Carlo Aymonino: Wohneinheit in Gallaratese, Mailand, 1967 - 73, Blick auf das Amphitheater
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Carlo Aymonino: Wohneinheit in Gallaratese, Mailand, 1967 - 73, Lageplan
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Aldo KHossi: Wohneinheit in Gallaratese, Block ı
Auf diese Weise verliert sich ein derarti-
ger Versuch in dem äußersten Bemühen,
die Institution Baukunst zu retten. Der
“Faden der Ariadne”’, mit dem Rossi seine
Arbeit durchwebt, stellt die Disziplin nicht
wieder her, sonder löst sie eher auf und be-
wahrheitet damit die tragische Einsicht
Georg Simmels: ‘“Eine Form, die offen für
das Leben ist, dient diesem, kann aber
selbst Leben nicht geben”. 16)
Hieraus resultiert ein Ergebnis von grund-
sätzlicher Bedeutung, das für unsere zeit-
genössische Kultur als selbstverständlich
angenommen werden kann, jedoch bestän-
dig verdrängt wird. Die Weigerung Rossi’s,
Formen zu manipulieren, schließt tatsäch-
lich eine Debatte ab, die zuerst von Adolf
Loos aufgenommen wurde und die ihren
stärksten Vertreter in Kar/ Kraus hatte:
‘In dieser großen Zeit, die ich gekannt habe,
wie sie noch so klein war, und die wieder klein
werden wird, wenn ihr dazu noch Zeit bleibt, . ..
in dieser lauten Zeit, die da dröhnt von der schau-
erlichen Symphonie der Taten, die Berichte her-
vorbringen und der Berichte, welche Taten ver-
schulden: in dieser da mögen Sie von mir kein
eigenes Wort erwarten, keins außer diesem, das
eben noch Schweigen vor Mißtrauen bewahrt. Zu
tief sitzt mir Ehrfurcht vorder Unabänderlichkeit,
Subordination der Sprache vor dem Unglück. In
den Reichen der Phantasiearmut, wo der Mensch
an seelischer Hungersnot stirbt, ohne den seeli-
schen Hunger zu spüren, wo Federn in Biut tau-
chen und Schwerter in Tinte, muß das, was nicht
gedacht wird, getan werden, aber das, was nur ge-
dacht wird — unaussprechlich. Erwarten Sie von
mir kein eignes Wort. Weder vermöchte ich ein
neues Zu sagen, denn im Zimmer, wo einer
schreibt, ist der Lärm so groß, und ob er von Tie-
ren kommt, von Kindern oder nur von Mörsern,
man soll. es jetzt nicht entscheiden. Wer Taten zu:
spricht, schändet Wort und Tat und ist zweimal
verächtlich. Der Beruf dazu ist nicht ausgestor-
ben. Die jetzt nichts zu sagen haben, weil die Tat
das Wort hat, sprechen weiter. Wer etwas zu sa-
gen hat, trete vor und schweige.‘ 9)
Wenn die ‘Tat das Wort hat”, bleibt uns
nichts anderes als die Taten für sich spre-
chen zu lassen und in Schweigen zu ver-
harren, um das Spektrum der großen Werte
zu erhalten. Über sie, und hierin stimmen
Karl Kraus, Adolf Loos und Ludwig Witt-
genstein überein, ‘“können wir nicht spre-
chen”, ohne sie zu , wie Adolf Loos es auS-
drückt, verunreinigen. Doch lehnt’man ab,
mit den Mitteln der Architektur zu spre-
chen, geht nur das verloren, was sich dem
Leben ohnedies entzieht: das Monument —
das ist die künstliche Konstruktion einer
kollektiven Erinnerung, (eine wirkliche "’Pa-
rallelaktion’” zum ‘Mann ohne Eigenschaf-
ten”) — und das Grabmal — die Illusion
einer Welt jenseits des Todes 18). D. h. nur
im Dienst illusorischer, virtueller Funktio-
nen, ist es heute möglich, virtuelle Räume
zu schaffen.
Die oben erwähnte Aussage Simmels wird
so durch ihre Umkehrung bestätigt: der
Raum des (alltäglichen) Lebens schließt
den Raum der Form aus oder hält ihn zu-
mindest unter ständiger Kontrolle. Im
Wohnkomplex von Gallaratese in Mailand
entwickelte Rossi ein Gegenstück zu dem
gemäßigten Expressionismus von Carlo
Aymonino, — der dort seine Wohnblocks
so ausrichtete, daß sie in ihrem Drehpunkt
(dem Mittelpunkt eines Amphitheaters) in
einem komplexen Zusammenspiel aus
künstlichen Straßen und Knotenpunkten