, so behauptet Rüger. Woll-
te die Stadt das durch den Ver-
kauf an Rüger bereits 9 Millionen
teurer gewordene Grundstück nun
kaufen, müßte sie noch einmal ein
paar Millionen an Entschädigungs-
geldern für die Ablösung des Miet-
vertrages draufzahlen.
Aber Rüger hat das Grundstück
nicht gekauft, um es für eim paar
lumpige Entschädigungsmillionen
wieder an die Stadt zu verkaufen.
In Kopenhagen wurde ein La-
gerhaus am Hafen in ein Hotel
umgebaut.
‚.. aber auf die
Volksvertreter ist kein
Verlaß
Leider beweist die bisherige
Praxis der Sanierung, daß die
Bedürfnisse der Bewohner über-
haupt niemanden interessieren,
wichtig scheint lediglich, wieviel
Profit die Kölner Klüngel-Promi-
nenz aus der Sanierung des Stoll-
werck-Geländes herausschlagen
kann. Das bedeutet, daß die Be-
wohner des Severinsviertels und
die an einer dem Viertel gerechten
Nutzung des Stollwerck-Geländes
interessierten Gruppen die Sache
selbst in die Hand nehmen müssen.
Billige Wohnungen durch
Selbsthilfe
Um die Mietkosten niedrig zu hal-
ten, wäre denkbar, daß die Woh-
nungen nur bis zu einem gewissen
Grad ausgebaut würden (Trennwän-
de, Fenster, Installationsanschlüs:
se). Die Mieter - im Viertel woh-
nen sehr viele Arbeiter und Hand-
werker können Restausbau je nach
Anspruch und Möglichkeiten selbst
durchführen. Die eingebrachte
Arbeitsleistung wird von der Mie-
te abgezogen; beim Auszug könn-
ten Einrichtungen, die man selbst
installiert hat , abgegolten werden
Wenn man das Ganze genossen-
In San Franzisko wurde eine
Konservenfabrik in ein Zentrum
mit Straßen, Arkaden, Geschäf-
ten und Restaurants umgebaut.
die aus ihren Altbauwohnungen
ausziehen müssen, aber im an-
gestammten Viertel bleiben wol-
ten, wird es im Dr. Rüger-Wohn-
Park nicht geben. Die Luxus-
Apartmenthäuser mit "repräsen-
tativer Eingangshalle mit Club-
garnituren, mit Schwimmbad,
Sauna, Solarium’ und Party-Raum
im 31. Geschoß" mit Blick auf den
Yachthafen werden zahlungskräf-
tigen Eigentümermund Mietern
vorbehalten bleiben, die sich
in ihren Einfamilienbungalows
im Grünen langweilen und es
chie finden, sich im Severins-
viertel eine Zweitwohnung zu
leisten
Als Anstoß zur Bildung einer
solchen Initiative hat die Kölner
Architektengruppe dt 8 ein Schau-
bild von einer Nutzung des
Stollwerck-Komplexes gezeich-
net, die sich an den Bedürfnissen
und Möglichkeiten der Bewohner
orientieren soll. Ausgangspunkt
der Überlegung ist,die zum großeı
Teil intakten Gebäude nicht abzu-
reißen, sondern durch entspre-
chenden Ausbau neu nutzbar zu
machen. Der Abbruch solcher
Gebäude, vor allem wenn sie
gewerblich genutzt würden, war
für Verwaltung und Planer bis-
her die einzig denkbare Losung,
um neues Bauland zu schaffen,
Doch bei dem einen öder anderen
oIKSBlatt:
5 Köln ı
Hohenzollernring 97
Telefon 52 97 94
.. die Bewohner können
die Koffer packen...
Aber nicht genug.damit. Die hoher
Mieten im Rüger-Wohn-Park werder
ihren Einfluß auf die sogenannte
Vergleichsmiete im Viertel haben:
Ardere Hausbesitzer bekommen so
die Möglichkeit, ganz legal ihre
Mieten anzuheben, Die alten Mieter
werden auf die Dauer ausziehen
müssen, um finanzstarkeren Mie-
tern Platz zu machen. Ebenso wird
der Mietpreis für Gewerbe- und Ge
schaftsflächen ansteigen. Kleine
Betriebe, die wenig Platz haben,
in Hinterhöfen oder’in mehreren
Stockwerken übereinander arbei-
ten müssen , können Mieterhöhunger
nicht auffangen, Die Wünsche der
neuen Bewohner beeinflussen das
Warenaängebot: Tante-Emma- Läden
werden diese Kunden kaum zufrie-
denstellen können, Boutiquen, De-
likateßgeschäfte, teure Restaurants
Kine Zeitung in Köln,
die über Bürgerinitia-
tiven, Stadtteilgruppen,
Mieterräte, Kinderläden,
Frauengruppen, Jugend-
zentren, Gastarbeiter-
vertretungen, Betriebs-
und Gewerkschaftsgrup-
pen, Jugend- und Schü-
lergruppen und viele meh]
berichtet und über ihre
Interessen informiert,
Ich abonniere Volks-
blatt für 12 DM jährlich
(12 Ausgaben im Jahr).
STOLLWERCK IN ZAHLEN
- 70 % der Gebäude wurden zwi-
schen 1950 und 1960 gebaut.
- etwa 400 Wohnungen mit durch-
schnittlich 100 qm kann man in +
auf den Gebäuden schaffen,
- für Gewerbe und öffentliche Ein
richtungen blieben 23000 qm,
- für Freiflächen auf Höfen + Ge-
bäuden ständen 30000 qm bereit.
- in einer Tiefgarage an der Bay-
enstraße können etwa 800 Pkw.
| untergebracht werden.
Oktober 1975
schaftlich organisiert, ist es
gewährleistet, die Mietpreisent-
wicklung und die Nutzung selbst
zu kontrollierer
Arbeit für kleine Betriebe
Die Durchführung eines solchen
abgestuften Ausbauprozesses, der
die Bedürfnisse und finanziellen
Möglichkeiten der Mieter berück-
sichtigt, ist für Großunternehmen
unrentabel. Für die Handwerks-
betriebe im Viertel dagegen wür-
de ausreichend Arbeit geschaffen,
Sie müßten sich zu Ausbaukolon-
nen zusammenschließen, um so
einen rationellen, zeitlich gut
abgestimmten und damit preis-
günstigen Ausbau durchzuführen.
Mieter planen selbst
Bedürfnisgerechte Wohnungen
kann man nur schaffen, wenn die
Mieter selbst entscheiden, wie
ihre Wohnungen aussehen sollen.
Für die Beteiligung der Mieter an
der Planung bietet der Stollwerck
Komplex ideale Voraussetzungen.
Die Hülle ist bereits vorhanden
und daher kann sich der Einzelne
eine Füllung viel leichter vorstel-
len. Wohnungsmöglichkeiten könn-
ten ausprobiert werden, indem sie
modellhaft in kleinen Maßstab in
einem der Gebäude aufgebaut und
verändert werden. Die zukünfti-
gen Mieter würden auch über die
Erschließung, die Gemeinschafts-
fMächen im Haus und die Nutzung
der Hofflächen entscheiden können
Die Beteiligung hilft so nicht nur
Fehlplanungen zu vermeiden,
sondern bewirkt auch ein Verant-
wortungsgefühl der Beteiligten
für das. was sie mitgeplant haben.
Beispiel Hamburg
In dem Neubaugebiet Hamburg-
Steilshoop hat eine Mieterge-
meinschaft zusammen mit dem
Architekten 35 verschiedene
Wohnungen in 6 Wohnetagen ge-
plant. Ursprünglich waren 75
herkömmliche Sozialwohnungen
vorgesehen. Die Mieter machten
daraus.17 Gemeinschaftswoh-
nungen urd 18 Normalwohnungen
Anstelle von 75 Küchen wurden
durch gemeinschaftliche Benut-
zung nur 39 Küchen benötigt.
Die eingesparte Fläche wurde
für Gemeinschaftsräume und
Kindergärten verwendet.
Was aus Stollwerck alles
gemacht werden kann
Um eine Vorstellung davon zu
vermitteln, was man mit dem
Stollwerckgebäude alles machen
kann, hat die Architektengruppe
ein Plakat angefertigt, das in
der Südstadt geklebt wird.
Es ist als Anregung zur Diskussi-
on gedacht und nicht etwa als
fertiger Entwurf. Einmal soll
darauf hingewiesen werden, daß
es sich beim Stollwerck-Komplex
um wertvolle Bausubstanz han-
delt, die man nicht einfach ver-
schleudern darf. Zum anderen
soll gezeigt werden, daß die
gesamte Anlage von den Stand-