Full text: ARCH+ : Zeitschrift für Architekten, Stadtplaner, Sozialarbeiter und kommunalpolitische Gruppen (1978, Jg. 10, H. 37-42)

war notwendig unmenschlich. Aber der 
Lernprozeß, der der staatlichen Planung 
dadurch aufgezwungen worden ist, droht 
in die falsche Richtung zu gehen: statt 
des Großornaments versucht man es mit 
kleinen, gehäuften Detailornamenten. Da- 
mit detailliert sich der Widerspruch, ohne 
daß sich die ästhetische Willkür, die Fremd 
heit gegenüber den von oben geplanten 
Funktionen und den Gewohnheiten und 
Bedürfnissen der Bewohner verringerte: 
sie wechselt nur den Maßstab. Gleichzei- 
tig delegiert sie aber, wie oben gezeigt, 
das Figurganze an das (noch dazu zuneh- 
mend privatwirtschaftliche) Design der 
Einzelobjekte. 
Die Verwaltung hat ihren Ausgangs- 
punkt, die Funktionsplanung, geronnen 
im gesetzlichen Flächennutzungsplan, gar 
nicht richtig begriffen, wenn sie so billig 
die zerstörerischen Folgen ihres Ansatzes 
zu parieren hofft. Im Planungsinstrument 
stecken aber nach wie vor die herrschen- 
den gesellschaftlichen Bedingungen. Die 
ästhetische Regression ist demgegenüber 
ein Verkleidungsproblem, das von der 
Krise eben dieses staatlichen Planungshan- 
delns ablenkt, ihr gegenüber auch wirkungs 
los bleibt. Da liegt das grundsätzliche Pro- 
blem: die Planungskrise kann gar nicht 
unter Beibehaltung aller grundlegenden 
politischen Entscheidungsstrukturen ge- 
löst werden, schon gar nicht dadurch, daß 
die kommunale Stadtplanung sich selber 
ästhetische Kompetenzen anmaßt, die in- 
kommensurabel sind, oder diese parzelliert 
an Einzelindividuen delegiert, als wären 
wir noch im Zeitalter der Terraingesell- 
schaften und Baumeisterarchitekten. Die 
einzig wirksame Lösung der Planungskrise 
ist darum auch nicht nur von Einsichten 
der Verwaltung abhängig, so weit sie in 
Wahlzeiten und bei bedrohter Mehrheit 
gehen mögen, sondern davon, daß sich 
neue Organisationsformen sozialer Bedürf- 
nisse als Basisinitiativen entwickeln, die 
in einer offenen Auseinandersetzung sich 
den Spielraum erkämpfen, andere Aus- 
gangspunkte der Planung, andere Lebens- 
formen allererst so weit zu entwickeln, 
daß sie sich in neuen Orientierungen dafür 
niederschlagen können, wie Stadtbereiche 
sein sollen, wie sich Arbeit und Wohnen, 
materielle und soziale Bedürfnisse zueinan- 
der verhalten können, was gebraucht wird, 
welche Verkehrswege, welche Art gemein- 
samer Einrichtungen und Erholungszonen, 
Werkstätten und Lernorte, ob überhaupt 
formelle Lokalisierungen wie Plätze, Grün- 
gürtel usw., alles ja reichlich historistische 
Formvorstellungen, gebraucht werden. 
Die Funktionsplanung als reines Instru- 
ment der Lokalisierung und Quantifizie- 
rung von Versorgungsleistungen enthält 
mit den Bedingungen der politischen Situa- 
tion zugleich notwendige progressive Mo- 
mente: die Aufhebung privatwirtschaftli- 
cher Planungskompetenz und den Verzicht 
auf staatlich verordnete Repräsentativität 
der'Wohn-, Verkehrs-, Arbeits- und Lebens: 
einrichtungen, wie sie zuletzt noch der 
Faschismus versucht hat. Beides kann nur 
auf der Ebene des Designs rückgängıg ge- 
macht werden, nicht als historischer Stand- 
punkt. Der ästhetische Spielraum, der da- 
durch entsteht, daß ästhetische Angebote, 
wie überall im Warendesign, zwar stets nur 
zeitweise, jeweils aber mehrheitlich ange- 
nommen werden, ist doch und bleibt vor- 
läufig, eine politische Manövrierzone, keine 
Lösung der Planungskrise. In welche Rich- 
tung kann nun aber die abstrakte Planungs: 
kompetenz der Verwaltung sonst entwik- 
kelt werden, da ja doch weiterhin Lokali- 
sierungen im Interesse aller vorgenommen 
werden müssen? 
Formuliert man die progressiven Mo- 
mente abstrakter Flächenplanung, die ich 
eben nannte, positiv, dann enthalten sie 
eine doppelte Folgerung: Produzent von 
Stadtformen sind die Lebensverhältnisse 
selbst. Es gibt auch nicht mehr in Restform 
eine als Stadtgrundriß und Raumform an- 
schauliche mythische Tiefe von Siedlungs- 
formen. Das, was aus der Vergangenheit 
in die Planung heutiger Lebensverhältnisse 
hineinreicht, ist Geschichte, die Vorge- 
schichte der heutigen Verhältnisse — also 
kein betrachtbares Bild, sondern ein Pro- 
zeRß. der mit den heutigen Verhältnissen 
zu tun hat und ihre perspektivische Tiefe 
ausmacht. Diese Geschichte ist da. Sie muß 
nicht erfunden, sondern nur aus der Ver- 
drängung befreit werden. Auf sie beziehen 
sich notwendigerweise also alle Versuche, 
über die bloße planerische Notwendigkeit 
gines bestimmten Maßes von Einrichtun- 
gen in einem gegebenen Planungsgebiet 
hinauszukommen. Die historische Brechung 
ist diejenige Konkretisierungsfunktion von 
Planung, die einer zentralen Planungsinstanz 
zukommen kann, unter den gegebenen Ver- 
hältnissen nur ihr zukommt und ihr als ein- 
zige zukommt. 
Die andere mögliche Konkretisierung 
nach der historischen Aufhebung aller re- 
ligiösen, staatlichen und klassenmäßigen 
Stadtbildformen ist die Brechung des 
Planungsangebots durch die von den Be- 
troffenen selbst formulierten Bedürfnisse, 
ein Anspruch, den die zentrale Verwaltung 
schlechterdings nicht übernehmen und er- 
füllen kann, auch dann nicht, wenn, wie in 
unseren Verhältnissen, wirksame Basisinitia- 
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Neuplanung von R. Krier: Symbolisierung differenzierter sozialer Raumcharaktere 
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