das auf die Analyse der antiken Architektur,
die als Komposition aus geometrischen Grund-
formen und kubischen Massen betrachtet wurde,
zurückgeht, und das später von den französi-
schen Revolutionsarchitekten aber auch von
preußischen „Klassizisten‘‘ wie Gentz, F. Gilly
und Schinkel verwendet wurde. In seinen
1734 - 36 erschienenen „Lectures’’ versucht Ro-
bert Morris, aus dieser entmystifizierten und
rationaleren Theorie architektonischer Form-
findung eine Entwurfsmethode abzuleiten:
Baukörper werden durch vertikale und hori-
zontale Additionen gleicher Kuben erzeugt
und variiert. Sehr klar iegt er in der bereits
1728 erschienen Schrift ‚Essay in Defence
of Ancient Architecture” offen, wieso die
Antike ihn zu diesem Formvokabular und
der vorgeschlagenen Methode geführt hat:
die antiken Bauten begriff er als Prototypen.
in denen er ‚diese gültigen Regeln, diese
perfekten Standards des Gesetzes von Ver-
nunft und Natur, das auf Schönheit und
Notwendigkeit basiert‘’, verwirklicht sah.
Italien: Funktionalistische Doktrin
gegen barocke Konventionen
In Italien erfolgt die Überwindung der ba-
rocken Konventionen später als in England
und mit einer anderen Stoßrichtung: durch
den funktional-rationalistischen Ansatz von
Carlo Lodoli (gestorben 1761), durch den
die enge Verflechtung des ästhetischen mit
dem funktionalen Rationalismus begründet
wird — eine Verflechtung, die erst um die
Mitte des 19. Jahrhunderts durch die Radika-
lisierung und Verabsolutierung der technisch-
ökonomisch-funktionalen Rationalität bei
Durand endgültig aufgebrochen wird.
Lodoli selbst hat keine Schriften hinter-
lassen, aber seine Theorie kann aus verschie-
denen ihn referierenden Abhandlungen re-
konstruiert werden. (Andrea Memmo, Ele-
menti di Architettura Lodoliana, 1786;
Francesco Algarotti, Saggio sopra |’Archi-
tettura, 1756 und Lettere sopra l’Architettu-
ra,,1742-63; Francesco Milizia, Opere com-
plete, 1826)
„In der Architektur soll nur das gezeigt
werden, was eine definite Funktion hat und
sich aus strengster Notwendigkeit ableitet‘.
(Algarotti) Mit diesem radikalen Dogma woll-
te Lodoli jedes nicht-fFunktionale Ornament
aus der Architektur verbannen, und an seine
Stelle die aus „Notwendigkeit”, „„Funktion””
und.,,Natur des Materials’ resultierende Form
setzen. Nur aufgrund dieser Kriterien — und
nicht etwa durch die Suche nach formimma-
nenten Regeln in Geometrie oder antiken Vor-
bildern — glaubte Lodoli eine rationale, ver-
nunftgemäße Architektur entwickeln zu
können. Lodoli allerdings war kein Architekt,
sondern ein reiner Theoretiker, der die deli-
kate Frage, weiche Formen und Kompositions-
regeln denn nun seinen Forderungen gerecht
werden könnten, den folgenden Auseinander-
setzungen der nunmehr in zwei Lager (die
sich auf Vitruv und Palladio berufenden, mehr
oder minder noch in barocken Konventionen
gefangenen ‚„‚Traditionalisten‘’, und die „‚funk-
tionalistischen Rigoristen‘‘) gespaltenen Prak-
tiker überließ.
Frankreich: der Ursprung der Architek-
tur als Quelle ihrer Regeln
Mit Jaques-Frangois Blondel beginnt der
Durchbruch des Rationalismus in Frankreich
Um die Mitte des 18. Jahrhunderts lehrte er
seinen Studenten zwar noch die tradierten
32
städtischen Form.
In diesem Sinne kann die anfängliche
Definition weiterentwickelt werden: d/e
Gebäudetypologie ist die Lehre von den
strukturell-organisatorischen künstlichen
Elementen (und hierunter sind nicht nur
die Gebäude, sondern auch die Mauern,
die Alleen, die Gärten u.a. zu verstehen,
die Bauweise der Stadt), mit dem Ziel,
diese Elemente in bezug auf die städti-
sche Form einer bestimmten Periode (oder
was das gleiche bedeutet, in bezug auf
eine besondere städtische Form) zu klassi-
fizieren ...
Die zahlreichen Beiträge zu einer typologi-
schen Definition können dann gemäß zwei
Klassifikationen, die unterschiedliche Ziel-
setzungen verfolgen, ... zusammengefaßt wer-
den:
1) in jene nach formalen Typen (unabhängige
Typologie) mit klassifikatorischen Inhalten
zum Zwecke einer kritischen Methode der
Analyse und des Vergleichs ästhetischer Phä-
nomene, und
2) in jene nach funktionalen Typen (ange-
wandte Typologie) mit bewußten Inhalten
zum Zwecke einer Analyse der konstitutiven
Phänomene einer Gesamtheit, die unabhän-
gig ist vom Wertsystem des ästhetischen Ty-
pus.
Im ersten Fall erhalten wir eine Klassifika-
tion nach formalen Konstanten, wie sie Witt-
kower für die Zentralbauten der Renaissance
vorgeschlagen hat, wo die Reduktion der for-
malen Varianten auf eine Basisform oder ein
gemeinsames Schema das Resultat eines Ver-
gleichs (verschiedener) konkreter Beispiele
ist und das Instrument, um aus dem Vergleich
das Schema selbst zu isolieren, das seinerseits
die Identifizierung der formalen Differenzen
erlaubt.
Im zweiten Fall erhalten wir eine Klassifi-
kation nach strukturellen Konstanten, wie sie
Babelon und Gallet für die demeures parisiennes
vorgeschlagen haben — sei es als Beschreibung
der konstitutiven Elemente oder als Lokalisa-
tion der Typen im Pariser Weichbild — wo die
Konstanz der beschriebenen Phänomene auch
das Resultat eines Vergleichs konkreter Bei-
spiele ist, aber darüber hinaus als das Instru-
ment gebraucht wird, um die Dauer der Phäno-
mene nicht nur auf sich selbst, sondern auf
etwas anderes, nämlich auf die Stadt, zu be-
weisen. Solche Klassifikationen sind daher ein
Instrument, das eine Beziehung zwischen ver-
schiedenen Einheiten zu begründen erlaubt.”
Im Vergleich zum Typusbegriff von Al-
do Rossi, der sich, wenn wir der Unter-
scheidung von Aymonino zwischen forma-
len und funktionalen Typen aufnehmen,
nur auf die formalen Typen konzentriert,
zeichnet sich dieser Typusbegriff durch
seine historische und analytische Schärfe
aus. Die Definition des Typus wird als
„ein Instrument und nicht (als) eine Ka-
tegorie’’ begriffen: der Typus ist das
„Instrument. ... zur Analyse der städti-
schen Phänomene.”’23)
Der Typus als Schema
Im Gegensatz zu diesem begrifflichen
Verständnis des ‘Typus’ wird er in den
Bauten von Rossi vornehmlich als ‘syntak-
tische und semantische Einheit’ behandelt,
deren ‘syntaktische Einheiten’ formale
Invarianzen darstellen, d.s. in diesem Fall,
wenn wir seine früheren Arbeiten wie die
Wohneinheit für das Gallaratese-Quartier
u.a. betrachten, geometrische Elementar-
formen wie der Kreis, das Dreieck und
das Quadrat, die entsprechend dem Ty-
pus als „semantische Einheit”” zu Schema-
ta verknüpft werden, den von uns sog.
‘typologischen Reihen’.
In der Handhabung des Typus setzt
sich in Rossis Entwürfen ein Verständnis
durch, das ihn im Sinne eines Schemas
behandelt: der Typus wird auf die Funk-
tionen eines ‚Modells’ reduziert25), das
den vorgegebenen historischen Typus als
‘syntaktische und semantische Einheit’
aufgreift und ihn als ‘Modell’ nachbildet.
Typus bedeutet dann: den historischen
Typus.als Modell nachzubilden.
In diesem Widerspruch zwischen dem
begrifflichen Verständnis des Typus und
seiner Handhabung durch Rossi und — wie
wir sehen werden — seiner Schüler bzw.
in dem reduzierenden Vorgehen, den hi-
storischen ‘Typus als Vorlage nachzubil-
den, die genau betrachtet nichts anderes
als ein Schema für die Verwendung archi-
tektonischer Elementarformen darstellt,
wird die immanente Tendenz dieses Archi-
tekturverständnisses zum Eklektizismus
sichtbar.
Der Eklektizismus der Rationalen Archi-
tektur
Diese immanente Tendenz zum Eklekti-
zismus wird aber nicht nur‘ am Problem
des Typus deutlich. Wir erkennen sie in
dem Versuch wieder, mit diesem Typus-
begriff die Architektur aus den kulturel-
len Konstanten der Stadtentwicklung her-
leiten zu wollen, um sie in dieser Weise
gesellschaftlich zu begründen. Dabei wird
sie realiter nur auf die Invarianten der
städtischen Morphologie zurückgeführt,
überspitzt formuliert: auf die Geometrie
ihrer Form-Elemente. Diese Tendenz hat
mittlerweile ‘Schule’ gemacht: die Um-
kehrung des Verhältnisses zwischen ‘Ty-
pus’ und ‘Modell’, zwischen Idee und Ko-
pie wiederholt sich im Verhältnis zwischen
„Meistern’” und „Schülern”. Als Beispiel
sei. hier nur der sich ausbreitende Rossi-
sche Architektur,,stil’” angeführt, der die
Architektur des Meisters als „„‚Modell’” be-
greift, den es zu kopieren gilt und dessen
Jünger sich deshalb der jedesmal erneuten
Mühe einer typologischen Analyse und
einer subjektiv begründeten ‘Wahl’ mei-
nen entziehen zu können.
Diese immanente Tendenz zum Eklek-
tizismus äußert sich auch in dem bemer-
kenswerten Schematismus der Entwürfe
und Bauten, der z.T. dem Elementarismus
der Aufklärungsarchitektur ähnelt, und
der gleich dieser seine wesentliche Lei-
stung darin findet, so etwas wie ‘Prototy-