war notwendig unmenschlich. Aber der
Lernprozeß, der der staatlichen Planung
dadurch aufgezwungen worden ist, droht
in die falsche Richtung zu gehen: statt
des Großornaments versucht man es mit
kleinen, gehäuften Detailornamenten. Da-
mit detailliert sich der Widerspruch, ohne
daß sich die ästhetische Willkür, die Fremd
heit gegenüber den von oben geplanten
Funktionen und den Gewohnheiten und
Bedürfnissen der Bewohner verringerte:
sie wechselt nur den Maßstab. Gleichzei-
tig delegiert sie aber, wie oben gezeigt,
das Figurganze an das (noch dazu zuneh-
mend privatwirtschaftliche) Design der
Einzelobjekte.
Die Verwaltung hat ihren Ausgangs-
punkt, die Funktionsplanung, geronnen
im gesetzlichen Flächennutzungsplan, gar
nicht richtig begriffen, wenn sie so billig
die zerstörerischen Folgen ihres Ansatzes
zu parieren hofft. Im Planungsinstrument
stecken aber nach wie vor die herrschen-
den gesellschaftlichen Bedingungen. Die
ästhetische Regression ist demgegenüber
ein Verkleidungsproblem, das von der
Krise eben dieses staatlichen Planungshan-
delns ablenkt, ihr gegenüber auch wirkungs
los bleibt. Da liegt das grundsätzliche Pro-
blem: die Planungskrise kann gar nicht
unter Beibehaltung aller grundlegenden
politischen Entscheidungsstrukturen ge-
löst werden, schon gar nicht dadurch, daß
die kommunale Stadtplanung sich selber
ästhetische Kompetenzen anmaßt, die in-
kommensurabel sind, oder diese parzelliert
an Einzelindividuen delegiert, als wären
wir noch im Zeitalter der Terraingesell-
schaften und Baumeisterarchitekten. Die
einzig wirksame Lösung der Planungskrise
ist darum auch nicht nur von Einsichten
der Verwaltung abhängig, so weit sie in
Wahlzeiten und bei bedrohter Mehrheit
gehen mögen, sondern davon, daß sich
neue Organisationsformen sozialer Bedürf-
nisse als Basisinitiativen entwickeln, die
in einer offenen Auseinandersetzung sich
den Spielraum erkämpfen, andere Aus-
gangspunkte der Planung, andere Lebens-
formen allererst so weit zu entwickeln,
daß sie sich in neuen Orientierungen dafür
niederschlagen können, wie Stadtbereiche
sein sollen, wie sich Arbeit und Wohnen,
materielle und soziale Bedürfnisse zueinan-
der verhalten können, was gebraucht wird,
welche Verkehrswege, welche Art gemein-
samer Einrichtungen und Erholungszonen,
Werkstätten und Lernorte, ob überhaupt
formelle Lokalisierungen wie Plätze, Grün-
gürtel usw., alles ja reichlich historistische
Formvorstellungen, gebraucht werden.
Die Funktionsplanung als reines Instru-
ment der Lokalisierung und Quantifizie-
rung von Versorgungsleistungen enthält
mit den Bedingungen der politischen Situa-
tion zugleich notwendige progressive Mo-
mente: die Aufhebung privatwirtschaftli-
cher Planungskompetenz und den Verzicht
auf staatlich verordnete Repräsentativität
der'Wohn-, Verkehrs-, Arbeits- und Lebens:
einrichtungen, wie sie zuletzt noch der
Faschismus versucht hat. Beides kann nur
auf der Ebene des Designs rückgängıg ge-
macht werden, nicht als historischer Stand-
punkt. Der ästhetische Spielraum, der da-
durch entsteht, daß ästhetische Angebote,
wie überall im Warendesign, zwar stets nur
zeitweise, jeweils aber mehrheitlich ange-
nommen werden, ist doch und bleibt vor-
läufig, eine politische Manövrierzone, keine
Lösung der Planungskrise. In welche Rich-
tung kann nun aber die abstrakte Planungs:
kompetenz der Verwaltung sonst entwik-
kelt werden, da ja doch weiterhin Lokali-
sierungen im Interesse aller vorgenommen
werden müssen?
Formuliert man die progressiven Mo-
mente abstrakter Flächenplanung, die ich
eben nannte, positiv, dann enthalten sie
eine doppelte Folgerung: Produzent von
Stadtformen sind die Lebensverhältnisse
selbst. Es gibt auch nicht mehr in Restform
eine als Stadtgrundriß und Raumform an-
schauliche mythische Tiefe von Siedlungs-
formen. Das, was aus der Vergangenheit
in die Planung heutiger Lebensverhältnisse
hineinreicht, ist Geschichte, die Vorge-
schichte der heutigen Verhältnisse — also
kein betrachtbares Bild, sondern ein Pro-
zeRß. der mit den heutigen Verhältnissen
zu tun hat und ihre perspektivische Tiefe
ausmacht. Diese Geschichte ist da. Sie muß
nicht erfunden, sondern nur aus der Ver-
drängung befreit werden. Auf sie beziehen
sich notwendigerweise also alle Versuche,
über die bloße planerische Notwendigkeit
gines bestimmten Maßes von Einrichtun-
gen in einem gegebenen Planungsgebiet
hinauszukommen. Die historische Brechung
ist diejenige Konkretisierungsfunktion von
Planung, die einer zentralen Planungsinstanz
zukommen kann, unter den gegebenen Ver-
hältnissen nur ihr zukommt und ihr als ein-
zige zukommt.
Die andere mögliche Konkretisierung
nach der historischen Aufhebung aller re-
ligiösen, staatlichen und klassenmäßigen
Stadtbildformen ist die Brechung des
Planungsangebots durch die von den Be-
troffenen selbst formulierten Bedürfnisse,
ein Anspruch, den die zentrale Verwaltung
schlechterdings nicht übernehmen und er-
füllen kann, auch dann nicht, wenn, wie in
unseren Verhältnissen, wirksame Basisinitia-
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Neuplanung von R. Krier: Symbolisierung differenzierter sozialer Raumcharaktere
— leeres Zeichen oder neue Gebrauchsmöglichkeiten?
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